Haarausfall bei Frauen - was wirklich hilft

Bei Frauen wird eine androgenetische Alopezie besonders in den Wechseljahren sichtbar. Erbanlagen machen die Haarfollikel sensibel für männliche Hormone.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:

Etwa jede vierte Frau neigt zu androgenetischem Haarausfall, die Lebenszeitinzidenz soll zwischen zehn und 30 Prozent liegen. Kein Wunder, dass nicht nur Männern, sondern auch Frauen alle möglichen Mittelchen mit teils pseudowissenschaftlichen Begründungen angeboten werden. Wirklich hilfreich seien allerdings nur zwei Methoden, sagt der Dermatologe Professor Hans Wolff von der LMU München: systemische Antiandrogene sowie Östrogene oder die topische Behandlung mit zweiprozentiger Minoxidil-Lösung.

Haarausfall verstärkt sich in den Wechseljahren

Der androgenetischen Alopezie bei Frauen liegt eine genetische Veranlagung zugrunde, die bereits bei mittelgradiger Ausprägung sichtbar wird, wenn in den Wechseljahren die Hormonumstellungen stattfinden. Hatten die Frauen bereits vorher Haarausfall, verstärkt er sich in dieser Zeit noch. Im Unterschied zu Männern sei allerdings die Rolle des Dihydrotestosterons (DHT) bei Frauen nicht so eindeutig, schreibt Wolff in der Zeitschrift "Gynäkologische Endokrinologie" (7, 2009, 5). Hinzu komme eine zu geringe Aromataseaktivität. Dadurch werden anfallende Androgene nicht ausreichend in Östrogene umgewandelt.

Allerdings findet man bei Frauen so gut wie nie zu hohe Serumandrogen-Spiegel. Vielmehr sind bestimmte Kopfhaarfollikel - nicht alle - genetisch bedingt besonders sensibel für Androgen. Es fällt außerdem auf, dass Frauen fast nie völlig kahl werden, sondern ihnen vor allem am Oberkopf und speziell im Mittelscheitelbereich die Haare ausfallen. Die betroffenen Haarfollikel sind im Vergleich zu normalen Haarfollikeln genetisch bedingt miniaturisiert.

Was also kann frau tun? Als "völlig wirkungslos" stuft Wolff all die nichtmedikamentösen Wässerchen und Nahrungsergänzungsmittel ein, die zum Beispiel Koffein, Vitamin H, Hirseextrakte oder Taurin enthalten. Örtlich angewendete Östrogenlösungen, auch wenn sie als "biologisch aktiv" apostrophiert werden, hätten in Wirklichkeit keine östrogenartigen Eigenschaften, so der Münchner Spezialist. Soweit überhaupt valide Studiendaten vorlägen, hätten sie sich als unwirksam erwiesen.

Plausibel erscheint dagegen die Behandlung mit Androgenrezeptor-Blockern wie Cyproteronazetat und Spironolakton. Wolff zitiert eine im Jahre 2005 publizierte Studie, in der sich die beiden oralen Antiandrogene als gut wirksam erweisen haben. Allerdings waren dafür hohe Dosierungen erforderlich. Besonders vor der Menopause muss mit unerwünschten Wirkungen gerechnet werden. Zudem ist eine sichere Kontrazeption erforderlich, weil männliche Feten ansonsten Genitalstörungen entwickeln könnten. In Deutschland sind für den Haarausfall bei Frauen antiandrogene Kontrazeptiva zugelassen, etwa Diane-35® und Neo-Eunomin®. Der 5-alpha-Reduktasehemmer Finasterid als Propecia® ist für Frauen nicht zugelassen, allerdings gibt es positive Fallberichte mit Finasterid-Dosen von 1,25 bis 5,0 mg pro Tag.

Als am besten lokal wirksames Mittel, belegt in kontrollierten Studien, bezeichnet Wolff Minoxidil. Er rät davon ab, Minoxidil-Rezepturen in Apotheken herstellen zu lassen, weil die Substanz schwer in Lösung zu bringen sei. Stattdessen sollte das seit 2005 rezeptfrei erhältliche Regaine® Frauen verwendet werden, eine zweiprozentige Minoxidil-Lösung. Damit wird bei den meisten Frauen die Progredienz der androgenetischen Alopezie gestoppt, bei etwa der Hälfte der Frauen beobachtet man eine allmählich wieder zunehmende Haardichte. Der Wirkmechanismus ist nach wie vor nicht geklärt. Minoxidil regt vermutlich die Mikrozirkulation an

Man geht unter anderen von einer verbesserten Mikrozirkulation und Haarwuchs-stimulierenden Effekten aus.

Frauen dunklen Typs sollten vor der Behandlung darauf hingewiesen werden, dass auf der Stirn und im Gesicht ein vermehrtes Haarwachstum auftreten kann. Wichtiger noch ist aber die Aufklärung der Patientinnen über das Shedding-Phänomen (engl. das Haarlassen): Vier bis acht Wochen nach Therapiebeginn fallen verstärkt die Haare aus. Dies kann Frauen zum Abbruch der Therapie bewegen, weist jedoch auf ein besonders gutes Ansprechen der Haarfollikel auf die Behandlung hin.

Haarfollikel wachsen völlig unabhängig voneinander

Was zunächst paradox erscheint, lässt sich mit der Haarbiologie erklären. Ein Haar benötigt zwei bis sechs Jahre für sein Wachstum, bevor dann innerhalb sehr kurzer Zeit Rückbauvorgänge am Haarfollikel mit genau abgestimmten Zellapoptosen stattfinden.

Das "abgestorbene", aber noch in der Kopfhaut steckende Haar (Telogenhaar) fällt normalerweise innerhalb von zwei bis vier Monaten aus. Kommt Minoxidil ins Spiel, werden ruhende Haarfollikel stimuliert. Neu wachsende Haare schieben die Telogenhaare beschleunigt aus dem Haarfollikel heraus, und zwar gleichzeitig. Normalerweise wachsen die etwa 100 000 Haarfollikel, die ein Mensch durchschnittlich besitzt, völlig unabhängig voneinander.

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