Studie

Macht Sport so glücklich wie Geld?

Wer moderat Sport treibt, ist seltener unglücklich und kann damit offenbar Gehaltseinbußen von rund 22.000 Euro jährlich emotional kompensieren, so eine US-Analyse. Die Daten lassen sich aber auch anders interpretieren.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Don't worry, be sporty – das könnte nach einer aktuellen Studie ein neues Motto werden.

Don't worry, be sporty – das könnte nach einer aktuellen Studie ein neues Motto werden.

© milkovasa / stock.adobe.com

Don't worry – be happy! Gerade arbeitslos geworden, das Gehalt gekürzt, die Börse abgestürzt? Alles halb so schlimm! Einfach regelmäßig ein paar Runden um den Block rennen, und schon fühlt man sich so gut wie zuvor. Das legen zumindest britische und US-amerikanische Forscher um Dr. Samimi Chekroud von der Universität in Oxford nahe (Lancet Psychiatry 2018, online 8. August). Menschen, die regelmäßig Sport treiben – vor allem Mannschaftssport –, fühlen sich psychisch so gesund wie Zeitgenossen, die auf Sport verzichten, dafür aber 25.000 US-Dollar( 22.000 Euro) mehr im Jahr verdienen.

Dies widerlegt zum einen die Annahme, dass Geld nicht glücklich macht, zum anderen könnte man auf die Idee kommen, Menschen in Phasen persönlicher oder wirtschaftlicher Depression einfach zu empfehlen: Bewegt Euch mehr, dann geht es Euch wieder gut!

Allerdings ist dieses Rezept wohl zu simpel. Der Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und psychischem Wohlbefinden dürfte doch etwas komplexer sein, als es die Resultate der bislang größten Querschnittstudie dazu nahelegen. So lassen sich kausale Bezüge aus solchen Studien kaum ableiten. Wer psychisch angeschlagen ist, treibt schlicht keinen Sport. Auch das wäre eine Erklärung.

Immerhin liefert die Auswertung des "Prevention Behavioral Risk Factors Surveillance System Survey" mit Angaben zu mehr als 1,2 Millionen US-Bürgern einen gigantischen Datensatz. Damit lässt sich der Zusammenhang zwischen Sport und psychischer Gesundheit zwar nicht erklären, aber immerhin genauer spezifizieren.

Körperlich Aktive 1,5 Tage weniger schlecht drauf

US-Bürger aus 50 Staaten waren dabei in den Jahren 2011 bis 2015 per Telefon zu ihrem physischen und psychischen Gesundheitszustand befragt worden, unter anderem nach Depressionsdiagnosen. Die für die Auswertung relevante Kernfrage lautete: "Wie oft haben Sie sich in den vergangenen 30 Tagen psychisch nicht wohlgefühlt, etwa aufgrund von Stress, Depressionen oder emotionalen Problemen?"

Eine weitere Frage zielte auf die körperliche Freizeitaktivität im vergangenen Monat. Die Teilnehmer sollten anhand einer Liste von 75 Tätigkeiten angeben, welcher sie wie häufig nachgegangen waren.

Wie sich zeigte, gaben absolute Couch Potatoes etwas mehr als vier psychisch miese Tage im Monat an, solche, die regelmäßig Sport trieben, etwas weniger als drei Tage. Unterm Strich waren letztgenannte 1,5 Tage im Monat weniger schlecht gestimmt, wenn körperliche Leiden und sozioökonomische Faktoren in einer Propensity-Score-Analyse berücksichtigt wurden.

Anders herum betrachtet, war die Zahl der miesen Tage bei Bewegungsmuffeln damit um rund 50 Prozent erhöht. Am deutlichsten zeigte sich der Effekt bei einer durchschnittlichen Dauer von 30–60 Minuten pro Aktivität. Wer länger und intensiver Sport trieb, hatte danach keinen zusätzlichen affektiven Vorteil, hier pendelte sich die Zahl der schlecht gestimmten Tage bei etwa drei im Monat ein.

Eine U-Kurve fanden die Forscher hingegen, wenn sie die Zahl der körperlichen Aktivitäten pro Monat gegen das psychische Unwohlsein auftrugen: Am besten ging es Befragten, die 12- bis 22-mal im Monat aktiv waren, dagegen war die Stimmung bei täglich Sporttreibenden genauso mies wie bei Befragten komplett ohne Bewegung.

Für die Psyche so gut wie Sport: Yoga und Tai Chi

Der Zusammenhang zeigte sich auch bei Teilnehmern, die eine Depressionsdiagnose angaben. Solche hatten ohne Sport rund elf Tage mit schlechter Stimmung, mit Bewegung waren es etwas mehr als sieben. In absoluten Tagen (3,75) war der Effekt hier größer, relativ betrachtet jedoch geringer als bei Nichtdepressiven.

