Koloskopie
10-Jahres-Intervall nicht für jeden optimal
Seit 2002 haben GKV-Versicherte ab ihrem 56. Lebensjahr Anspruch auf insgesamt zwei Koloskopien im Abstand von zehn Jahren. Dieses starre Intervall wird womöglich nicht allen Patienten gerecht.
HEIDELBERG. Hinweise darauf, das zehnjährige Intervall für die Vorsorgekoloskopie könne womöglich anpassungsbedürftig sein, hat bereits vor einiger Zeit eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg geliefert.
Laut deren Ergebnissen könnte man bei polypenfreien Patienten risikolos 20 Jahre abwarten, ehe man erneut den Darm spiegelt - vorausgesetzt, es sind keine Risikofaktoren vorhanden.
Forscher um Professor Hermann Brenner aus Heidelberg hatten in einer populationsbasierten Fall-Kontroll-Studie untersucht, wie sich das Darmkrebsrisiko nach einer negativen Koloskopie, also ohne Nachweis adenomatöser Polypen im Darm, im Laufe der Zeit verändert (J Clin Oncol 2011; 29: 3761-7).
Neben dem Gesamtrisiko beurteilten sie auch die Krebsgefahr innerhalb bestimmter Risikogruppen - männliches Geschlecht, Rauchen und positive Familienanamnese - abhängig von der verstrichenen Zeit.
Dazu werteten sie die Daten von 1945 Darmkrebspatienten aus, die von 2003 bis 2007 in einer der 22 teilnehmenden Kliniken behandelt wurden, und verglichen diese mit denen von 2399 Kontrollen.
Negative Koloskopie - niedriges Krebsrisiko
404 Krebspatienten und 1184 Kontrollen hatten sich in der Vorgeschichte bereits einmal koloskopieren lassen. Polypenfrei zeigte sich der Darm bei nur 165 der späteren Krebspatienten, aber bei 693 Probanden aus der Kontrollgruppe.
In der Kontrollgruppe war ein negativer Befund also viermal häufiger als in der Patientengruppe (36,6 vs. 9,4 Prozent).
Eine negative Koloskopie stellte sich in der Studie als ein unabhängiger Faktor für ein niedriges Krebsrisiko (angepasste Odds Ratio 0,19) heraus - auch wenn die Koloskopie bereits 20 Jahre oder länger zurücklag.
Lediglich die Raucher machten eine Ausnahme: Ein negativer Koloskopiebefund ließ nur Aussagen bezüglich des Darmkrebsrisikos für die nächsten vier Jahre zu.
Vielmehr hatten Raucher, bei denen die Vorsorge-Koloskopie zehn Jahre zurücklag, ein ähnlich hohes Darmkrebsrisiko wie Nichtraucher, deren Darm noch nie prophylaktisch gespiegelt wurde.
Männer sollten früher mit Koloskopie-Screening beginnen
Aufgrund dieser Ergebnisse stellten die Studienautoren die gängige Vorsorgepraxis infrage. Patienten, bei denen keine Polypen abgetragen werden müssen, hätten grundsätzlich ein nur sehr geringes Darmkrebsrisiko, so die Autoren, und das auch noch die nächsten 20 Jahre.
Die nächste Vorsorge-Koloskopie müsse also nicht schon zehn Jahre später erfolgen. Bei Rauchern hingegen sei das gängige Intervall zu kurz. Denn bei dieser Klientel steige das Risiko bereits viel früher wieder.
Als Risikogruppe haben auch Männer zu gelten. Professor Frank Kolligs von der Universität München etwa betont, das mittlere Erkrankungsalter bei Männern liege bei 68,7 Jahren und damit deutlich niedriger als bei Frauen mit 72,5 Jahren (Radiologe 2012; 52: 504-510).
Schon früher hatte Kolligs dafür plädiert, bei Männern früher mit dem Koloskopie-Screening zu beginnen, weil Männer in jedem Alter ein deutlich höheres Risiko als Frauen für fortgeschrittene Adenome und Tumoren des Dickdarms aufweisen (PLoS ONE 6(5):e20076).
Männer hatten doppelt so häufig einen positiven Befund
Kolligs und Kollegen hatten die Daten von knapp 626.000 Koloskopien ausgewertet. Die Darmspiegelungen wurden von der KV Bayerns zwischen 2006 und 2008 dokumentiert. Berücksichtigt wurden nur Personen zwischen 18 und 79 Jahren, bei denen nicht früher schon ein Adenom oder Tumor entdeckt worden war.
Sie hatten sich im Rahmen der gesetzlichen Vorsorge (n = 180.904) oder aufgrund von Beschwerden (n = 407.364) oder wegen eines positiven guajakbasierten Stuhltests (n = 37650) einer Koloskopie unterzogen.
Bei der Screening-Koloskopie wurden fortgeschrittene Adenome bei 5925 Frauen (5,3%) und 7923 Männern (9,8%) entdeckt, kolorektale Karzinome bei 709 Frauen (0,7%) und 1061 Männern (1,3%).
Männer hatten damit fast doppelt so häufig einen positiven Befund wie Frauen gleichen Alters. Um ein fortgeschrittenes Adenom zu finden, müssen beispielsweise bei den 55-Jährigen im Durchschnitt 24,9 Frauen, aber nur 13,5 Männer gescreent werden.
Auch in den beiden anderen Koloskopiegruppen wurden bei Männern jeden Alters etwa zweimal mehr Neoplasien entdeckt als bei gleichaltrigen Frauen.
Screening für Männer schon ab 50 Jahren
Das Fazit der Studie: Männliches Geschlecht ist ein Risikofaktor für einen positiven Befund bei der Darmspiegelung - unabhängig vom Untersuchungsanlass.
Ein früherer Beginn des Screenings bei Männern würde damit mehr asymptomatische Neoplasien zutage fördern und könnte so die Inzidenz und die Mortalität von Darmkrebs senken.
Die Studienautoren plädierten deswegen dafür, die Screening-Koloskopie für Männer schon ab 50 Jahren anzubieten. (SMJ)