58. DEGAM-Kongress

Weiterbildungsquoten sind selbst in der Allgemeinmedizin ambivalent

Wo kommen in zehn Jahren die nötigen Hausärztinnen und Hausärzte her? Zwar steigt die Zahl der Weiterbildungsabschlüsse, der Bedarf ist aber noch größer. Andere Länder machen es mit Quoten. Beim DEGAM-Kongress gingen die Meinung darüber auseinander.

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Podiumsdiskussion beim 58. DEGAM-Kongress am 26.09.2024 in Würzburg.

Podiumsdiskussion beim 58. DEGAM-Kongress am 26.09.2024 in Würzburg: Professor Marco Roos, Dr. Antje Gottberg, Dr. Christian Pfeiffer, Dr. Gerald Quitterer, Eva Bucher, Dr. Laura Lunden, Professorin Anne Simmenroth, Professorin Ildikó Gágyor, Dr. Markus Beier, Professor Dominik Ose.

© Daniel Reinhardt für die Ärzte Zeitung

Würzburg. Deutschland hängt in der Facharztweiterbildung anderen Ländern bekanntlich hinterher: Zu lange Weiterbildungszeiten, schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und ein Ungleichgewicht zwischen den Fachgebieten sind nur drei Schlagworte. Das Ergebnis ist die bislang ungelöste Frage, wo in absehbarer Zeit Ärztinnen und Ärzte herkommen sollen, vorzugsweise für die primärärztlichen Fächer.

Seit einigen Jahren in der Debatte: eine Art Bedarfsplanung für die Weiterbildung und ein Steuermechanismus bis hin zur Quotierung von Weiterbildungsstellen. Doch auch die wäre nicht das Allheilmittel und hätte unerwünschte Nebenwirkungen, wurde bei der 58. DEGAM-Jahrestagung deutlich, die am Donnerstag in Würzburg eröffnet wurde.

Der Vorstandschef der KV Bayerns, Dr. Christian Pfeiffer, bezeichnete Bedarfsplanungen prinzipiell als „gerechtfertigt“. Das Problem: Nach Studium und ärztlicher Approbation ist die Fachrichtung frei, „anders als in anderen Ländern“. Um die Zahl allgemeinmedizinischer Facharztanerkennungen zu erhöhen, müsse „die Position des Hausarztes gestärkt werden“, dann „würde es der Markt regeln“.

„Quotierung ist nicht alles, aber ...“

Andere Länder, beispielsweise Frankreich oder Portugal, haben Steuerungsinstrumente für Facharztweiterbildungen: In Frankreich dürfen etwa nach der Examensnote gerankt die besten Absolventen zuerst ihre Wunschstelle wählen. Problem: Dadurch wird im Zweifel nach Qualität ausgesiebt.

Allerdings hat das IGES-Institut im Auftrag des GKV-Spitzenverbands erst letztes Jahr in einem Ländervergleich ermittelt, dass Steuermechanismen „starke Erfolgsfaktoren“ für einen höheren Anteil Allgemeinmedizin ist, wie Dr. Antje Gottberg vom Verband in Würzburg sagte. Sie stellte aber auch klar: „Wir haben uns nicht für eine Quotierung ausgesprochen, die wollen wir nicht.“

Professor Jürgen in der Schmitten vom Institut für Allgemeinmedizin an der Unimedizin Essen zeigte sich angesichts des „stagnierenden Anteils“ der Allgemeinmedizin an den Facharztanerkennung von 10–13 Prozent „überrascht“. „Die Quotierung ist nicht alles, aber ohne Quotierung ist alles nichts. Wenn wir das nicht machen, werden wir in zehn bis 15 Jahren keine hausärztliche Versorgung mehr haben.“ Er seit „konsterniert“, dass der GKV-Spitzenverband die Option so leichtfertig abtue.

