Bioverträglicher Sensor

„Holz“-Chip misst Blutwerte – ohne Nadelstiche

Blutwerte könnten künftig auch ohne Nadelstich ermittelt werden: Empa-Forscher entwickeln bioverträgliche Sensoren aus Nanocellulose, die auf der Haut liegen.

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Mit dem 3D-Drucker wird die Nanocellulose-„Tinte“ auf eine Trägerplatte appliziert. Silberpartikel sorgen für die elektrische Leitfähigkeit des Materials.

Mit dem 3D-Drucker wird die Nanocellulose-„Tinte“ auf eine Trägerplatte appliziert. Silberpartikel sorgen für die elektrische Leitfähigkeit des Materials.

© Empa

Zürich. Die Idee, gesundheitlich relevante Werte im Körper über die Haut zu messen, ist ja bereits in der medizinischen Diagnostik angekommen, etwa die Blutzuckermessung per Sensor bei Diabetes-Patienten. Forscher haben nun einen neuen Sensor hergestellt, der flexibel auf der Hautoberfläche liegt und besonders bioverträglich ist, da er aus Nanocellulose besteht, berichtet die Empa – Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt.

Nanocellulose ist ein preiswerter, nachwachsender Rohstoff, der in Form von Kristallen und Fasern beispielsweise aus Holz gewonnen wird. Die gallertartige Substanz kann aus nanokristalliner Cellulose und Cellulose-Nanofasern bestehen. Weitere Quellen für das Material sind Bakterien, Algen oder Produktionsreste aus der Lebensmittelherstellung.

Damit ist Nanocellulose nicht nur vergleichsweise leicht und nachhaltig zu gewinnen. Interessant machen den „Superpudding“ auch seine mechanischen Eigenschaften, weshalb sich neue Verbundwerkstoffe mit Nanocellulose entwickeln lassen, die als Oberflächenbeschichtungen, Alltagsgegenstände wie Getränkeflaschen oder in Form von durchsichtigen Verpackungsfolien eingesetzt werden könnten.

Material aus natürlichen Ressourcen

Die Forscher des Empa-Labors „Cellulose & Wood Materials“ in Dübendorf (Schweiz) und Dr. Woo Soo Kim von der kanadischen Simon Fraser University in Burnaby setzten darüber hinaus auf ein weiteres Merkmal der Nanocellulose: ihre Bioverträglichkeit. Gerade weil das Material aus natürlichen Ressourcen gewonnen wird, eignet es sich ganz besonders für die biomedizinische Forschung.

Mit dem Ziel, bioverträgliche Sensoren zu produzieren, die wichtige Stoffwechselwerte messen können, verwendeten die Forscher die Nanocellulose als „Tinte“ im 3D-Druckverfahren (Adv Electron Mater 2018; online 19. Dezember). Damit die Sensoren elektrisch leitfähig sind, wurde die Tinte hierzu mit Silber-Nanodrähten versetzt. Die Forscher ermittelten das exakte Verhältnis von Nanocellulose und Silberfäden, damit sich daraus ein dreidimensionales Netzwerk bilden kann, heißt es in der Empa-Mitteilung.

Es stellte sich dabei heraus, dass sich Cellulose-Nanofasern besser eignen als kristalline Nanocellulose, um daraus eine vernetzte Matrix mit den winzigen Silberdrähten herzustellen. „Cellulose-Nanofasern sind ähnlich flexibel wie gekochte Spaghetti, allerdings mit einem Durchmesser von nur rund 20 Nanometern und wenigen Mikrometern Länge“, wird Empa-Forscher Dr. Gilberto Siqueira.

Winziges Biochemie-Labor

Es gelang dem Forscherteam schließlich, Sensoren zu entwickeln, die Stoffwechselparameter wie die Konzentration von Kalzium, Kalium und stickstoffhaltigen Ammonium-Ionen messen. Damit die Messwerte weiter analysiert werden können, sendet der elektrochemische Hautsensor seine Ergebnisse zur weiteren Datenverarbeitung an einen Computer. Insgesamt ist das winzige Biochemie-Labor auf der Haut lediglich einen halben Millimeter dick.

Während der aktuelle Haut-Sensor Ionenkonzentrationen spezifisch und zuverlässig ermittelt, arbeiten die Forscher aber bereits an einer neuen Version: „Künftig möchten wir die Silberpartikel durch ein anderes leitfähiges Material ersetzen, etwa auf der Basis von Kohlenstoffverbindungen“, erläutert Siqueira. Damit wäre der medizinische Nanocellulose-Sensor nicht nur bioverträglich, sondern auch komplett bioabbaubar. (eb)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 17.10.201908:35 Uhr

"Viel Lärm um Nichts"

Die angeblich "medizinisch relevante[n] Stoffwechselparameter wie die Konzentration von Calcium, Kalium und stickstoffhaltigen Ammonium-Ionen" in der Haut (!) und nicht im Blut/Serum interessieren mich herzlich wenig.

Ich will bei meinen Patientinnen und Patienten routinemäßig ein BB und Diff-BB machen, HbA1c bestimmen, KREA, K, NA, GPT, GGT, TSH, TG, LDL- und HDL-Cholesterin als Basislabor-Werte messen. Dafür muss ich nach wie vor Venen punktieren.

Die Pressemitteilung der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) geht an der medizinischen und laborchemischen Realität völlig vorbei.

Und wofür die Bestimmung von stickstoffhaltigen Ammonium-Ionen in der Haut und Unterhaut sinnvoll sein soll, erklärt die hier unkritisch nacherzählte EMPA Pressemitteilung auch nicht.

"Viel Lärm um Nichts"!

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