Nach Kreuzotter-Biss: ruhig stellen, kühlen, hochlagern!
Patienten sollten nach einem Kreuzotter-Biss generell stationär überwacht werden. Das Abbinden der Extremität schadet mehr, als es nützt. Antiseren benötigen die Patienten meist nicht.
Veröffentlicht:HOMBURG/SAAR. Kreuzottern sind scheue Tiere, weshalb Menschen relativ selten gebissen werden. Beim Schuhebinden kam eine 43-jährige Frau während ihres Wanderurlaubs in Österreich einem Exemplar offenbar doch zu nah. Die Giftschlage biss sie in den rechten Zeigefinger.
Innerhalb weniger Minuten schwoll die Hand an, das Ödem breitete sich rasch nach proximal aus - Stunden später waren der gesamte rechte Arm und die rechte Thoraxseite davon erfasst. Die Hand und der Arm schmerzten erheblich und waren leicht überwärmt, berichten Privatdozentin Dr. Claudia Pföhler und ihre Kollegen von der Universitätshautklinik in Homburg/Saar. Am folgenden Tag bestand ein ausgedehntes Hämatom des rechten Armes und der rechten Thoraxhälfte (Hautarzt 2010; 61: 603).
Am Urlaubsort wurde der Arm der Patientin zunächst in einer volaren Gipsschiene ruhiggestellt, sie bekam Schmerzmittel und Cefuroxim sowie Dimetinden, Prednisolon und Ranitidin. Dermatologen der Universitätsklinik Innsbruck stellten später die Antibiose auf Imipenem um. Gegen die Schmerzen erhielt die Frau dreimal 400 mg Ibuprofen und dreimal 20 Tropfen Tramadol täglich. Hinzu kam eine Thromboseprophylaxe mit Nadroparin wegen des ruhiggestellten Armes. Gegen die Hämatome erhielt die Frau Heparin- und Diclofenac-haltige Gele zum Einreiben. Bis sich alle Symptome vollständig zurückgebildet hatten, waren zwei Monate vergangen.
Die Homburger Dermatologen werteten das Geschehen als toxische Reaktion auf den Biss. Prinzipiell sind auch allergische Soforttyp- oder anaphylaktoide Reaktionen möglich. Lebensbedrohliche Komplikationen sind insgesamt selten, da die Kreuzottern pro Biss nur eine vergleichsweise geringe Giftmenge abgeben. Antiseren wie ViperaTAb® oder ViperFav® sollen nur erwogen werden, wenn das lokale Ödem über eine Extremität hinausgehe oder wenn Allgemeinsymptome vorlägen, so Pföhler. Trete rasch eine Leukozytose und Thrombopenie auf, weise dies auf einen schweren Verlauf hin.
Die Ersthelfer sollen verhindern, dass sich das Gift im Körper weiter ausbreitet. Abbinden gehört allerdings nicht zu den richtigen Maßnahmen, denn das verstärke die lokale Schwellung und begünstige Gewebsnekrosen. Die Extremität muss vielmehr mit einer Schiene oder Schlinge ruhig gestellt, mit feuchten Umschlägen gekühlt und hoch gelagert werden.
Wegen der Immobilisation wird die medikamentöse Thromboseprophylaxe empfohlen. Die Schmerzen können mit üblichen Analgetika gelindert werden, nicht jedoch mit Acetylsalicylsäure wegen deren Auswirkungen auf die Plättchenaggregation und auf den Arachidonsäurestoffwechsel - das Schlangengift hat unter anderem hämorrhagische und hämolytische Effekte. Mit Antibiotika wird bakteriellen Infektionen vorgebeugt, der Tetanusimpfschutz sollte überprüft werden.
Verstärkt sich der lokale Befund nach stationärer Aufnahme innerhalb von 24 Stunden nicht und treten keine systemischen Reaktionen auf, kann der Patient entlassen werden.