Pharmakotherapie
FORTA-Liste – Mehr als schematische Substanzbewertung
Welches sind alterserprobte Antihypertensiva, geeignet für geriatrische Patienten? Bei der Beantwortung dieser Fragen bietet das FORTA-Konzept Orientierung.
Veröffentlicht:HEIDELBERG. Wenn es um die Auswahl geeigneter Medikamente für geriatrische Patienten geht, helfen Negativlisten nur bedingt weiter, meinen Geriater. In vielen Fällen finde keine Überversorgung, sondern eine Unterversorgung mit alterserprobten Medikamenten statt, schreibt auch der Heidelberger Pharmakologe Professor Martin Wehling in dem gemeinsam mit dem Mannheimer Geriater Privatdozent Heinrich Burkhardt herausgegebenen Buch "Arzneimitteltherapie für Ältere". "Die positive Bewertung von Arzneimitteln ist der andere mögliche Weg, zu einer effizienteren Arzneimitteltherapie im Alter zu gelangen", meint Wehling*.
In dem von ihm entwickelten FORTA (Fit fOR The Aged)-Konzept werden sowohl ungeeignete als auch unverzichtbare Arzneimittel berücksichtigt. Günstige werden indikationsbezogen in die Kategorien A und B einsortiert, ungünstige Mittel dagegen in C und D.
Alternativen finden
Beispiel Hypertonie: ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptor-Antagonisten sowie Kalzium-Antagonisten vom Dihydropyridin-Typ werden in der FORTA-Liste unter der Indikation "arterielle Hypertonie" mit A wie "absolut unverzichtbar" bewertet. Clonidin oder Kalziumantagonisten vom Verapamil-Typ bekommen ein D als Zeichen dafür, dass diese bei geriatrischen Patienten ungeeignet sind.
Wenn sich auf der Medikamentenliste eines alten Patienten noch Spironolacton als Antihypertensivum findet, sollte wegen der damit verbundenen Hyperkaliämiegefahr ebenfalls eine Alternative gefunden werden: Im FORTA-Konzept erhält es ein C als Substanz mit eher ungünstiger Nutzen-Risiko-Relation, die nur ausnahmsweise noch gegeben werden kann. Bei Herzinsuffizienz ist Spironolacton dagegen mit B bewertet. Für den Geriater Privatdozent Andrej Zeyfang aus der Medius Klinik Ostfildern-Ruit, der an der Erstellung der FORTA-Liste mitgewirkt hat, liegt ein Vorteil des Konzepts darin, dass primär von den Bedürfnissen alter Menschen mit multiplen Erkrankungen ausgegangen wird.
"Die mit ‚B‘ bewerteten Betablocker und Diuretika kommen bei Bluthochdruck manchmal schon früh zum Einsatz, weil sowohl eine Hypertonie als auch Herzinsuffizienz und/oder ein Koronarsyndrom vorliegen."
Tabletten einsparen
Besondere Vorsicht gilt jedoch bei diastolischer Hypotonie mit Werten von unter 60 mmHg. Solche Warnhinweise finden sich ebenfalls in der FORTA-Liste, die unter anderen als App für mobile Endgeräte verfügbar ist.
Es gehe nicht um eine schematische Wertung einzelner Substanzen, sondern um die individuellen Erfordernisse, für die jeweils optimale, alterserprobte Medikamente ausgewählt werden können, sagt Zeyfang. "Der alte Mensch, der stark orthostatisch mit einem massiven Blutdruckabfall beim Aufstehen reagiert, wird natürlich präferenziell keinen Alphablocker bekommen."
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Tabletten einsparen, und zwar indem mit einer Substanzklasse mehrere Indikationen abgedeckt und indem Kombinationspräparate eingesetzt werden. "Fixkombinationen erachte ich für alte Menschen als extrem sinnvoll", so Zeyfang.
Der Geriater hält im Übrigen einen Blutdruck von 140/90 mmHg für eine vernünftige Obergrenze für die meisten geriatrischen Patienten. Sein Tipp: Routinemäßig Liegend- und Stehendmessungen vornehmen, denn: "Sehr viele ältere Menschen mit Stürzen zeigen im Stehen einen Abfall von 40 bis 50 mmHg – da kann man auch mal höhere Werte im Liegen tolerieren!"
*Burkhardt H., Wehling M.: Arzneimitteltherapie für Ältere. Springer Berlin Heidelberg 2016
FORTA-Liste
» Die aktuelle FORTA-Liste ist auf der Homepage der Uni Heidelberg als PDF-Datei sowie als kostenlose App für Android- und Apple-Geräte verfügbar.
» Weitere Informationen: https://www.umm.uni-heidelberg.de/ag/forta/