Krebs auch durch niedrige Strahlendosis beim CT

Eine große retrospektive Studie bestätigt, dass auch durch die niedrige Strahlenbelastung, die während der CT-Untersuchung auftritt, das Krebsrisiko leicht erhöht ist. Analysiert wurden Daten von fast 180.000 Patieten, die im Kindesalter eine CT bekamen.

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Auch für Niedrigdosis-CT gilt strenge Indikationsstellung!

Auch für Niedrigdosis-CT gilt strenge Indikationsstellung!

© Getty Images / iStockphoto

NEWCASTLE UPON TYNE (ple). Bereits vor mehr als einer Dekade ließen Modellrechnungen aufgrund der Erkenntnisse, die von Überlebenden der Atombombenexplosionen in Japan gewonnen wurden, vermuten, dass auch in der Medizin genutzte niedrige Strahlendosen das Krebsrisiko erhöhen.

Jetzt liefert eine britische retrospektive Kohortenstudie erstmals Daten von fast 180.000 Patienten, die Kinder eine CT-Untersuchung bekamen, und zwar zwischen 1985 und 2002 (Lancet 2012; online 7. Juni). Keines der Kinder war an Krebs erkrankt.

Für die Auswertung nicht genutzt wurden die Daten von Patienten, die innerhalb von zwei Jahren nach der CT-Untersuchung an Leukämie oder innerhalb von fünf Jahren nach der Untersuchung an einem Hirntumor erkrankten.

Bei insgesamt 74 von 178.604 Patienten wurde nachfolgend eine Leukämie diagnostiziert, bei 135 von 176.587 ein Hirntumor.

Leukämie-Risiko ab 30 mGy erhöht; Hirntumor-Risiko ab 50 mGy

Die britischen Wissenschaftler um den Radiologen Dr. Mark Pearce vom Newcastle University & Royal Victoria Infirmary in Newcastle upon Tyne stellten bei der Auswertung der Daten fest, dass die Leukämie-Inzidenz bei Kindern deutlich erhöht war, wenn ihr Knochenmark einer kumulativen Dosis von mindestens 30 Milli-Gray (mGy) ausgesetzt war. Der Anstieg der Hirntumor-Inzidenz war signifikant bei einer kumulativen Dosis von mindestens 50 mGy.

Die Forscher gehen davon aus, dass bei Kindern, die jünger als 15 Jahre sind, durch 2 bis 3 CT-Aufnahmen des Kopfes mit solchen Strahlendosen das Risiko für Hirntumoren sowie durch 5 bis 10 CT-Aufnahmen des Kopfes das Leukämie-Risiko verdreifacht wird. Vergleichsgruppe waren Patienten mit einer Dosis unter 5 mGy.

Nach Angaben der Wissenschaftler geht aus ihren Berechnungen hervor, dass von 10.000 Menschen im Alter bis zu 20 Jahren, die durch eine CT-Untersuchung eine Strahlendosis von 10 mGy abbekommen, ein Patient zusätzlich an einer Leukämie erkrankt oder von 30.000 Menschen zusätzlich ein Patient an einem Hirntumor.

Oder anders ausgedrückt: Eine CT-Aufnahme des Kopfes bei Kindern bis zu zehn Jahren würde pro 10.000 Patienten innerhalb einer Dekade nach der Untersuchung zu einer zusätzlichen Leukämie oder einem zusätzlichen Hirntumor führen.

Die Wissenschaftler legen Wert auf die Feststellung, dass CT-Untersuchungen weiterhin nur dann gemacht werden sollten, wenn sie klinisch erforderlich und entsprechende Untersuchungsergebnisse nicht von anderen bildgebenden Verfahren zu erwarten sind. Zudem sollte die Entwicklung von CT-Geräten mit noch niedrigeren Strahlenbelastungen vorangetrieben werden.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 08.06.201215:27 Uhr

CT-Risiken retrospektiv reflektiert

Retrospektive Untersuchungen, auch wenn sie hier als beeindruckend große "cohort study" firmieren, leisten dem zu Grunde liegenden Forschungsthema meist einen Bärendienst. Ihre Ergebnisse liefern keine validen Daten, weil rückwirkende Fehlannahmen und Erkenntnisverzerrungen ("bias") die Schlussfolgerungen prägen.

Wenn gastroenterologische Patienten in Hessen, retrospektiv nach ihrem Wohnort gefragt, häufiger Darmstadt angeben, hat das etwa so viel Sensitivität und Spezifität, wie wenn man die bevorzugte Heimatstadt von Kölsch Trinkern evaluiert.

Es ist dem Ernst der publizierten Fragestellung im Lancet.online unangemessen, mögliche retrospektive Kausalitäten zwischen CT im Kindesalter und später erhöhtem Leukämie-Risiko ab 30 mGy bzw. Hirntumor-Risiko ab 50 mGy zu postulieren, wenn beweis- und kausalitätsführende p r o s p e k t i v e Studien nicht vorhanden sind. Denn die Frage, ob Kinder mit späterer Leukämie oder Hirntumor nicht allein deswegen häufiger CT-Untersuchungen hatten, weil bereits in der Kindheit suspekte Befunde, mögliche paraneoplastische Frühsymptome und differentialdiagnostische Fragestellungen zu höheren CT-Diagnostikfrequenzen als bei Nichtbetroffenen geführt haben, bleibt offen. U. a. deshalb haben die Studienautoren zu kurze zeitliche Abstände zwischen CT und Neoplasie-Erstmanifestation ausgeschlossen.

Damit ich nicht missverstanden werde: Ich halte eine strenge Indikationsstellung für stärker strahlenbelastende Untersuchungen für essenziell, damit die bestehenden Umweltbelastungen mit ionisierenden Strahlen nicht noch potenziert werden. Aber hier müssen prospektive Studien her, nicht nur, um öffentlich bzw. wissenschaftlich vorherrschende Gleichgültigkeit zu überwinden.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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