Im Tiermodell
Individuelle Impfstoffe drängen Krebs zurück
Immunologische Erkenntnisse und technische Fortschritte ebnen den Weg für maßgeschneiderte Krebsimpfstoffe. Im Tiermodell kam es zu Rückbildung und Heilung des Tumors. Eine klinische Studie läuft bereits.
Veröffentlicht:MAINZ. In der individualisierten Immuntherapie bei Krebs gibt es Fortschritte: Bei verschiedenen Krebsarten wurden relevante Mutationen identifiziert und deren Sequenz bestimmt.
So ließen sich mit vertretbarem Aufwand maßgeschneiderte Krebsimpfstoffe produzieren. Im Tiermodell kam es zu einer Rückbildung und Heilung des Tumors (Nature 2015, online 22. April).
Das Immunsystem setze sich zwar mit einem Tumor auseinander, was in der Regel aber nicht ausreiche, um den Krebs zu kontrollieren, wird in einer Mitteilung der Universitätsmedizin Mainz erläutert.
Eine nahe liegende Strategie sei daher, das Immunsystem derart zu aktivieren, dass es in der Lage ist, das Tumorwachstum zu begrenzen.
Große individuelle Abweichungen
Da jeder Tumor genetische Besonderheiten aufweist, zielt ein Ansatz der individualisierten Immuntherapie darauf ab, diese Mutationen zu identifizieren, die Gene zu sequenzieren und damit einen synthetischen Impfstoff herzustellen.
Er ist für den speziellen Tumor und den Patienten maßgeschneidert und soll das körpereigene Immunsystem anleiten und trainieren, den Tumor zu bekämpfen.
Die Umsetzung wurde bisher dadurch erschwert, dass die Mutationen von Patient zu Patient sehr unterschiedlich sind, und es daher aufwändig ist, maßgeschneiderte Impfstoffe ‚on demand‘ herzustellen.
Nun wurde ein Weg gefunden, dieses Problem mit vertretbarem Aufwand zu lösen. Ermöglicht haben das grundlagenimmunologische Erkenntnisse und technische Fortschritte.
In präklinischen Versuchen haben die Forscher zunächst die Mutationen bei drei unterschiedlichen Tumorarten - Melanom, Dickdarm- und Brustkrebs - sequenziert.
Ziel war herauszufinden, welche Mutationen für eine Immuntherapie relevant sind, also prinzipiell durch das Immunsystem erkannt werden. Ergebnis: Bis zu zwanzig Prozent aller Mutationen können eine Immunantwort auslösen.
Wie sich herausstellte, wird der Großteil der Tumor-Mutationen nicht durch die üblichen klassischen Killerzellen erkannt, sondern durch die Helferzellen.
Ein solch hoher Anteil an relevanten Mutationen ist für die breite Anwendbarkeit des Ansatzes wichtig, denn damit weisen viele Tumorarten genügend Angriffspunkte auf und erscheinen prinzipiell behandelbar, heißt es in der Mitteilung aus Mainz.
Bioinformatischer Algorithmus
Ziel des zweiten Schritts: die Erkenntnis praktisch umzusetzen und die Mutationen möglichst einfach und sicher zu identifizieren. Hierzu wurde ein bioinformatischer Algorithmus entwickelt.
Wenn die relevanten Mutationen bekannt sind, kann mit vertretbarem Aufwand ein Arzneimittel individuell hergestellt werden.
Dafür nutzten die Forscher mRNA als Impfstoffsubstanz, wobei sie den Bauplan der Mutationen als "Schablone" einsetzten. Dabei wurde nicht nur die genetische Information einer einzelnen Mutation zur Synthese verwendet, sondern von zehn verschiedenen Mutationen.
So lässt sich erreichen, dass der Tumor an mehreren Stellen gleichzeitig angegriffen wird, so dass er schlechter ausweichen kann. Tatsächlich zeigte eine Anwendung im Tiermodell eine Rückbildung und Heilung des Tumors.
Dabei bewirken die RNA-Impfstoffe keine dauerhafte genetische Veränderung in den Tumorzellen, sondern werden nach "Einmalgebrauch" im Sinne der Aktivierung und Anleitung des körpereigenen Immunsystems wieder aufgelöst.
Das zeige, dass die ‚on demand‘ Produktion eines maßgeschneiderten Impfstoffes zur Krebs-Therapie in der Tat möglich und praktikabel ist, so die Mitteilung.
Auch in menschlichen Tumoren stellten die Forscher übereinstimmende Arten und Häufigkeiten von relevanten Mutationen fest.
Die Erkenntnisse werden bereits in einer internationalen klinischen Studie zum malignen Melanom geprüft. Weitere klinische Studien sind in Planung. (eb)