Umweltbundesamt

Tausende Tote, eine Million Kranke durch Stickoxide

Fatale Folge der Stickoxid-Belastung in Deutschland: 6000 vorzeitige Todesfälle stehen statistisch in Zusammenhang mit der Luftbelastung durch das Gas. Hauptursache ist der Straßenverkehr und dabei vor allem Dieselmotoren.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Gefahr durch Stickoxide: 6000 Menschen starben vorzeitig an Herz-Kreislauf-Krankheiten, bei denen eine Assoziation zur Langzeitbelastung mit NO2 bestand, so eine Studie des Bundesumweltamtes.

Gefahr durch Stickoxide: 6000 Menschen starben vorzeitig an Herz-Kreislauf-Krankheiten, bei denen eine Assoziation zur Langzeitbelastung mit NO2 bestand, so eine Studie des Bundesumweltamtes.

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BERLIN. Das Umweltbundesamt hat mögliche Krankheitslasten aufgrund der Stickstoffdioxid-Expositionen in Deutschland ermitteln lassen. Im Auftrag des Bundesinstituts haben dabei das Helmholtz-Zentrum München und die IVU Umwelt GmbH in Freiburg die vorzeitigen Todesfälle und verlorenen Lebensjahre in Zusammenhang mit der Umweltbelastung in einer jetzt publizierten Studie abgeschätzt. Zwar sind die Zahlen dabei in den vergangenen Jahren zurückgegangen, es gibt aber immer noch Hinweise auf beträchtliche Schadwirkungen von NO2.

Ein Hinweis darauf ist der Zusammenhang zwischen der NO2-Belastung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Für das Jahr 2008 wurden hier 8157 vorzeitige Todesfälle und 71.396 verlorene Lebensjahre in Assoziation mit dem Schadstoff ermittelt. Bis 2014 gingen die Zahlen nach der Untersuchung um 27 Prozent auf 5966 vorzeitige Todesfälle und um gut 30 Prozent auf 49.726 verlorene Lebensjahre zurück.

Die Forscher haben zudem die bei den Geschädigten entstandene Zahl der Jahre mit eingeschränkter Gesundheit ermittelt. Bei diesen sogenannten Disability-Adjusted Life Years (DALYs) gab es im Beobachtungszeitraum einen Rückgang von 126 DALYs/100.000 Einwohner auf 88/100.000.

Die Forscher sehen zudem einen Zusammenhang von 437.000 Fällen von Diabetes mellitus und 439.000 Fällen von Asthma mit der NO2-Belastung. Auch hier gab es allerdings in der Sechsjahresfrist einen Rückgang der damit verbundenen DALYs von 46 auf 36/100.000 Einwohner bei Diabetes, von 22 auf 18/100.000 bei COPD und von 30 auf 25/100.000 bei Asthma.

Um auch den Einfluss von Spitzenbelastungen beurteilen zu können, wurde in der Studie zusätzlich der Anteil der verkehrsbezogenen Krankheitslast durch NO2 für ausgewählte Modellregionen geschätzt. Das sind Berlin, München und Brandenburg. In diesen Regionen ergab sich im Vergleich zu Gebieten mit mittlerer bundesweiter Stickstoffdioxid-Belastung (Hintergrund-Langzeitexposition) eine um bis zu 50 Prozent erhöhte Krankheitslast.

Besonders stark belastete Regionen sind daneben auch das Rhein-Ruhr-Gebiet, die Rhein-Main- und Rhein-Neckar-Region sowie der Großraum Stuttgart. Hier wird der europäische Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter teils deutlich übertroffen.

Die Studie zeige, so die Präsidentin des Umweltbundesamtes Maria Krautzburger, "wie sehr Stickstoffdioxid der Gesundheit in Deutschland schadet. Wir sollten alles unternehmen, damit unsere Luft sauber und gesund ist." Zu 72 Prozent ist Straßenverkehr die Ursache der Stickstoffdioxidbelastung, der größte Teil davon stammt wiederum von Dieselmotoren. Erforderlich seien intelligente Mobilitätskonzepte, die den Individualverkehr ersetzen könnten, so Krautzburger.

Zum ersten Mal liegt mit dem UBA-Bericht eine kleinräumige Schätzung der Folgen einer NO2-Langzeitexposition für Deutschland vor. Diese Werte sind nach Angabe des UBA sehr konservativ berechnet und können daher eher zu niedrig liegen, da in der Studie zum Beispiel bei der Schätzung der Langzeiteffekte nur Endpunkte mit "starker Evidenz" berücksichtigt wurden. Aus Sicht des UBA ist die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen für NO2 durch viele Studien mit übereinstimmenden Ergebnissen belegt.

Die Zahlen belegten, dass an stark belasteten Orten mehr Menschen an den Folgen von NO2 erkrankten, sagte Krautzberger. "Die Ergebnisse, die wir vorstellen, sind die Untergrenze", betonte sie, die Zahlen lägen wohl höher. "Es muss uns gelingen, in den nächsten Jahren zumindest im ersten Schritt die Grenzwerte einzuhalten und dann vielleicht auch noch weiter nach unten zu kommen."

Es gibt allerdings weitere Umweltbelastungen mit zum Teil wesentlich höherer Bedeutung: So wird die Krankheitslast für Feinstaub mit jährlich 41.100 vorzeitigen Todesfällen angegeben. Verursacher sind hier vor allem auch Autos mit Benzinmotoren. Noch ausgeprägter ist das Risiko des Rauchens mit 100.000 vorzeitigen Todesfällen.  (Mitarbeit eis und dpa-Material)

Lesen Sie dazu auch: Stick(oxid)ige Luft

Lesen Sie dazu auch: Diesel-Debatte: Pneumologen lehnen Grenzwertdebatten über Luftschadstoffe ab

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Kommentare
Dr. Martin Junker 11.03.201816:15 Uhr

Feinstaub durch Diesel??