Fassten die Forscher die einzelnen Aktivitäten in acht Kategorien zusammen, dann war der Effekt für Mannschaftssportarten und Radfahren am stärksten (22 Prozent weniger schlimme Tage), gefolgt von Aerobic und Gymnastik (–20 Prozent). Selbst regelmäßiges Gärtnern zu Hause schlug mit einer Reduktion von rund 10 Prozent zu Buche. Eine deutliche Reduktion fanden die Forscher zudem für geistig-körperliche Aktivitäten wie Yoga und Tai Chi (–23 Prozent).

Schließlich verglichen sie diese Effekte mit anderen Faktoren. Körperliche Aktivität zeigt demnach einen größeren Zusammenhang mit dem psychischen Wohlbefinden als ein Hochschulabschluss (18 Prozent weniger miese Tage) und ist mit dem zusätzlichen Wohlbefinden bei einem über 25.000 Dollar höheren Einkommen vergleichbar.

"Es ist plausibel, dass diese Zusammenhänge kausal sind", schreiben die Forscher um Chekroud und verweisen auf Interventionsstudien, in denen für körperliche Aktivität ein günstiger Einfluss auf die Psyche gezeigt werden konnte. Da es sich hier aber nicht um eine Interventionsstudie handelt und die Befragten nicht an Bewegungsprogrammen teilgenommen haben, könnten auch inverse Kausalitäten am Werke sein.

So lassen sich Depressive nun einmal kaum für Sport begeistern, auch ist körperliche Aktivität in den USA vor allem ein Mittel- und Oberschichtenphänomen. Genauso plausibel erscheint es also, dass gut gelaunte und halbwegs anständig verdienende Menschen eher körperlich aktiv sind, weil sie die Zeit, die Motivation und das geeignete Umfeld dafür haben.

Möglicherweise – und das geben auch die Studienautoren zu bedenken – trifft beides zu: Körperliche Inaktivität könnte sowohl ein Symptom einer schlechten psychischen Gesundheit als auch ein kausaler, die Symptome noch verstärkender Faktor sein, wohingegen Sport die Resilienz gegen psychische Probleme vielleicht steigert.

Zu denken geben auch die U-Kurven, nach denen viel Sport der psychischen Gesundheit abträglich zu sein scheint. Dies könnte daran liegen, dass unter den besonders aktiven Sportlern viele sind, die damit übermäßigen psychischen Stress abbauen wollen oder bei denen der Sport bereits zwanghaft geworden ist.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 17.08.201810:02 Uhr

Schluck!

Wer mir weis machen will, dass eine Befragung von US-Bürgern aus 50 Staaten der USA in den Jahren 2011 bis 2015 per Telefon zu ihrem physischen und psychischen Gesundheitszustand und unter anderem zu ihren Depressionsdiagnosen zuverlässig und exakt sein soll, muss erst noch geboren werden. 48 Continental United States und Alaska liegen geografisch in Nordamerika, während Hawaii und kleinere Außengebiete im Pazifik beziehungsweise in der Karibik die 2 noch fehlenden Staaten darstellen. Die Hauptstadt Washington/D.C. ist ein Bundesdistrikt.

Es ist alleine schon davon auszugehen, dass die für die Auswertung relevante telefonische Kernfrage: "Wie oft haben Sie sich in den vergangenen 30 Tagen psychisch nicht wohlgefühlt, etwa aufgrund von Stress, Depressionen oder emotionalen Problemen?" von 50% der Befragten gar nicht und von weiteren 50% nicht richtig verstanden wurde.

Wenn allerdings bewegungsfaule und völlig unsportliche "Couch-Potatoes" etwas mehr als vier psychisch miese Tage im Monat angaben, wogegen diejenigen mit Sport-Aktivitäten nur etwas weniger als drei miese Tage im Monat hatten, muss diese Differenz von 1,5 Tagen im Monat doch auf einen durchschnittlichen 30-Tage-Zyklus berechnet werden: Der Unterschied beträgt dann ganze 5%.

Provozierend möchte man sagen, in 95% der Fälle gibt es dann gar keine messbaren Unterschiede, aber das wäre wohl eher biostatistischer Populismus.

Alles in allem bleibt festzuhalten: Mehrdimensionalität und Intensität komplexer depressiver Krankheitsbilder lassen sich nicht per Telefonumfragen und nicht über mehr oder weniger sportliche Aktivitäten bzw. ökonomisierende Sekundäranalysen auch nur annähernd beschreiben, begreifen oder gar therapeutisch beeinflussen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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