Prävention

Influenza versechsfacht das Risiko für einen Herzinfarkt

Das hohe Herzinfarkt-Risiko bei Grippe wurde jetzt erstmals in einer Studie mit laborbestätigter Influenza belegt. Das stärkt die Evidenz für Impfungen als Herzkreislauf-Prävention.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Viele Herzinfarkte ließen sich durch Maßnahmen gegen Grippe wie die Impfung vermeiden, haben Wissenschaftler errechnet.

Viele Herzinfarkte ließen sich durch Maßnahmen gegen Grippe wie die Impfung vermeiden, haben Wissenschaftler errechnet.

© M. Schuckart / stockadobe.com

TORONTO. Viele Herzinfarkte ließen sich durch Maßnahmen gegen Grippe wie die Impfung vermeiden. Denn eine Studie hat erneut bestätigt, dass Menschen mit Influenza ein deutlich erhöhtes Herzinfarkt-Risiko haben. Erstmals wurden in einer solchen Untersuchung aber die Influenza-Erkrankungen nicht nur mit klinischen Symptomen diagnostiziert. Dies ist aufgrund der vielen möglichen Atemwegserreger bei den Symptomen fehleranfällig. In der neuen Studie waren die Influenza-Erkrankungen hingegen durch Labortests gesichert worden.

Die Forscher um Dr. Jeffey Kwong von der Universität Toronto in Kanada haben aus Krankenversicherungsregistern der Provinz Ontario aus der Bevölkerung alle die Patienten herausgesucht, die zwischen 2009 und 2014 an laborbestätigter Influenza erkrankt waren und die zudem in dem Jahr davor und dem Jahr danach einen Herzinfarkt hatten. Auf 364 Patienten traf dies zu. Verglichen wurde nun, bei wie vielen Patienten der Infarkt binnen sieben Tagen nach der Influenza-Diagnose auftrat (vulnerable Phase) und bei wie vielen in den Zeiten davor oder danach (Kontrollphase) (N Engl J Med 2018; 378; 345).

Ergebnis: 20 Patienten hatten den Infarkt in der vulnerablen Phase sieben Tagen nach der Influenza-Diagnose gehabt. Bei den anderen 344 Patienten war der Herzinfarkt in der Kontrollphase aufgetreten, das heißt in den 52 Wochen vor oder den 51 Wochen nach der Influenza-Diagnose. Hieraus ergibt sich eine Ereignisrate von 3,3 Fällen pro Woche in der Kontrollphase und 20 Fällen pro Woche in der vulnerablen Phase. Die Rate der Herzinfarkte in der Woche mit Influenza ist also sechsfach erhöht.

Allerdings: Etwa jeder dritte Patient der Studie war gegen Grippe geimpft und daher trotz der Impfung an Influenza erkrankt. Dies solle allerdings nicht fehlinterpretiert werden, dass die Impfung keinen Schutz biete, betonen die Autoren. Denn die Studie sei zu klein gewesen, um die Effektivität des Grippeimpfstoffes zu evaluieren.

Die Studienautoren sehen in den Ergebnissen eine Bestätigung der aktuellen Empfehlungen, ältere Menschen auch zum Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen gegen Influenza zu impfen. Es gibt dabei Hinweise aus anderen Studien, dass eine Influenza-Impfung auch kardiovaskuläre Ereignisse verhindern kann. Prävention sei so schon mit einfachen Maßnahmen möglich, betonen die Autoren. So lasse sich das kardiovaskuläre Risiko etwa durch Hygienemaßnahmen wie Händewaschen verringern. Auch die Entwicklung von Impfstoffen mit verbesserter Wirksamkeit könnte zur kardiovaskulären Prävention beitragen.

In der INVESTED-Studie wird über mehrere Jahre bei 9300 kardiovaskulären Hochrisikopatienten untersucht (Infarkt oder Herzinsuffizienz), ob ein Hochdosis-Impfstoff besser vor kardiopulmonalen Ereignissen schützt als der Standardimpfstoff. (Mitarbeit: eis)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 29.01.201813:57 Uhr

Infektiologisch-kardiovaskuläres Dilemma?

Wenn laut "Acute Myocardial Infarction after Laboratory-Confirmed Influenza Infection" von Jeffrey C. Kwong et al.
N Engl J Med 2018; 378:345-353 DOI: 10.1056/NEJMoa1702090
eine serologisch nachgewiesene, akute Influenza das Risiko für einen Herzinfarkt versechsfacht, müssten wir bei den epidemiologischen Verhältnissen in Deutschland mit unzureichender Influenza-Durchimpfungsrate und zusätzlich mit einem insuffizienten, derzeit trivalenten Impfstoff in dieser Saison erheblich mehr Myokardinfarkte erwarten.

Die Schutzwirkung der trivalenten Grippe-Impfung beträgt u.a. wegen der derzeit zirkulierenden Influenza A(H3N2)-Stämme nur 17 Prozent. Deshalb empfiehlt das Europäische Centre for Disease Prevention and Control gemeinsam mit der WHO dringlich für die nächste Saison bei der A(H3N2)-Komponente den Wechsel von A/Hong Kong/4801/2014 auf A/Singapore/INFIMH-16-0019/2016, beim Influenza-B-Subtyp den Wechsel von B/Victoria auf B/Yamagata.

Patientinnen und Patienten mit klinisch eindeutigen INFLUENZA-Symptomen und -Nachweisen bekommen bei mir, wie z. B. seit Jahren in den USA, unter Abwägung von Chancen und Risiken eine antivirale spezifische Therapie
Vgl. dazu
"MEDIZIN: Originalarbeit – Antivirale Arzneimittel bei saisonaler und pandemischer Influenza – Ein systematisches Review"
"Antiviral medications in seasonal and pandemic influenza—a systematic review"
Dtsch Arztebl Int 2016; 113(47): 799-807; DOI: 10.3238/arztebl.2016.0799 von Lehnert, Regine et al.

Auch eine Metaanalyse vom 29. 1. 2015 online in THE LANCET von Joanna Dobson et al. unter dem Titel "Oseltamivir treatment for influenza in adults: a meta-analysis of randomised controlled trials" publiziert, gefördert von der Pharmaindustrie-unabhängigen MUAGS ["Funding – Multiparty Group for Advice on Science (MUGAS) foundation"], bringt Licht in die verworren-widersprüchliche Datenlage um Oseltamivir als Neuraminidase-Hemmer.
http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(14)62449-1/fulltext

Sollte man da nicht die Indikation für Oseltamivir großzügiger stellen, auch um mehr Herzinfarkte zu verhindern?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund



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