Cave: „Marktwirtschaftliche Methoden“

Dr. Laura Lunden, Ärztin in Weiterbildung zur Allgemeinmedizin und im Vorstand der JADE und DEGAM, warnte hingegen vor einer Quotierung. „Es braucht nicht mehr, es braucht gute Hausärzte.“ Eine Quotierung würde „zu marktwirtschaftlichen Methoden“ führen, sagte sie mit Blick auf die Erfahrungen aus Frankfurt. Besser wäre es, so ihr Plädoyer, die Weiterbildungsqualität zu verbessern, „damit das Fach attraktiver wird und man sich freiwillig dafür bewirbt“.

Ein Arzt im dritten Jahr seiner Weiterbildung in der Allgemeinmedizin lehnte eine Quotierung ebenfalls ab mit Erfahrungen aus Portugal: „Eine Quote produziert Ärzte, aber keine zufriedenen Ärzte, und wir würden damit unser Fach unter Wert verkaufen.“

Ebenso Bayerns Kammerpräsident (BLÄK) und Hausarzt Dr. Gerald Quitterer: „Eine Quotierung ist nicht mit dem freien Beruf vereinbar.“ Und der andere Aspekt, der auf Entscheidungen vor dem Medizinstudium abzielt: „Wie soll man denn mit 19 wissen, was man später machen will?“ Die Landarztquoten, die es seit 2020/21 auch im Freistaat gibt, verlangt Bewerbern diese Frage ab. Und Quitterer sagte selbst: „Ich bin ein lebendes Beispiel und über heute den Beruf aus, den ich damals schon wollte. Ohne 1er-Abi wäre mir das nicht möglich gewesen.“ Deshalb, so Quitterers Plädoyer, sollte besser der Zugang zum Studium über die Landarztquote „modifiziert“ werden.

Steuerung auch der Versorgung

KVB-Chef Pfeiffer sagte, er „müsste eigentlich für eine Quotierung stimmen, dann täte ich mich leichter mit der hausärztlichen Nachbesetzung“, um dann dennoch zu fordern: „Wir müssen bei der Sichtbarkeit besser werden.“ Und es brauchte eine primärärztliche Steuerung, „dann steigt auch die Attraktivität des Berufs“.

Nach der Einschätzung von Dr. Günther Egidi, Hausarzt „und Rentner“ aus Bremen und stellvertretender Sprecher der DEGAM-Sektion Fortbildung, bedeutet eine wachsende Zahl von Facharztanerkennung bei gleichbleibendem relativen Anteil Allgemeinmedizin „mit anderen Worten, die anderen (Fächer, Anm.) bilden zu viel weiter“. „Da brauchen wir sehr wohl Restriktionen“, so seine Forderung mit Blick auf die Niederlande, in denen beispielsweise neurochirurgische Weiterbildungsstellen limitiert sind. Und Zuwachs in spezifischen Fachgebieten könnte auch ein Anreiz für Leistungsausweitungen sein. Ergo wäre eine Weiterbildungsquotierung auch eine Versorgungssteuerung.

Schon 2019 hatte die damalige DEGAM-Präsidentin Professorin Erika Baum eine Bedarfsplanung für Weiterbildungsstellen gefordert. Außerdem forderte sie damals: „Wir müssen die gesamte Weiterbildung künftig mit Geldern aus dem Gesundheitssystem finanzieren, für alle Fächer.“

Fünf Jahre später, am Donnerstag in Würzburg, kritisierte der amtierende DEGAM-Präsident Professor Martin Scherer, dass Weiterbildungsquoten auch auf dem Kongresspodium zeitweilig als „Zwang“ bezeichnet wurden. „Das ist Polemik“, so Scherer. „Wir brauchen eine Steuerung! Es muss ja keine Quote sein.“

Anfang des Jahres hatte auch der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege (SVR) in seinem Jahresgutachten unter anderem die Primärversorgung als Regel, eine Planung für Gesundheitspersonal sowie Quoten für die Facharztweiterbildung empfohlen. (nös)

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