Osteopathie

BMG-Rückzieher erzürnt Ärzte

Das Bundesgesundheitsministerium wollte die Osteopathie-Ausbildung in die Physiotherapie integrieren. Nun hat es einen entsprechenden Änderungsantrag zum Dritten Pflegestärkungsgesetz zurückgezogen. Eine alte Kontroverse lebt wieder auf.

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Osteopathie: Nicht jeder ist dafür, die Ausbildung in die Physiotherapie zu integrieren.

Osteopathie: Nicht jeder ist dafür, die Ausbildung in die Physiotherapie zu integrieren.

© Dan Race / fotolia.com

BERLIN. Das Bundesgesundheitsministerium sorgt mit seiner Entscheidung, im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum Dritten Pflegestärkungsgesetzes (PSG III) seinen Änderungsantrag Nr. 33 zurückzuziehen, für Unmut bei Ärzten und Physiotherapeuten.

Die osteopathischen Fachverbände hingegen atmen auf und fordern weiterhin ein eigenes Berufsgesetz.

Ärzte und Physiotherapeuten: Qualitätssicherung im Fokus

Die Berufsverbände der Physiotherapeuten, der Orthopäden und die Bundesärztekammer standen, wie sie in einer gemeinsamen Mitteilung bekunden, ausdrücklich hinter dem Änderungsantrag Nr. 33, mittels dessen die osteopathische Therapie mit 60 Unterrichtseinheiten in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Ausbildung von Physiotherapeuten verankert worden wäre.

Somit wäre die Osteopathie in die Physiotherapie integriert worden – ein Beitrag zur Qualitätssicherung und zur Patientensicherheit, so die Ärzte und Physiotherapeuten.

Zur Abgabe von Leistungen in der osteopathischen Therapie wäre in der Folge dann zusätzlich eine fundierte osteopathische Weiterbildung mit insgesamt mindestens 500 Unterrichtseinheiten erforderlich gewesen.

"Die Verankerung in der Ausbildung ist aber zunächst die rechtliche Grundlage dafür, dass eine Position Osteopathische Therapie überhaupt Eingang in entsprechende qualitätssichernde Weiterbildungsregelungen der Bundesländer und des Gemeinsamen Bundesausschusses finden kann", wie ärztlichen und physiotherapeutischen Vertreter betonen.

Die Vertreter der Osteopathenseite kontern entsprechend: "Die Angliederung der Osteopathie an die Physiotherapie wäre ein Angriff auf die Patientensicherheit gewesen, hätte der Osteopathie in Deutschland massiven Schaden zugefügt und keine Lösung für die langjährig osteopathisch ausgebildeten Physiotherapeuten und die akademisch ausgebildeten Osteopathen dargestellt", heißt es in einer Verband der Osteopathen Deutschland versandten Mitteilung.

Rechtsunsicherheit nach OLG-Spruch

Sie verweisen zudem darauf, dass es nach Umsetzung des Änderungsantrags aus ihrer Sicht auch keine Rechtssicherheit im Hinblick auf das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 8. September 2015 gegeben hätte.

Das OLG bestätigte, dass Physiotherapeuten die Osteopathie nur unter der Bedingung ausüben dürfen, dass sie über eine Heilpraktikererlaubnis verfügen. In seiner Begründung stellte das OLG darauf ab, dass Osteopathie und Physiotherapie nicht kongruent sind.

Entsprechend dürfe ein Physiotherapeut ohne Heilpraktikererlaubnis nicht für das Erbringen osteopathischer Leistungen werben. Ein Physiotherapeut war vor dem Gericht mit seiner Argumentation gescheitert, die physikalische Therapie sei der osteopathischen Behandlung ähnlich.

Osteopathie gehört, wie das OLG betonte, als Ausübung der Heilkunde in die Hände von Ärzten oder Heilpraktikern. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist indes unter Medizinjuristen nicht unumstritten.

Appell der Verbände

Das weitere Vorgehen nach dem Rückzieher des Bundesgesundheitsministeriums könnte erwartungsgemäß nicht konträrer sein. Die ärztlichen und phsiotherapeutischen Verbände "unterstützen das Bundesgesundheitsministerium darin, die notwendige gesetzliche Anpassung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Physiotherapeuten unbedingt noch in dieser Legislaturperiode vorzunehmen. Die Bundesländer werden aufgefordert, die damit verbundene Qualitätssicherung in der Anwendung osteopathischer Verfahren durch Verankerung in der Aus- und Weiterbildung von Physiotherapeuten zu unterstützen", lautet der Appell.

