"Harmloser" Hautausschlag entpuppt sich als Syphilis
Ein Patient kommt mit einem juckenden, kleinfleckigen Hautausschlag und grippalen Beschwerden in die Praxis. Vieles deutet auf ein Virusexanthem hin. Die Ärzte untersuchen ihn genauer - und diagnostizieren Syphilis.
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Exanthem nach Blutspende.
© Dr. Jochen B. Müller, Neheim
NEHEIM. An das berüchtigte "Chamäleon der Dermatologie" müsse man einfach ab und zu denken. Dieses Fazit ziehen Dr. Jochen B. Müller und Dr. Heiner Thalmann aus Neheim, nachdem sie den wahren Hintergrund eines scheinbar harmlosen Exanthems bei einem jungen Mann erfahren hatten.
Der 27-Jährige hatte sich mit einem seit einer Woche bestehenden, nicht juckenden kleinfleckigen Hautausschlag vorgestellt.
Grippale Beschwerden
"Bei leichten grippalen Beschwerden des Patienten vermuteten wir ein Virusexanthem", berichten Müller und Thalmann (MMW 2011;11:5).
Sie rieten abzuwarten und behandelten symptomatisch, zumal die Routine-Labordiagnostik ebenfalls nichts Erhellendes beizutragen hatte.
Außer Hautausschlag keine Beschwerden
Dann traf ein Brief des Blutspendedienstes ein: ein dort routinemäßig vorgenommener TPHA-Test* war auffällig. Die Kollegen konnten die Diagnose Syphilis mit einem erneuten TPHA-Test (1 : 2560) und dem FTA-ABS** (IgG und IgM positiv) bestätigen. Die Hepatitis-Serologie und die HIV-Serologie waren negativ.
Der Mann lebte in fester Beziehung, ein Primäraffekt war nicht zu finden, und es bestanden - außer dem Exanthem - weiterhin keine Beschwerden. Unter Behandlung mit Benzylpenicillin-Benzathin 2 x 4 ml intramuskulär blasste das Exanthem rasch ab.
Die Infektionsquelle blieb zunächst unklar. Später stellte sich heraus, dass die Partnerin ebenfalls ein Exanthem hatte. Wer wen angesteckt hatte, blieb letztlich unklar.
Syphilis tritt wieder vermehrt auf
Seit Mitte der 1990-er Jahre sind in Europa wieder vermehrt Syphilis-Infektionen aufgetreten. Nachdem in Deutschland die Zahl der gemeldeten Infektionen bis 2004 auf mehr als 3300 Fälle pro Jahr gestiegen war, stabilisierten sich danach die Meldezahlen nach Angaben des Robert Koch-Instituts auf 3000 bis 3500 pro Jahr.
Im Jahre 2009 waren erstmals wieder weniger als 3000 Syphilis- Infektionen gemeldet worden.
Vergleichsweise hohe Inzidenzen mit über 10 / 100.000 Einwohner gibt es in Berlin, Köln, München, Frankfurt / Main und Düsseldorf. Zu über 80 Prozent sind die Infektionen auf sexuelle Kontakte zwischen Männern zurückzuführen, bei Frauen ist die Infektionsrate gering.
Bei jeder dritten Diagnose befindet sich die Erkrankung bereits im Stadium der Früh- oder Spätlatenz.
*TPHA: Treponema-pallidum-Hämagglutinationstest: Screening-Test, der etwa drei Wochen post infectionem reaktiv wird
**FTA-ABS: Fluoreszenz-Treponema- Antikörperabsorptionstest, wird zwei Wochen post infectionem reaktiv