Acinetobacter baumanii: Bei diesem Keim in der Klinik ist Feuer unterm Dach
Acinetobacter baumanii gehört zu den gefährlichsten Neuankömmlingen unter den Krankenhauskeimen. Nur wenige Antibiotika sind bei den oft tödlichen Infektionen wirksam. Die Eliminierung ist langwierig und aufwändig.
Veröffentlicht:Auf der Liste US-Gesellschaft für Infektionskrankheiten hat das humanpathogene Gram-negative Bakterium Acinetobacter baumanii die höchste Priorität, weil es nur noch wenige wirksame Antibiotika dagegen gibt. "Die ersten Patienten, von denen Infektionen durch multiresistente A.- baumanii-Stämme bekannt geworden sind, waren US-Soldaten, die im Irakkrieg verwundet und von März 2003 bis Mai 2004 in einem Militärkrankenhaus in San Antonio behandelt worden waren", berichtete Professor Harald Seifert von der Universitätsklinik Köln. "Acinetobacter baumanii ist kein ubiquitäres Bakterium, das im Erdreich, im Wasser und als natürlicher Kommensale auf der menschlichen Haut vorkommt", sagte Seifert beim 10. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin in Köln. Das Bakterium sei ein typischer Hospitalkeim. Die US-amerikanischen Soldaten hätten sich vermutlich in Feldlazaretten im Irak angesteckt. "Voraussetzung für eine A.-baumanii-Infektion sind ein immungeschwächter Patient und die lokale Verbreitung des Krankheitserregers", so der Experte.
Die Probleme mit dem Keim werden seit einigen Jahren weltweit drängender: Die Resistenzen nehmen zu. Mehr als 50 Prozent der A.- baumanii-Isolate sind gegen Imi- und Meropenem unempfindlich, ein Teil auch gegen Carbapenem, mehr als 60 Prozent gegen Ceftazidim, Levofloxacin und Tobramycin. Wie bei anderen extended-spectrum beta-Lactamase-bildenden Gram-negativen Erregern (ESBL) wirken oft nur noch ein, zwei Antibiotika wie Tigecyclin und Colistin. "Das Auftreten von Erregern, die Carbapenemasen bilden, muss als hygienischer Notfall bewertet werden", sagte Professor Winfried Kern von der Universitätsklinik Freiburg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. Die Sterberate bei einer Infektion mit A. baumanii liege für über 60jährige Patienten bei mehr als 40 Prozent, erläuterte Seifert.
In Deutschland und anderen Ländern Europas, im Süden der USA, in weiten Teilen Südamerikas, in Südafrika und in einigen asiatischen Ländern sind hoch-resistente (panresistente) A. baumanii-Stämme aufgetreten. In Deutschland hat es an einzelnen Kliniken Ausbrüche von A. baumanii mit Carbapenem-Resistenz gegeben.
Dr. Ella Ott von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) berichtete über einen solchen Ausbruch in sechs Zimmern der Verbrennungs-Intensivstation der Klinik. Im Juli 2008 wurde dort A. baumanii erstmals isoliert, der Keim war vom Indexpatienten offenbar eingeschleppt worden. Erst im April 2009 war die Station wieder frei von dem Erreger. In diesem Zeitraum hatte es 23 Erkrankungen gegeben, drei mitgebracht, 20 nosokomial. Die infizierten Patienten waren durchschnittlich 60 Jahre alt (65 Prozent männlich), 61 Prozent hatten Verbrennungen 3. und 4. Grades. Der Erreger war nur noch für ein Antibiotikum sensibel.
"Das große Problem bei A. baumanii ist seine hohe Umweltresistenz, die mit einem erhöhten Risiko für die Ausbreitung in Kliniken assoziiert ist", erläuterte Ott: A. baumanii überlebe auf nicht biologischen Oberflächen sieben Tagen bis fünf Monate, E. coli zum Vergleich nur eine bis acht Stunden. Der Erreger fand sich auf der Verbrennungsstation der MHH zum Beispiel auf Liegeflächen, den Pflegeuntensilien, dem Monitor am Krankenbett, PC-Tastaturen, dem Arbeitstisch des Personals und dem Personal selbst sowie auf der Oberfläche des Beatmungsgerätes. Mit Pulsfeldgelelektrophorese wurde belegt, dass es sich um jeweils denselben Stamm handelte, der aus bioptischem Material der Patienten isoliert worden war.
"Wenn A. baumanii wieder auftreten würde, wären wir sofort in Alarmfunktion und würden rasch reagieren können", sagte Ott. Nur konsequentes Einschreiten helfe (siehe Kasten). "Für die Bekämpfung multiresistenter Gram-negativer Erreger ist in den kommenden zehn Jahren nicht mit innovativen Substanzentwicklungen zu rechnen", sagte Kern. "Tigecyclin und Colistin werden für diese Zeit vermutlich unsere Reserveantibiotika bleiben." Um so wichtiger seien unabhängige Schulungen von Ärzten für die Anwendung von Antibiotika.
So wurde A. baumanii an der MHH eliminiert
- Austausch der Desinfektionsmittel-Eimer,
- Anbringen von mehr Händedesinfektionsmittel-Spendern,
- Erstellen genauer Ablaufpläne für Verbandswechsel und Reinigung der Zimmer,
- Erhöhen der Reinigungsfrequenz der Zimmer auf drei Mal am Tag und nach jedem Verbandswechsel,
- Schulung (mit einführender Begleitung) der Reinigungskräfte und eine Beschränkung auf nicht externe Reinigungskräfte,
- Schulung von externen Besuchern wie Konsiliarärzten, Psychotherapeuten und Seelsorgern sowie
- Reduktion der Patienten pro Pflegekraft auf ein Verhältnis von 1 : 1. (nsi)
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