Experten warnen

Demenz wird weltweit zur Epidemie

Demenz ist für viele Menschen das Schreckgespenst des Alters, in Deutschland und weltweit. Ausgerechnet in Ländern, die nicht auf die Pflege und den Umgang mit den Betroffenen vorbereitet sind, soll die Zahl der Kranken drastisch steigen.

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Demenz im Alltag: Die Erkrankung ist weltweit stärker verbreitet als angenommen.

Demenz im Alltag: Die Erkrankung ist weltweit stärker verbreitet als angenommen.

© Osterland / fotolia.com

LONDON/BERLIN. Demenz ist einem aktuellen Bericht zufolge stärker verbreitet als bisher angenommen - und die Zahl der Betroffenen soll bis zum Jahr 2050 weiter drastisch steigen.

Zurzeit lebten weltweit 44 Millionen Menschen mit der Krankheit, berichtete die Organisation Alzheimer's Disease International (ADI) in ihrem aktuellen Bericht.

Diese Zahl werde allerdings bis 2030 auf 76 Millionen und bis 2050 auf 135 Millionen Menschen steigen.

Bericht stützt sich auf 154 Studien

Die Dachvereinigung von 79 gemeinnützigen Alzheimerorganisationen beruft sich bei ihren Zahlen auf die Durchsicht von 154 Studien weltweit, darunter auch mehrere Erhebungen, die seit 2009 in China und in der Subsahara-Region durchgeführt wurden.

Auf Basis der neueren Daten in den bevölkerungsreichen Regionen geht sie von weit mehr Betroffenen aus als der Weltalzheimer-Bericht im September.

Jener Report des Internationalen Alzheimerverbandes schätzte die Zahl der aktuell Betroffenen auf 35 Millionen, welche sich bis 2050 auf 115 Millionen mehr als verdreifachen werde.

In Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Alzheimergesellschaft rund 1,4 Millionen Menschen mit Demenz. Für das Jahr 2050 geht die Gesellschaft von drei Millionen Betroffenen aus, von denen etwa jeder Dritte über 90 Jahre alt sein wird.

Mehr Kranke in der dritten Welt

Laut dem ADI-Bericht leben derzeit 62 Prozent der Demenzkranken in Ländern mit niedrigen oder mittleren Einkommen, zum Beispiel in Fernost und in Ländern Afrikas südlich der Sahara. Der Anteil der Demenzkranken in solchen Ländern werde jedoch in den kommenden Jahrzehnten aufgrund der steigenden Lebenserwartung wachsen und im Jahr 2050 schon bei 71 Prozent liegen.

Demenz sei ein globales Problem, das zunehmend Auswirkungen auf Entwicklungsländer habe, erklärte Martin Prince als Mitautor des ADI-Dossiers dazu.

Jene Länder hätten begrenzte Ressourcen und "wenig Zeit, um umfassende Systeme für soziale Sicherheit, Gesundheit und Sozialfürsorge zu entwickeln".

Das ADI-Dossier kritisierte die meisten Staaten als völlig unvorbereitet auf Demenz, die als Krankheit eine "globale Epidemie" darstelle.

Es seien nicht nur die G8-Länder, sondern "alle Nationen, die sich zu einer anhaltenden Intensivierung der Demenz-Forschung verpflichten müssen", sagte ADI-Chef Marc Wortmann mit Blick auf den ersten Demenz-Gipfel der G8-Staaten am 11. Dezember in London.

Entscheiden hierfür sei eine internationale Kooperation sowie Initiativen von Regierungen, Industrie und Non-profitOrganisationen wie Alzheimer-Gesellschaften.

Chancen für die Prävention

Chancen dazu werden bei der Tagung in London diskutiert. So könnten nach Schätzungen der ADI etwa zehn Prozent der Fälle von Demenz durch Verbesserungen der öffentlichen Gesundheit vermieden werden.

Mögliche Maßnahmen hierzu sind etwa Anti-Raucherkampagnen und Strategien gegen Bewegungsmangel, Adipositas, Bluthochdruck und Diabetes. Außerdem können Investitionen in die Bildung auch ein Teil der Demenz-Prävention sein.

Die jährlichen Kosten der Demenz-Edpidemie wurden im Jahr 2010 weltweit auf 604 Milliarden US-Dollar (etwa 450 Milliarden Euro) geschätzt. Die Kosten werden auch in Entwicklungsländern mindestens proportional mit der wachsenden Zahl Betroffener steigen.

Forschung zu Pflege und Therapien

Schwerpunkte der Forschung sind Prävention, Qualität der Pflege von Betroffenen sowie Therapie-Optionen, die den Verlauf der Krankheit bremsen oder stoppen können. Die Investitionen in neue Therapien dürfen dabei nicht ausgespielt werden gegen die Anstrengungen zur Versorgung Betroffener .

Vorbild für globale Strategien gegen Demenz können die Maßnahmen zur Eindämmung der HIV-Epidemie sein. Hierzu gehört der Zugang zu Diagnostik und die Versorgung mit Arzneimitteln in Entwicklungs-Ländern, ebenso wie die Implementierung von globalen Studien.

Demenz-Forschung und die Versorgung Betroffener muss eine hohe Priorität in öffentlichen Gesundheits-Systemen bekommen, fordert die ADI. Bisher hätten nur 13 von 193 Ländern weltweit nationale Demenzpläne implementiert. (dpa/eis)

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