Infektiologie
Die ausgeklügelte Taktik von Pseudomonas aeruginosa
Bei der Besiedlung seines Wirtes fährt Pseudomonas aeruginosa eine doppelspurige Strategie: Der Keim bildet zwei verschiedene Zellen – bewegliche Schwärmer und virulente Siedler.
Veröffentlicht:BASEL. Forscher am Biozentrum der Universität Basel haben geklärt, wie der Keim Pseudomonas aeruginosa sich innerhalb von Sekunden an Gewebe festsetzen und sich gleichzeitig verbreiten kann (Cell Host & Microbe. 2018; online 20. Dezember).
Pseudomonas aeruginosa, ein häufiger Krankenhauskeim, kann bekanntlich zu schweren Infektionen führen, wie Wundinfektionen, Pneumonien oder Meningitiden, erinnert die Universität Basel in einer Mitteilung zur Veröffentlichung der Studie. Im ersten Schritt der Infektion sei es für den Erreger wichtig, sich so schnell wie möglich am Gewebe festzuheften und sich zugleich auszubreiten. Später müssten die Bakterien ihre Strategie ändern, um sich dauerhaft im Wirt niederzulassen und sich vor dessen Immunabwehr zu verstecken, zum Beispiel in einem schützenden Biofilm.
Aus Schwärmern werden Siedler
Der Schlüssel zum Erfolg ist die perfektionierte Besiedelungsstrategie von P. aeruginosa. „Bei jeder Zellteilung bildet der Erreger zwei unterschiedliche Typen von Zellen, die virulenten Siedler und die beweglichen Schwärmer“, wird Professor Urs Jenal, Forschungsgruppenleiter am Biozentrum der Universität Basel, zitiert. „Damit sich der Keim zugleich optimal einnisten und rasch ausbreiten kann, ist die Balance zwischen den beiden Zelltypen entscheidend.“
Im Anfangsstadium einer Infektion schwimmt die Schwärmerzelle mithilfe eines „rotierenden Propellers“ – Flagellum genannt – in Richtung Gewebe, erklärt die Universität Basel in ihrer Mitteilung.
Flagellum dient auch als Sensor
Dieses Flagellum, so hätten die Forscher nun herausgefunden, diene auch als Sensor. „Sobald das Flagellum eine Oberfläche berührt, werden viele kurze und klebrige Zellfortsätze gebildet, die das Bakterium fest darauf verankern“, so Jenal.
„Uns hat überrascht, wie schnell das geht. Innerhalb von Sekunden ändern die Schwärmer ihr Programm und setzen sich auf der Oberfläche fest.“ Der mechanische Reiz der Berührung löst die Produktion des bakteriellen Signalmoleküls c-di-GMP aus, welches schließlich die Bildung der Zellfortsätze initiiert.
Aus Siedlern werden Schwärmer
Darüber hinaus konnten die Forscher zeigen, dass bei der Teilung einer haftenden Bakterienzelle zwei verschiedene Nachkommen entstehen: Eine Tochterzelle bleibt Siedler, die das Gewebe schädigen kann, die andere wird zum Schwärmer und verbreitet sich. Diesen Vorgang nennt man auch asymmetrische Zellteilung.
„Der Grund dafür ist die ungleiche Verteilung von c-di-GMP in der sich teilenden Mutterzelle“, wird Erstautor Benoît-Joseph Laventie in der Mitteilung zitiert. „Während die Zelle mit viel c-di-GMP haften bleibt, verlässt die andere mit wenig c-di-GMP den Ort, um sich an anderer Stelle niederzulassen.“
Kluge Taktik: Erobern und Verstecken
Den Bakterien steht aber nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung. Nach einigen asymmetrischen Zyklen vermehrten sie sich nur noch symmetrisch und produzierten ausschließlich haftende, virulente Nachkommen, berichtet die Universität Basel. Dadurch vergrößere sich die Population an den lokalen Siedlungsherden exponentiell. Der Keim ändere seine Strategie und setze von nun an darauf, sich im Wirt langfristig einzurichten und sich vor dessen Abwehrsystem in Sicherheit zu bringen.
Diese Siedlungsstrategie, so vermuten die Forscher um Jenal, ist von genereller Natur und findet sich wahrscheinlich bei einer Vielzahl von Bakterien, die unterschiedlichste Oberflächen wie Steine, Duschen, Kaffeetassen oder eben unsere Organe besiedeln. (eb)