"Wir regen einen Dialog mit allen beteiligten Berufsgruppen zu Schnittstellen und Notwendigkeiten der Abgrenzung im Sinne des Patientenschutzes und der Qualitätssicherung an, bei dem alle Beteiligten ihr Fachwissen aus der von ihnen vertretenen Berufsgruppe einbringen", so die osteopathischen Fachvertreter. (maw)

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Kommentare
Andrea Schalkhaußer 13.02.201713:54 Uhr

Wo das Verständnis für die Sache fehlt, wird die Diskussion um die Form ewig währen! I

Die berufspolitische Diskussion zur Etablierung der „Osteopathie“ schwelt seit Jahr(zehnt)en. Eine Lösung scheitert m.E. daran, dass es selbst osteopathie-intern keine Einigkeit darüber gibt, was unter Osteopathie bzw. osteopathischer Medizin zu verstehen ist.
Besinnt man sich auf den philosophisch-psychologisch-pragmatisch-praktischen Ansatz AT Stills - des Begründers der Osteopathie (und nicht auf seine häufig theoretisierenden Schüler und „Schülersschüler“) ist leicht zu erkennen, dass die osteopathische Medizin mehr ist als ein Konglomerat an manuellen Behandlungstechniken.

Still fordert von osteopathisch arbeitenden Ärzten ein profundes Fachwissen zusammen mit einem Bewusstsein für nicht direkt nachvollziehbare, wissenschaftlich evtl. noch nicht erklärbare oder individuell gesteuerte übergeordnete Zusammenhänge und damit verbunden den Respekt vor jedem einzelnen Patienten.
Veränderungen am Patienten werden vom osteopathischen Arzt mit allen Sinnen wahrgenommen. Sein Blick ist dabei nicht auf bestimmte Strukturen oder Gewebebereiche fokussiert, sondern er hat den ganzen Menschen in seiner bio- psycho-sozialen Einbettung im Blick. Die manuelle Behandlung erfolgt nicht in Form von standardisierten Techniken, sondern individuell angepasst an jede individuelle Situation, jeden individuellen Patienten und jedes individuelle Gewebe.

Das Spektrum der Leiden verursachenden Störungen hat sich über die Jahre in Richtung subjektive, häufig somatisch nicht ausreichend erklärbare oder verifizierbare körperliche Befindlichkeitsstörungen und Schmerzzustände verschoben. Studien im Rahmen des allostatischen Konzepts geben Hinweise darauf, dass eine Krankheitsentstehung durch Kumulation verschiedener Belastungen wahrscheinlich ist. Weiterhin geben diese Studien Hinweise darauf, dass Anpassungsreaktionen über die Zeit zur Veränderungen verschiedener Körpersysteme führen. Betroffen sind dabei u.a. der Muskeltonus, das kardiovaskuläre System und der Metabolismus. Diese Hinweise aus der Literatur könnten möglicherweise osteopathisch wahrnehmbare biologische Veränderungen als Folge zentralnervös gesteuerter, komplexer Anpassungsreaktionen auf chronische Belastung erklären.

Aus der Diskrepanz zwischen der Leidens-Wahrnehmung der Patienten und des Nicht-Wahrnehmens deren körperlicher Veränderungen durch die Ärzte resultiert eine diagnostische und therapeutische Hilflosigkeit. Für die Patienten, die involvierten Ärzte und das Gesundheitssystem ist das eine belastende Situation.
Osteopathische Medizin könnte die durch einen Mangel an Wahrnehmung entstandene diagnostische und therapeutische Lücke der klassischen Medizin schließen. Die therapeutische Aufhebung der Dissoziation zwischen Körperempfindung und intellektueller Bewertung kann die Möglichkeit von Veränderung (und dadurch „Selbstheilung“) eröffnen. Der Patient ist aktiv an seiner Heilung beteiligt. Unnötige Kosten könnten gesenkt werden.

Die „Osteopathische Medizin“ sollte als eigenständiger Heilberuf anerkannt werden und als eine mit anderen Fachbereichen der Medizin kooperierende und aufgrund ihrer Spezifität sehr sinnvolle Ergänzung gesehen werden.
Um die Qualität osteopathischen Arbeitens und den Patientenschutz zu gewährleisten sollte die Ausbildung dual gestaltet werden. Theoretisches Wissen wird durch ein Studium vermittelt, die praktischen Fähigkeiten werden in einer Ausbildung erlangt. Die Ausbildung könnte mit dem „staatlich anerkannten osteopathischen Arzt“ abschließen.

Die ganze Abhandlung (mit Literatur!), die das Verständnis hinsichtlich der osteopathischen Medizin fördern und das Interesse anregen soll, über eine Positionierung der osteopathischen Medizin im aktuellen Gesundheitssystem noch einmal neu zu überdenken, kann unter www.osteopathischemedizin.wordpress.com nachgelesen werden.

Dr. med. Andrea Schalkhaußer

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