IvF
"Deutscher Mittelweg" bei Kinderwunsch
DÜSSELDORF. Nach In-vitro-Fertilisation (IvF) liegt die Mehrlingsrate in Schweden bei 6,1 Prozent, in Belgien bei 12,7 Prozent, in Deutschland aber bei 20,9 Prozent.
Gerade bei älteren Frauen mit Kinderwunsch steigt die Übertragungsrate von drei Embryonen nach den Daten des Deutschen IVF-Registers deutlich an: Sie liegt bei unter 35-jährigen Frauen bei etwa 11 Prozent, bei über 40-Jährigen aber bei 36 Prozent.
"Immer noch nehmen wir zur Kompensation einer niedrigen Schwangerschaftsrate die Entstehung höhergradiger Mehrlingsschwangerschaften in Kauf, das halte ich für schlecht", betonte Professor Jan Steffen Krüssel vom interdisziplinären Kinderwunschzentrum der Universität Düsseldorf beim Urologen-Kongress in Düsseldorf.
"Mit Embryonenschutzgesetz vereinbar"
Ein Ausweg sei die Auswahl von für den Transfer idealen Embryonen anhand der Entwicklungsfähigkeit mit sukzessivem Transfer von nur zwei Embryonen. "Das ist mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar", sagte Krüssel.
Erleichtert werde die Beurteilung der Entwicklungsfähigkeit durch moderne Inkubatoren mit einem automatisierten Screening der sich entwickelnden Embryonen.
So können die Embryonen mit den alle 20 Minuten erstellten Aufnahmen kontinuierlich über fünf Tage beurteilt werden, ohne dass sie aus dem Inkubator herausgenommen werden müssen. Beurteilt werden beispielsweise die Symmetrie, eine Fragmentbildung oder der Zeitablauf der Entwicklung.
Die ausgewählten, idealen Embryonen ermöglichen eine höhere Implantationswahrscheinlichkeit von 25 bis 30 Prozent, erläuterte Krüssel.
Die Übertragung von zwei idealen Embryonen führe nach dem IVF-Register bei unter 30-Jährigen in 41 Prozent der Embryonentransfers zu einer Schwangerschaft, bei über 40-Jährigen bei rund 21 Prozent.
Jährlich 10.000 Kinder durch IvF
Der "Deutsche Mittelweg" ist allerdings kein gesamtdeutscher Weg: Er wird derzeit nur in Berlin, Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein begangen.
"Wir haben in vielen Punkten noch keine Rechtssicherheit", gab Krüssel zu, "wir bereiten aber in einem Arbeitskreis der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina einen Entwurf zu einem Fortpflanzungsmedizingesetz vor, und auch der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer beschäftigt sich damit."
Wesentliche wissenschaftliche Basis für die Gesetzesinitiative sind die Daten des Deutschen IVF-Registers. Das Register erhebt seit 1982 Daten aus dem Bereich der humanen Reproduktionsmedizin in Deutschland. Die Teilnahme am Register ist seit 1999 gemäß Berufsordnung verpflichtend.
Aktuell melden 130 Zenten prospektiv je 400 Items pro Behandlung. Die Kosten - derzeit zirka 2 Euro pro Fall - tragen die Zentren selbst.
Durch IvF werden in Deutschland im Jahr über 10.000 Kinder geboren. Einen deutlichen Einbruch erlebte die Kinderwunschbehandlung durch das Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz (GMG) im Jahr 2004.
Danach sind die Kosten der Kinderwunschbehandlung nur zu 50 Prozent von den Gesetzlichen Krankenversicherungen zu tragen. Das hält Krüssel für extrem falsch. Die Politik setze derzeit eher auf Instrumente wie das Erziehungsgeld, um die Geburtenrate zu erhöhen, bedauerte er.
Die Krankenkassen sind seiner Erfahrung nach einsichtiger: Sie gehen immer häufiger dazu über, die übrigen Kosten freiwillig zu erstatten. (fk)