Bei einer Fortbildung hat kürzlich der vortragende Pneumologe eine Studie vorgestellt: Bei einem Dieselfahrzeug Stufe 5 wurde in 1/2 Std. in einer Garage laufend ca. 40 microgramm Feinstaub gemessen. Ein Raucher, der 3 Zigaretten in derselben Garage geraucht hat, produzierte ca. 280 microgramm! Noch Fragen? Da werden Dieselfahrzeuge aus Stuttgart verbannt, wobei Tausende Raucher in gleicher Zeit ihre Kippen auf der Straße "entsorgen" u. ein Vielfaches an Feinstaub produzieren! - Wo bleibt der gesunde Menschenverstand?

Dr. Manfred Blinzler 09.03.201817:46 Uhr

Diabetes Stickoxide

Die Studie entlarvt sich selbst, aber fake news sind ja gesellschaftlich inzwischen akzeptiert, auch die Politik fällt darauf rein. Leider wird sich dieser Hype um das Auto nicht ändern lassen. Wir brauchen halt ein "nerviges" Thema, weil es sonst nicht viel zu klagen gibt. Zwei Gedanken lassen mich nicht los:
Auch im übrigen Europa fahren doch die gleichen Autos wie bei uns, was machn diese Länder anders, daß man bei uns nichts davon hört.
Und als Diabetologe kann ich weinen oder lachen, über soviel verkrampfte Argumentation. Die Kollegen haben recht, diese eindimensionale Betrachtungsweise desavouiert das ganze Umweltamt und die, die den Unsinn nachplappern.
Oder: da mindestens 80 % der Diabetiker übergewichtig sind, kann nicht nur Diabetes sondern auch das Übergewicht durch verschluckten Feinstaub bzw eingeatmetes NO2 ausgelöst sein?

Dr. Petra Urbach 09.03.201814:28 Uhr

Viele offene Fragen zu NOX

Zu NOX stellen sich viele Fragen. U.a. Wie kam diese Statistik zustande? Denn kein Kollege der Welt diagnostiziert "vorzeitiger Tod durch NOX-Wert-Erhöhung". Also was genau wird da von wem wie statistisch hochgerechnet?.
(Und wer schon einmal persönlich den Verkehr z.B. am Trafalgar Square, rund um den Arc de Triumphe, in Neapel oder Rom oder Barcelona erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, dass da die NOX-Werte geringer sind als in München.)

Dr. Bernhard Rudy 09.03.201814:10 Uhr

Eine zu offensichtlich politisch gesteuerte Volksverdummung

„Glaube nie einer Statistik, wenn sie nicht selbst gefälscht ist“ Endlich wissen wir woher unsere Herzinfarkttote, Diabetiker, Asthamtiker und und und herkommen. Was wird die Welt doch so schön, wenn wir dann alle e-Autos fahren. Vielleicht sparen wir uns dann auch noch sonstige Foschungskosten zur Bekämpfung dieser Zivilisationskrankheiten...Und die Zeche zahlt der „Michel“!! Komisch nur, dass NO2 mit einem Anteil von 10-100 ppb (parts per Billion) im sog Spurengasbereich liegt und noch um den Faktor 10 unter dem N2O-Anteil liegt und zudem der Grenzwert am Arbeitsplatz getrost um den Faktor 20 höher liegen darf als außerhalb, nur mit der Begründung, außerhalb ist jeder ausgesetzt - wie zynisch!! Zudem wissen wir, dass die natürlichen NO2-Quellen pro Jahr 3-4x mehr Millionen Tonnen NO2 austoßen als alle menschlich produzierten Quellen incl. Kreuzfahrtschiffe. Und am aller perfidesten ist die Tatsache, dass eine klare Trennung zwischen Feinstaub und NO2 in keiner Studie möglich ist und Feinstaub einen deutlich höheren Anteil an Asthmaerkrankungen hat und a leichter durch Filter einzudämmen ist und zudem bei allen Fahrzeugen mit Bremsen und Gummirädern mit zuveranworten ist. Vielleicht sollte man technisch NO2 zu NO reduzieren, dann bräuchten Astmatiker und AP-Patienten keinen Spray mehr...

Jörg Avila 09.03.201807:57 Uhr

Forderung: Ende einer ideologischen Hetzjagd

Grundlegend sind Bestrebungen, welche eine Vermeidung/Reduktion einer Gesundheitsgefährdung verfolgen, zu begrüßen und zu unterstützen. Die hierbei in puncto Dieselfahrzeugen kürzlich hervorgehobenen Studien sind inhaltlich und methodische äußerst fragwürdig. Dabei gibt es belastbarere Studien, natürlich mit abweichenden und weniger dramatischen Ergebnissen, welche von den ideologischen Gegner wie DHU, Bundesumweltamt etc. von Dieselfahrzeugen bewusst oder auch unbewusst verschwiegen werden. Die Diskussionen zum Thema Alternativen, wurden bisher nicht zu Ede geführt, weil dann sehr schnell klar wird, dass diese Alternativen nicht für die Masse geeignet und/oder zur Verschlimmerung der Situation führt. Weshalb verlässt die Bahn AG zunehmend mit Ihren Töchterunternehmen im Güterverkehr die Schiene und begibt sich auf die Straße? Bei der Diskussion einer Gesundheitsgefährdung dürften Themen wie Acrylamid, Transfette, Übermengen von Salzen etc. in der westlichen Ernährung eher in dieser Intensität geführten werden, wie sie nun in populistischer Art und Weise um den Diesel geführt werden.

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