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Bericht: Janssen Open House beim Hauptstadtkongress

Präzisionsmedizin: Was die zarte Pflanze zum Blühen braucht

Präzisionsmedizin ist zwar nicht mehr nur Science Fiction visionärer Forscher, in der Versorgungsrealität allerdings nur punktuell und dann auch eher vom Zufall bestimmt angekommen. Über die Voraussetzungen einer breiteren Anwendung treffsicherer Medizin diskutierte ein bewusst sehr heterogen zusammengesetztes Panel im Rahmen des Dialog-Formats „Janssen Open House“ auf dem Hauptstadtkongress 2024.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Das Portal zur Präzisionsmedizin ist offen. Der Weg hindurch wurde beim Hauptstadtkongress diskutiert. (Schmuckbild)

Das Portal zur Präzisionsmedizin ist offen. Der Weg hindurch wurde beim Hauptstadtkongress diskutiert. (Schmuckbild)

© Bokehstore / stock.adobe.com

Berlin. Wie kann es gelingen, für die hohe Wirksamkeit von Präzisionsmedizin bessere Evidenz zu gewinnen, und wie können neue hochdifferenzierte Erkenntnisse schneller, zielgerichtet und möglichst gleichmäßig in der Versorgung angewendet werden? Für solche Fragestellungen hat das forschende Pharmaunternehmen Johnson & Johnson das Janssen OpenHouse-Format entwickelt – mit der systematischen Beteiligung von Vertreter:innen aller relevanten Stakeholder: Wissenschaft, Politik, Ärzteschaft, Krankenkassen und Digitalunternehmen, wie die beiden Gastgeber Dr. med. Ursula Kleine-Voßbeck und Dr. med. Holger Bartz sagten. Auf diese Weise wird eine 360-Grad-Perspektive auf komplexe Themen - wie z.B. die Erforschung und den Einsatz von Präzisionsmedizin – ermöglicht.

Angesichts der heterogenen Zusammensetzung des Panels zeigte sich ein entsprechend differenziertes Meinungsbild, was die Penetration von Präzisionsmedizin in die Versorgungsrealität angeht. Vision oder Wirklichkeit? – Da erbrachte auch eine Online-Slido-Umfrage unter den Zuhörern ein Patt.

Spitzenforschung sichert noch keinen Zugang zu Innovationen

Selbst für die USA, die weltweit in der Medizinforschung, aber auch in der Entwicklung von Datennutzung und Künstlicher Intelligenz weltweit vorn liegen, fällt das Urteil von eher ernüchternd aus: Der internationale Spitzenplatz in der Wissenschaft führt nicht dazu, dass Patienten einen guten Zugang zu dieser innovativen Versorgung haben, so Dr. Mridul Agrawal vom Mannheimer Unternehmen iuvando Health, ein Rechercheportal für Krebspatient:innen, die an klinischen Studien teilnehmen wollen. Ursächlich dafür sei das Erstattungssystem mit seinen großen sozioökonomischen Unterschieden. In dieser Beziehung biete Europa mehr Gerechtigkeit.

„Das iPhone-Moment steht noch aus“

„Das iPhone-Moment steht noch aus, das meiste ist in der Entwicklung wie beispielsweise individualisierte Impfstoffe, an denen BioNTech arbeitet“, so der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Mieves, eine Aussage, die von Gastgeber Bartz bestätigt wurde. Aber auch die Forschung und insbesondere die Schaffung einer befriedigenden Evidenz für den Nutzen sei im Moment noch schwierig und vom Zufall bestimmt, so Agrawal. Meist hätten nur an spezialisierten Zentren behandelte Patient:innen Zugang zu Studien, insgesamt fehle es für Patient:innen und niedergelassene Ärzte:innen an Transparenz über geplante klinische Studien.

Aus diesem Grund, so Dr. Sandra Jansen von der Patientenvereinigung Pro Retina, habe ihre Selbsthilfeorganisation ein Portal geschaffen, in dem sich Patienten mit gesicherter Diagnose Netzhauterkrankung registrieren können. Mit dem 2016 etablierten Register sei ein Bindeglied zwischen Patient:innen und Forschung etabliert worden, das ihnen die Teilnahme an Forschungsprojekten, insbesondere an klinischen Studien ermöglicht.

Was jetzt funktionieren muss: Umsetzung der Datengesetze

Was die Forschung benötige, seien gute Datensätze, die zwei Anforderungen erfüllen müssen, so der SPD-Abgeordnete Miewes: Daten, die die spezifische Krankheitssituation und ihren Verlauf des einzelnen Patient:innen abbilden, die zugleich aber auch möglichst große Teile der Bevölkerung einbeziehen. Mit dem Digitalgesetz und der Etablierung der ePA sowie dem Datennutzungsgesetz seien die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen – „dies in die Tat umzusetzen, wird uns Nerven kosten“.

