Diagnostik

Anders auf Corona testen..., aber wie?

Bei den SARS-CoV-2-Tests mittels PCR stoßen Länder überall auf der Welt an Kapazitätsgrenzen. Sind Schnelltests ein Ausweg, um eine Massentestung zu erreichen? Und welche Methoden gibt es? Ein Überblick.

Von Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Rachenabstrich für den PCR-Test auf SARS-CoV-2: Das Prozedere ist zeitaufwendig und teuer.

Rachenabstrich für den PCR-Test auf SARS-CoV-2: Das Prozedere ist zeitaufwendig und teuer.

© Microgen/stock.adobe.com

Berlin. Rund eine Million quantitative PCR (qPCR)-Tests auf SARS-CoV-2 werden derzeit pro Woche in Deutschland durchgeführt. Viel mehr wird mit der bisherigen Ausstattung schwierig. In Berlin etwa sind die Grenzen schon erreicht, sodass Experten gebeten haben, die Test der Reiserückkehrer an Flughäfen einzustellen: Die Testkapazitäten könnten anderweitig sinnvoller eingesetzt werden.

Die deutsche Testdiskussion krankt ein wenig daran, dass es keinen Konsens gibt, wohin beim SARS-CoV-2-Testen eigentlich die Reise gehen soll. Der Berliner Virologe Professor Christian Drosten hat sich in einem viel zitierten ZEIT-Artikel dafür ausgesprochen, das Kontakt-Tracing stärker an der quantifizierten Viruslast zu orientieren: Die Gesundheitsämter sollen sich auf Risikopersonen konzentrieren, die besonders infektiös oder potenziell infektiös sind, und sie sollen bevorzugt nach Super-Spreader-Events fahnden und dort vorsorgliche, dafür aber kurze Quarantänen anordnen.

Was eine Ausweitung in Richtung Massentests angeht, hat sich Drosten bisher zurückgehalten. Dafür preschen andere vor: So hat der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, gegenüber der Deutschen Presseagentur mehr Schnelltests angemahnt sowie eine „Generalüberholung unserer Corona-Teststrategie“. Auch Professor Karl Lauterbach (SPD) fordert auf Twitter und überall sonst immer wieder gepoolte PCR-Tests oder Gurgel-PCR-Tests oder RNA-Schnelltests („RT-LAMP“) oder alles zusammen, am besten für jeden. Was sind das für Verfahren? Wie nützlich sind sie?

RT-LAMP: Schnelltest unter den Nukleinsäure-Assays

Das Kürzel RT-LAMP steht für Reverse Transcriptase Loop-Mediated Isothermal Amplification. LAMP ist ein Verfahren, bei dem Nukleinsäuren aus Abstrichmaterial oder Spucke gewonnen werden, ohne dass dafür eine PCR nötig wäre. LAMP wurde erstmals im Jahr 2000 für DNA beschrieben (Nucleic Acids Res 2000; 28: E63). Das Verfahren arbeitet mit vier bis sechs Nukleinsäure-Primern, die bei der Vervielfältigung der Nukleinsäure Schleifen („loops“) bilden.

RT-LAMP ist eine modifizierte LAMP-Variante, die RNA-Viren entdecken kann, was für Dengue, Hepatitis C, Ebola und Zika gezeigt wurde (J Appl Microbiol 2017; 124: 626-43). RT-LAMP kann sowohl in Labors als auch außerhalb, in der patientennahen Testung, genutzt werden. Es benötigt andere Chemikalien als die qPCR, was die Nachschubproblematik bei der qPCR entspannen würde.

Nur wenige, aber positive Daten zur Zuverlässigkeit

Die Technik gilt als weit fortgeschritten: Unter anderem das britische Unternehmen Oxford Nanopore bietet mit LamPORE ein solches System an, das gemäß Pressemeldung von Anfang August derzeit in mehreren britischen NHS Trusts ausgerollt wird, vor allem für ein Screening des medizinischen Personals.

Genutzt wird für die Analytik wahlweise ein Desktop-System oder ein Mobil-System, die bis zu 15.000 respektive 2000 Tests pro Tag verarbeiten können sollen. Oxford Nanopore hat bereits angekündigt, in Kürze ein kombiniertes System auf den Markt bringen zu wollen, das außer SARS-CoV-2 auch gleich noch Influenza A (H1N1, H3N2), Influenza B und RSV nachweisen kann. Für eine ambulante Schnelltestung wäre das ziemlich praktisch, aber es ist bisher nur eine Ankündigung.

