Europäische Studie
Mit besserer Ernährung jeden zweiten Herztod vermeiden
Über zwei Millionen Todesfälle in Folge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gingen 2016 auf eine ungesunde Ernährung zurück, haben Forscher berechnet. In Deutschland war das fast jeder zweite.
Veröffentlicht:HALLE. Von insgesamt 4,3 Millionen kardiovaskulären Todesfällen im Jahr 2016 in Europa gehen 2,1 Millionen auf eine unzureichende Ernährung zurück.
Auf die 28 Mitgliedstaaten der EU entfallen davon rund 900.000, auf Russland 600.000 und auf die Ukraine 250.000 Todesfälle.
Jeder zweite bis dritte vorzeitige Todesfall könnte durch eine bessere Ernährung vermieden werden. Das berichtet die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU).
Für die Studie werteten Dr. Toni Meier und Kollegen repräsentative Daten der globalen Krankheitslastenstudie (Global Burden of Disease Study) von 1990 bis 2016 aus (Eur J Epidemiol 2019; 34:37–55).
Sie analysierten, wie häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den 51 Ländern vorkamen, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „europäische Region“ zusammengefasst werden.
Hierzu gehören neben den EU-Mitgliedsstaaten und weiteren europäischen Ländern auch mehrere Staaten Vorder- und Zentralasiens, wie Armenien, Aserbaidschan, Israel, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Türkei, Turkmenistan und Usbekistan.
Risikofaktor Weißmehlprodukte
Auf Basis des Lebensmittelkonsums und weiterer Risikofaktoren der jeweiligen Staaten errechneten die Forscher den Anteil der Todesfälle, der auf eine unausgewogene Ernährung zurückzuführen ist. Dazu zählen sie etwa einen zu geringen Verzehr von Vollkornprodukten, von Nüssen und Samen sowie von Gemüse und einen zu hohen Salzkonsum.
Der Ländervergleich zeigt deutliche Unterschiede: 2016 waren in Deutschland 160.000 Todesfälle mit einer unausgewogenen Ernährung assoziiert (46 Prozent aller kardiovaskulären Todesfälle), in Italien 97.000 (41 Prozent), in Großbritannien 75.000 (41 Prozent) und in Frankreich 67.000 (40 Prozent). In Israel und Spanien war dagegen nur jeder dritte vorzeitige kardiovaskuläre Todesfall ernährungsbedingt.
In der Studie wurden zudem spezifische Länderprofile erstellt: „Während in Schweden und Norwegen ein zu geringer Verzehr von Nüssen und Samen zu den meisten ernährungsbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt, ist in vielen zentral- und osteuropäischen sowie zentralasiatischen Ländern der zu geringe Verzehr von Vollkornprodukten der Hauptrisikofaktor“, wird Studienautor Meier in der Mitteilung der MLU zitiert.
Oder anders formuliert: Ein vermehrter Verzehr von ballaststoffarmen Weißmehlprodukten habe in den letzten Jahren zu einer Zunahme von Herzkreislauf-Erkrankungen geführt. In Albanien, Aserbaidschan und Usbekistan hätten sich entsprechende Fallzahlen im betrachteten Zeitraum sogar mehr als verdoppelt.
178.000 vorzeitige Todesfälle
„Das Potenzial einer ausgewogenen und gesundheitsfördernden Ernährung muss besser genutzt werden, sonst werden kardiometabolische Erkrankungen zukünftig noch mehr vermeidbare Todesfälle verursachen“, fügt Co-Autor Professor Stefan Lorkowski von der Uni Jena hinzu.
Große Unterschiede fand das Team auch in Bezug auf Alter und Geschlecht: Männer waren tendenziell bereits in jüngeren Jahren betroffen, Frauen dagegen erst ab dem 50. Lebensjahr. 2016 starben rund 601.000 Menschen unter 70 Jahren an den Folgen einer ernährungsbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankung; davon 420.000 Männer und 181.000 Frauen.
Der höchste Anteil an ernährungsbedingten Todesfällen bei den unter 70-Jährigen wurde in Zentralasien beobachtet, hier waren es 42,5 Prozent. In den EU-Mitgliedsstaaten konnten die Forscher 178.000 vorzeitige ernährungsbedingte Todesfälle – 132.000 bei Männern und 46.000 bei Frauen – aufzeigen, was einem Anteil von knapp 20 Prozent bei kardiovaskulären Todesfällen entspricht.
Mit dem verwendeten Rechenmodell gelang es den Forschern zudem, die Effekte anderer Risikofaktoren, wie Übergewicht, Bluthochdruck, Bewegungsmangel und Rauchen, herauszurechnen und nur den spezifischen Anteil einer falschen Ernährungsweise an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bestimmen.
„Der allseits bekannte Risikofaktor Alkohol wurde in unserer Studie nicht berücksichtigt. In Ländern mit einem hohen Alkoholkonsum könnte somit das Ausmaß ernährungsbedingter kardiovaskulärer Erkrankungen noch größer sein“, betont Mitautorin Professor Gabriele Stangl von der MLU. (eb)