Feinstaub-Debatte

Ärzte gegen Diesel-Hysterie

Der Direktor der Max Grundig Klinik im Schwarzwald schaltet sich in die Diskussion um die dieselbedingte Feinstaubbelastung in deutschen Städten ein. Für ihn grenzt die Verteufelung des Dieselmotors mithilfe medizinischer Argumente beinahe an Fake News.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
2005 verbannte Frankfurt Laster aus Teilen des Stadtgebietes zum Zwecke der Luftreinhaltung. Nun droht Frankfurt, bald ein Fahrverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge im gesamten Stadtgebiet verhängen zu müssen.

2005 verbannte Frankfurt Laster aus Teilen des Stadtgebietes zum Zwecke der Luftreinhaltung. Nun droht Frankfurt, bald ein Fahrverbot für bestimmte Dieselfahrzeuge im gesamten Stadtgebiet verhängen zu müssen.

© Arne Dedert / dpa

BÜHL. Bisher fallen Mediziner in puncto Feinstaubbelastung eher als Befürworter von Dieselfahrverboten auf – im Dienste der Gesundheit, wie immer betont wird. Nun regt sich ärztlicherseits Widerstand gegen die Verteufelung des Dieselmotors.

"Aus medizinischer Sicht wird beim Diesel-Thema viel zu oft parteiisch argumentiert und am Ende ein Mythos kreiert, der dann über lange Zeit nicht mehr aus den Köpfen geht. Für mich grenzt die Verteufelung des Dieselmotors mithilfe medizinischer Argumente inzwischen schon beinahe an Fake News", echauffiert sich Professor Curt Diehm, Ärztlicher Direktor der Max Grundig Klinik im Schwarzwald.

Spätestens seit sich die Deutsche Umwelthilfe Ende Februar vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgesetzt hat, erschüttert eine heftige Debatte um Dieselfahrverbote die Republik.

Die Leipziger Richter bestätigten die Urteile der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart, mit denen die Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zur Modifizierung ihrer Luftreinhaltepläne für abgasbelastete Städte gezwungen werden – um die Stickoxidbelastung zu reduzieren.

Hamburg hat inzwischen für bestimmte Straßenzüge, an denen sich auch Arztpraxen befinden, ein Fahrverbot für ältere Diesel verhängt, in Wiesbaden und der Pendler- und Dieselhauptstadt Frankfurt drohen entsprechende Maßnahmen.

Diskussion um "Diesel Diavolo"

Jüngst befeuerte der Europäische Rechnungshof in einem Sonderbericht die Diskussion um den "Diesel Diavolo".

Wie der Hof betont, gingen jährlich rund 400.000 vorzeitige Todesfälle in der EU auf das Konto der Luftverschmutzung – und die gesundheitsbezogenen externen Kosten beliefen sich auf mehrere Hundert Milliarden Euro.

Weiter führt er aus, dass Feinstaub, Stickstoffdioxid und bodennahes Ozon diejenigen Luftschadstoffe seien, die die meisten frühen Todesfälle verursachten, und dass Menschen in städtischen Gebieten besonders gefährdet seien. Zudem kämen viele Mitgliedstaaten ihrer Kontrollpflicht zur Luftreinhaltung nur in ungenügendem Maße nach.

Für Diehm sind solche Zahlenspiele suspekt. Ohne das Umweltbundesamt beim Namen zu nennen, das mit Verweis auf eine entsprechende Studie verlauten ließ, dass jährlich möglicherweise 6000 vorzeitige Todesfälle mit der Stickstoffdioxid-Expositionen assoziiert sind, nennt er solche Zahlen pseudo-wissenschaftliche Behauptungen. "Wie man eine derartige Aussage evidenzbasiert nachweisen will, ist mir ein Rätsel", so Diehm.

Bei Stickoxiden gelte: Der Grenzwert am Arbeitsplatz in Deutschland liege bei 950 Mikrogramm. Diehm zieht den Tabakkonsum als Vergleichsgröße heran.

Ein Raucher inhaliere, wie er betont, mit einer einzigen Zigarette bereits 1000 Mikrogramm. Bevor man also den Diesel aus der Stadt verbanne, könnte der Gesetzgeber durchaus darüber nachdenken, das Rauchen zuerst zu verbieten, regt Diehm an.

Feinstaub-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter

Diesen Appell unterfüttert er mit einem weiteren Vergleich. Der Grenzwert für Feinstaub in Deutschland beträgt derzeit 40 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Ein Stuttgarter Bürger, der sein Leben lang ohne Ferien Tag und Nacht am Neckartor verbringen würde und deshalb diese Menge täglich einatme, hätte nach 75 bis 80 Jahren rund zehn bis 12 Gramm Feinstaub in der Lunge.

Ein Raucher, der eine Packung Zigaretten am Tag rauche und deshalb Superfeinstaub inhaliere, schaffe diese Menge in zwei Wochen.

Sofern ein Raucher vierzig Jahre lang eine Packung täglich rauche, wäre seine Feinstaubkonzentration in der Lunge mit einem immensen Faktor höher als die des Anwohners am Neckartor, so Diehms Argumentationskette.

Der Mediziner verweist zudem auf eine im British Medical Journal bereits 2004 publizierte Studie hin, der zufolge das Rauchen einer einzigen Zigarette so viel Feinstaub produziere wie ein damaliger Dieselmotor, der eineinhalb Stunden laufe.

Für ihn ist das Beweis genug, dass die Mengen an Feinstaub, die Menschen von Dieselabgasen aufnehmen, über das Leben verteilt eine fast vernachlässigbare Größe sein dürften.

Eine Frage der Dosis

Um Kritikern seiner These den Wind aus den Segeln zu nehmen, stellt Diehm mit Verweis auf die Steinstaublungen bei Bergarbeitern etwa im Ruhrgebiet klar: "Ich will Feinstaub im Grundsatz nicht verharmlosen, natürlich können Feinstäube ein Problem sein."

Die Frage müsse jedoch lauten, ab welcher Dosis Feinstaub wirklich gefährdend auf Lunge, Herz und Gefäße wirke. Der Grenzwert in Deutschland von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter sei dafür sehr niedrig, betont er.

Zudem sei der Autoverkehr nur rund zur Hälfte für die Feinstaubbelastung in deutschen Städten verantwortlich.

"Man muss deshalb konstatieren, dass in der Diskussion um die Feinstaubverunreinigungen durch Dieselautos die Fakten ideologisiert werden und sich leider auch Wissenschaft und Forschung vor den Karren spannen lassen", so Diehms Fazit der Diesel-Debatte.

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