Infektionen bedrohen Soldaten bei Einsätzen im Ausland mehr als Terroristen

Zwei Drittel aller Lazarettaufenthalte von Soldaten im Ausland sind durch Infektionen bedingt. Die Bundeswehr hat deshalb ein Prophylaxe-Programm.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Feldlager der Bundeswehr in den Tropen: Dr. Hans-Ulrich Holtherm (rechts) und ein Kollege mit einer CDC-Insektenfalle.

Feldlager der Bundeswehr in den Tropen: Dr. Hans-Ulrich Holtherm (rechts) und ein Kollege mit einer CDC-Insektenfalle.

© Foto: Holtherm

Die Bundeswehr ist heute in extremen Regionen präsent, etwa am Hindukusch in über 5000 Metern Höhe, in Usbekistan mit den heißesten Temperaturen Zentralasiens, in Djibouti am Horn von Afrika, in Kenia oder auch im Kosovo. Jede der Regionen hat Gesundheitsrisiken und es gilt, Soldaten optimal darauf vorzubereiten, sagt Dr. Hans-Ulrich Holtherm aus Kiel. Er leitet das Dezernat für Präventivmedizin am Sanitätskommando I in Kiel. Wie Auslandseinsätze gesundheitlich vorbereitet werden, hat der Facharzt für Öffentliche Gesundheit beim Forum "Reisen und Gesundheit" in Berlin berichtet.

Verletzungen sind nur ein kleiner Teil der Risiken

Gesundheitliche Probleme sind nur zu einem kleinen Teil durch Anschläge oder militärische Einsätze bedingt. Für Armeen gilt allgemein, dass Kriegsverletzungen und Unfälle höchstens ein Drittel der Lazarett-Aufenthalte erforderlich machen. Mehr als zwei Drittel der stationären Therapien werden vielmehr durch Infektionskrankheiten bedingt, und "das ist auch bei der US-Armee im Irak nicht anders", sagt Holtherm.

Gute Prophylaxe heißt daher für die Soldaten zunächst ein umfassender Impfschutz. Bei allen Zeit- und Berufssoldaten gehören dazu außer den Routine-Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Polio auch ein kompletter Masern-Mumps-Röteln-Schutz sowie Impfungen gegen Hepatitis A/B und Influenza. "Die Grippe-Impfung kam hinzu, nachdem vor sieben Jahren ein Ausbruch auf der Fregatte Rheinland-Pfalz das Schiff mehrere Tage lahmgelegt hatte", sagte Holtherm. Anders als bei Zivilisten besteht bei den Soldaten eine Impfpflicht.

Bei Spezialeinsätzen wie Evakuierungsoperationen oder Krisenunterstützung kommen je nach Region weitere Impfungen hinzu: Etwa gegen Typhus, Gelbfieber, Meningokokken, FSME, Tollwut und Japanische Enzephalitis. Sanitäter in der Pflege werden auch gegen Cholera geimpft. Die Bundeswehr orientiert sich dabei an nationalen und internationalen Standards.

Infektionsrisiken in Feldlagern werden mit entomologischen Untersuchungen erfasst: Insekten wie Anophelesmücken werden dazu in standardisierten CDC-Lichtfallen gefangen und auf Erreger wie Plasmodien untersucht. So hatte im Camp Warehouse in Kabul die Kläranlage zu einer Mückenplage geführt. Durch Einbringen von Bacillus thuringiensis ins Wasser - der Keim tötet mit Toxin Mückenlarven ab - ließen sich die Mücken ausreichend reduzieren.

Im Feldlager in Kundus waren Infektionen mit kutaner Leishmaniose ein Problem, 21 Soldaten erkrankten. Erreger der Krankheit sind intrazelluläre protozoische Parasiten, die in Rennmäusen (Gerbils) vorkommen. Sandmücken wiederum übertragen mit ihren Stichen die Erreger von den Mäusen auf den Menschen. Zur Lösung des Problems wurde eine von der britischen Kolonialarmee entwickelte Methode verwendet. Der Boden rund um das Camp wurde abgetragen und aufgeschottert. Hierdurch verschwanden die Rennmäuse in der unmittelbaren Umgebung, und die Erkrankungsrate sank auf Null ab.

Bei Berufs- und Zeit- soldaten besteht Impfpflicht.

Besonders viel Sorgfalt wird auf die Malaria-Prophylaxe verwandt. In Risikoregionen tragen die Soldaten zum Mückenschutz mit Permethrin imprägnierte Uniformen. Sie bekommen Repellents mit dem Wirkstoff DEET und sind durch Moskitonetze oder -Gaze in den Unterkunfts- und Arbeitsbereichen geschützt. Zur Chemoprophylaxe etwa in Kundus oder Djibouti wird grundsätzlich Mefloquin verwendet. Eine Alternative bei fliegendem Personal oder in Risikogruppen ist Doxycyclin. In anonymisierten Fragebögen wird regelmäßig geprüft, ob die Soldaten sich an die Prophylaxe halten.

Kaum Malaria und keine schweren Impfreaktionen

Die Maßnahmen haben sich bewährt: Seit 2001 gab es bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr keine Einschränkungen der Kräfte durch (impf)präventable Infektionen und nur sechs Malaria-Erkrankungen. Auch wesentliche Impfkomplikationen seien in dieser Zeit bei den Soldaten nicht registriert worden.

Soldaten im Auslandseinsatz

Etwa 5000 Soldaten der Bundeswehr sind zur Zeit weltweit in den Tropen oder Subtroben stationiert. Pro Jahr dienen etwa 15 000 Soldaten bei solchen Einsätzen, die im Mittel etwa vier Monate dauern. Die Feldlager im Ausland werden dabei über Jahre genutzt und Millionen Euro in die Infrastrukur investiert.

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