Ärztinnen verordnen seltener Antibiotika
Männlich, jung, ostdeutsch - Ärzte mit diesen Eigenschaften notieren am häufigsten ein Antibiotikum auf dem Rezeptblock. Auch Urologen, HNO-Ärzte und Pädiater setzen häufig auf solche Wirkstoffe.
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Ein Patient bekommt ein Rezept: 72 Prozent der Ärzte, aber nur 56 Prozent der Ärztinnen verschreiben täglich ein Antibiotikum.
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BERLIN (mut). Neue Erkenntnisse zum Umgang mit Antibiotika in Deutschland liefert die Umfrage einer Arbeitsgruppe am Robert-Koch-Institut in Berlin.
Sie hat Antworten von knapp 3500 Ärzten der Studie EVA (Einflüsse auf die ärztliche Verschreibung von Antibiotika in Deutschland) ausgewertet.
Das Team um Dr. Tim Eckmanns wollte mit der Umfrage nicht nur herausfinden, wie häufig Ärzte Antibiotika verordnen, sondern auch, welche Faktoren die Entscheidung beeinflussen.
Mindestens einmal pro Woche
Befragt wurden solche Facharztgruppen, auf die das Gros der Verordnungen von antimikrobiellen Medikamenten fällt, also Allgemeinmediziner, Internisten, Chirurgen, Pädiater, HNO-Ärzte, Urologen, Gynäkologen und Dermatologen. Etwa die Hälfte der befragten Ärzte waren Kliniker (Infection 2011; 39: 289-297).
Die Ergebnisse: Insgesamt gaben 90 Prozent der Ärzte an, dass sie mindestens einmal pro Woche Bakterienkiller verordnen, 66 Prozent verschreiben diese täglich.
Dabei ist der Anteil von Klinikern, die täglich mindestens eine antimikrobielle Therapie veranlassen, mit 69 Prozent nur wenig höher als bei den ambulant tätigen Kollegen (63 Prozent).
92 Prozent der Urologen nutzen antimikrobielle Therapie täglich
Am häufigsten nutzen Urologen solche Therapien, nämlich 92 Prozent jeden Tag, gefolgt von HNO-Ärzten (90 Prozent) und Pädiatern (72 Prozent). Unterschiede gibt es auch zwischen den Geschlechtern: So gaben 72 Prozent der Ärzte, aber nur 56 Prozenz der Ärztinnen an, täglich Antibiotika zu verschreiben.
Der Anteil von Ärzten mit täglichen Verordnungen war zudem bei den unter 30-Jährigen um 56 Prozent höher als bei älteren Kollegen und bei Ostdeutschen um 60 Prozent höher als bei Westdeutschen. Die Autoren der EVA-Studie gehen davon aus, dass jüngere Ärzte eher noch unsicher im Umgang mit diesen Medikamenten sind.
Ostdeutschland: Skepsis gegenüber Leitlinien sowie "Nachholbedarf"
So gaben 35 Prozent der unter 30-Jährigen an, dass sie Antibiotika verschreiben, "um auf der sicheren Seite zu sein", bei den älteren war dies nur für 25 Prozent ein Grund, auch für Kliniker war dies seltener ein Argument als für Ärzte in Praxen.
Als Ursache für die häufige Antibiotika-Verordnung in Ostdeutschland werden eine vermehrte Skepsis gegenüber Leitlinien sowie ein "Nachholbedarf" aufgrund von Restriktionen zu DDR-Zeiten diskutiert.
Obwohl die meisten Antibiotika im ambulanten Bereich verschrieben werden, glauben nur 36 Prozent der Ärzte in Praxen, dass ihr Verordnungsverhalten Einfluss auf Antibiotika-Resistenzen in ihrer Region hat, bei den Klinikern dagegen sind es 67 Prozent.
Jedoch gaben über 80 Prozent aller Befragten an, dass sie sich bei ihrer täglichen Arbeit an Empfehlungen oder Leitlinien zur Antibiotika-Therapie orientieren. Fast 90 Prozent aller Befragten fanden bundesweit einheitliche, von der Industrie unabhängige Leitlinien zur Diagnostik und Therapie bakterieller Infektionen mindestens "wichtig".