Was die Zuverlässigkeit der RT-LAMP bei SARS-CoV-2 angeht, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nur einige wenige Publikationen, aber die sehen gut aus. Eine britische Arbeitsgruppe berichtet auf dem Preprint-Server medRxiv bei einem RT-LAMP System von GeneSys und OptiSense von einer Sensitivität und Spezifität von 97 und 99 Prozent im Vergleich zur PCR. Bei höherem Viral Load steigt die Sensitivität demnach auf 100 Prozent (medRxiv 2020, online 26. Juli)

Eine chinesische Studie kommt mit einem anderen Assay zu ähnlichen Ergebnissen (Front Cell Infect Microbiol 2020; online 16. Juni). Zu dem erwähnten Oxford Nanopore Assay ist ein methodisches Preprint verfügbar (medRxiv 11.8.2020; online 11. August), und eine Unternehmenssprecherin sagte im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“, dass eine erste klinische Validierung mit 500 Probanden sehr bald vorliegen werde.

Widersprüchliche Angaben gibt es dazu, was RT-LAMP für die Kosten der SARS-CoV-2-Testung bedeuten würde. Fans wie Karl Lauterbach sagen, es sei sehr kostengünstig. Oxford Nanopore schreibt auf seiner Webseite, der Test koste so viel wie eine PCR. Allerdings fielen die Kosten für die bei der PCR nötigen Bestätigungstests weg.

Pooling: Sollten Schüler gurgeln müssen?

Das Pooling ist demgegenüber ein „normales“ PCR-Verfahren, bei dem nicht jede Probe einzeln analysiert wird, sondern mehrere Proben „gepoolt“ werden. Einzeltests gibt es dann nur noch, wenn ein Pool positiv ausfällt. Pooling wird für Screening-Szenarien diskutiert, etwa bei Schülern oder in medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen. Das Problem beim Poolen ist, dass bei positivem Pool zweimal analysiert werden muss und der Abstrich bekanntlich nicht sehr angenehm ist.

Hier setzt ein Projekt aus Österreich an, das derzeit von Professor Michael Wagner vom Zentrum für Mikrobiologie der Universität Wien an 250 Schulen erprobt wird. Dabei wird gegurgelt, und zwar 60 Sekunden lang mit Salzlösung. Danach wird die Flüssigkeit in ein Probenröhrchen gespuckt. Es werden Zehner-Pools gebildet und im Labor eine PCR durchgeführt. Kinder aus positiven Pools werden noch einmal getestet.

Beim Pooling und beim Gurgeln geht es primär darum, Material zu sparen und die Labors zu entlasten. Pooling ist kein Schnelltest. Die Philosophie hinter den RT-LAMP-Schnelltests ist eine andere: Es geht um einen Gewinn an Schnelligkeit und um patientennahe Tests in großer Zahl. Auch in den USA gibt es die Diskussion um Schnelltest, wobei hier Antigenschnelltests favorisiert werden, die Virusmoleküle nachweisen und als solche bei asymptomatischen Virusträgern mit nur sehr geringer Viruslast tendenziell gar nicht erst ansprechen.

Angst vor SARS-CoV-2-Herbst

Solche Tests werden von diversen Unternehmen entwickelt, unter anderem gefördert aus dem WHO ACT Accelerator Programm. Sie sind sehr preisgünstig, und damit auch für ärmere Länder geeignet. Eine ACT-Sprecherin gab sich kürzlich optimistisch, dass bis Ende des Jahres antigenbasierte Schnelltests, zunächst auf Basis von Abstrichen, später auf Basis von Spucke, vorliegen werden, die die Sensitivität und Spezifität von Grippeschnelltests erreichen, also je rund 80 bis 85 Prozent.

Das ist nur zu spät für jenen SARS-CoV-2-Herbst, vor dem derzeit alle Angst haben. Es sind auch weiterhin nicht alle Experten der Auffassung, dass eine anlasslose Massentestung besonders zielführend ist. Das Problem bei Massentestung ist immer dasselbe: Je niedriger die Prätestwahrscheinlichkeit, umso häufiger sind falsch positive Befunde und damit unnötige Quarantänen.

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