Eine weitere Option, Daten für die Forschung zu generieren, sieht Friedrich Lämmel von Thryve. Das Berliner Unternehmen sammelt die auf Wearables gespeicherten Gesundheitsdaten und verkauft diese an forschende Unternehmen, aber auch an Krankenkassen. Die Daten bilden nicht nur den Gesundheitszustand eines Moments ab, sondern auch längerfristige Verläufe, deren Auswertung ihrerseits aufgrund der großen Datenfülle der Unterstützung durch Künstliche Intelligenz benötigt. Verfügbar seien inzwischen die Daten von weltweit rund zwei Millionen Patient:innen.

Erkenntniszuwachs wird beschleunigt

Die auf diese Weise entstehende Beschleunigung des Erkenntniszuwachses erfordere allerdings einen Kulturwandel beim Wissenstransfer aus der Forschung zu den versorgenden Ärzt:innen, so der Psychiater und Psychotherapeut Professor Gründer von der Universität Heidelberg. Denn Präzisionsmedizin sei etwas anderes als Leitlinien-gestützte Medizin – und auch Leitlinien würden nicht immer gelesen, geschweige denn beachtet.

Aus dem Grund, so Holger Bartz von Johnson & Johnson, sei eine Neuausrichtung der Ärzt:innen-Information, auch durch die Industrie notwendig. Auch Matthias Mieves sieht gerade für Hausärzt:innen mit ihrer wichtigen Funktion als Lots:innen eine Herausforderung, die mit konventionellen Methoden der Fortbildung nicht bewältigen sein werde. Sie benötigen einen digitalen Assistenten, der gut gesicherten datengestützte Entscheidungshilfen für Patient:innenpfade liefert – nicht als Ersatz, sondern als Unterstützung ärztlicher Entscheidungen, wie Mieves betonte.

Zu viel Zufall – helfen könnten Patient:innenpfade

Derzeit, so Dr. Gertrud Demmler, Vorständin der Siemens-Betriebskrankenkasse ,, sei zu viel in der realen Versorgung durch Zufall bestimmt – und Patient:innen werden zu häufig in nicht geeigneten Einrichtungen mit unterdurchschnittlicher Ergebnisqualität behandelt. Aus diesem Grund werde ihre Krankenkasse daran gehen, systematisch Patient:innenpfade zu entwickeln, als Erstes für Nierenerkrankungen.

Demmler hält es für sinnvoller, solche Patient:innenpfade Bottom-up von Ärzt:innen, Kassen und weiteren kompetenten Institutionen zu entwickeln, „die die Versorgungsfront im Blick haben“. Denn die DMPs seien nicht patient:innenenorientiert, sondern aus der Regulation des SGB V entwickelt worden. Gegenwärtig sei man aber noch weit von einer gesteuerten Patient:innenversorgung entfernt, insbesondere in der ambulanten Medizin als wichtigster Versorgungssäule.

So bestand in dem heterogenen Panel Einigkeit in einem wesentlichen Punkt: Für die zukünftige ärztliche Versorgung wird eine Art Doppelstruktur benötigt: datenbasierte und KI-gestützte Entscheidungshilfen für die Ärzt:innen für Therapieentscheidungen, die sie persönlich mit den Patient:innen besprechen und entscheiden.

Mehr Infos zum Janssen Open House hier >>>

Quelle: „Game-Changer Präzisionsmedizin: Science Fiction oder Versorgungs-Realität?“, Janssen Open House beim Hauptstadtkongress 2024, 26. Bis 28. Juni 2024 in Berlin

Teilnehmer:innen:

Dr. Mridul Agrawal, Managing Director & Founder, iuvando Health

Dr. Gertrud Demmler, Vorständin SBK Siemens-Betriebskrankenkasse

Prof. Dr. med. Gerhard Gründer, Psychiater und Psychotherapeut, Professor an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg

Dr. rer. nat. Sandra Jansen, Fachreferentin Diagnose & Forschung, Pro Retina

Friedrich Lämmel, CEO & Co-Founder, Thryve

Matthias Mieves, Sprecher für e-Health für die SPD-Fraktion und ordentliches Mitglied im Gesundheitsausschuss und im Ausschuss für Digitales im Deutschen Bundestag

Denis Nößler, Chefredakteur Ärzte Zeitung

Gastgeber:innen:

Dr. med. Holger Bartz, Janssen Deutschland

Dr. med. Ursula Kleine-Voßbeck, Janssen Deutschland

Moderation: Inga Bergen

EM-161967

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