Klinik-Reform
Flickenteppich fachärztliche ambulante Klinikleistungen
Nicht einmal ein Jahr ist das Krankenhausstrukturgesetz alt. Neben ein bisschen Licht machen Experten aber schon jetzt auch viel Schatten aus. Denn wichtige Themen habe die Koalition ausgespart – so etwa den Wildwuchs bei der fachärztlichen ambulanten Behandlung im Krankenhaus.
Veröffentlicht:BERLIN. Hermann Gröhe warb bei den versammelten Parlamentariern eindringlich um die Zustimmung zu seinem neuen Gesetz. Denn mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG), erklärte der Bundesgesundheitsminister Anfang November 2015 vor dem Deutschen Bundestag, lege die Große Koalition "die Grundlagen für eine gute Weiterentwicklung der qualitativ hochwertigen Krankenhausversorgung in unserem Land. Die Gewinner sind die Patientinnen und Patienten."
Seit Januar ist das Krankenhausstrukturgesetz in Kraft. Dass die Reform verkrustete Versorgungsstrukturen aufzubrechen vermag und den Patienten am Ende wirklich nutzt, daran hegen Experten aber schon jetzt Zweifel. Die Reform, sagt Jürgen Malzahn, Leiter der Abteilung Stationäre Versorgung und Rehabilitation beim AOK-Bundesverband, enthalte zwar positive Ansätze.
Dazu zähle vor allem die Tatsache, dass die Versorgung stärker an Qualität ausgerichtet werde. Die Versicherten würden davon aber erst in einigen Jahren profitieren, bezahlen müssten sie schon jetzt dafür.
Stückwerk statt echte Strukturreform
Doch nicht bloß die Kosten-Nutzen-Analyse falle einseitig aus. Malzahn: "Die Krankenhausreform bleibt Stückwerk, weil der Gesetzgeber wichtige Themen ausspart." Zu diesen Leerstellen im Gesetz gehöre – neben der schwindenden Investitionsfinanzierung durch die Länder und der Probleme in der Notfallversorgung – vor allem der Flickenteppich bei den fachärztlichen ambulanten Behandlungen in Kliniken.
"Für eine erfolgreiche Krankenhausstrukturreform ist Klarheit über die Perspektive fachärztlich ambulanter Behandlungen unter Einbeziehung der Krankenhäuser unverzichtbar. Diese Klarheit lässt das KHSG leider vermissen." – Tatsächlich sieht der Gesetzgeber inzwischen bis zu 20 Varianten der ambulanten Behandlung im Krankenhaus vor: angefangen von Hochschul- und geriatrischen Institutsambulanzen über Ambulantes Operieren im Krankenhaus bis hin zur Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung.
Für all diese Versorgungsformen gelten jeweils andere Vergütungssysteme und auch unterschiedliche Abrechnungsmodalitäten – aber nur wenige Qualitätsstandards. Einheitlicher Ordnungsrahmen? Fehlanzeige!
Es ginge oft auch ambulant
Auch bei der ärztlichen Bedarfsplanung spielt die ambulante Behandlung im Krankenhaus bislang eine völlig untergeordnete Rolle. Dabei wäre deren vollständige systematische Einbeziehung längst überfällig, weil sinnvoll, betont AOK-Experte Malzahn.
Denn erstens lasse sich die fachärztlich ambulante Versorgung mittelfristig nicht mehr allein durch niedergelassene Vertragsärzte sicherstellen, zumal viele jüngere Mediziner wegen des gefühlten hohen unternehmerischen Risikos keine Einzelpraxis mehr anstrebten.
Und zweitens gehe aus diversen Studien hervor, dass etliche der derzeit vollstationär erbrachten Leistungen auch ambulant erfolgen könnten.
Vergütungsstrukturen nachbessern
Mit kleineren kosmetischen Korrekturen lässt sich das ambulante Potenzial stationärer Leistungen nach Einschätzung der Experten jedoch nicht heben.
"Um die Qualitäts- und Effizienzhemmnisse der fachärztlich-ambulanten Versorgung zu vermindern, bedarf es vielmehr einer mutigen Neugestaltung. Dazu sind vor allem zwei Schritte wichtig, die das KHSG aber nicht vorsieht", sagt Professor Dr. Klaus Jacobs, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
Zunächst einmal müssten Vergütungsstrukturen, Leistungskodierung, Leistungsumfang, Verordnungsmöglichkeiten sowie andere Parameter aller fachärztlich ambulanten Versorgungsstrukturen – auch der vertragsärztlichen Strukturen – vereinheitlicht werden.
"Das ist die Grundlage für gleiche Wettbewerbschancen aller Leistungserbringer, um nach gleichen Regeln spielen zu können", betont Jacobs. In einem zweiten Schritt ginge es darum, auszuwählen, durch wen – Krankenhaus oder Vertragsärzte – welche ambulant-fachärztlichen Leistungen in welchem Umfang erbracht würden – "soweit möglich auch auf Basis von Selektivverträgen", wie Jacobs hinzufügt. Dabei ginge es nicht zuletzt auch darum, "die regional teilweise sehr unterschiedlichen Angebotskonstellationen gezielt zu berücksichtigen".
Chance für kleinere Häuser
Insbesondere für kleinere Kliniken könne die Neuordnung der fachärztlichen ambulanten Versorgung von Bedeutung sein, sagt AOK-Experte Malzahn. "Denn diese Häuser könnten in größerem Umfang als bisher ambulante Versorgungsanteile übernehmen, sofern das politische Vertrauen dazu gestärkt wird."
Gründe, das zu tun, gebe es allemal. "Die Auslastung von Krankenhausbetten in Deutschland liegt seit mehr als zehn Jahren deutlich unterhalb der 80 Prozent. Zugleich ist die wirtschaftliche Situation kleiner, nicht spezialisierter Krankenhäuser oft schlecht", sagt Malzahn.
Eine gründliche Neuaufstellung der fachärztlich ambulanten Versorgung wäre demnach eine Chance, vorhandene Versorgungskapazitäten besser zu nutzen, erklärt er.
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