Schlafapnoe
Nächtliche Beatmung verzögert Demenz um zehn Jahre
Die nächtliche Beatmung ist bei Schlafapnoe offenbar die beste Methode, eine Demenz hinauszuzögern: Mit CPAP beginnen die Symptome im Schnitt zehn Jahre später als ohne.
Veröffentlicht:NEW YORK. Die Beatmung mit CPAP-Geräten (Continuous Positive Airway Pressure) ist bei den meisten Schlafapnoe-Patienten sehr unbeliebt, die Compliance daher eher lausig.
Doch Ergebnisse einer US-Kohortenstudie sollten den CPAP-Verweigerern zu denken geben: Möglicherweise droht ihnen ohne die Beatmung zehn Jahre früher eine Demenz.
So lässt sich zumindest eine Auswertung der ADNI-Studie (Alzheimer's Disease Neuroimaging Initiative) mit knapp 2500 älteren Teilnehmern aus der Allgemeinbevölkerung interpretieren.
Die Studie wurde ursprünglich aufgelegt, um anhand von Bildgebung, Biomarkern und neuropsychologischen Tests den Übergang von kognitiv gesunden Menschen zu solchen mit ersten kognitiven Einschränkungen (MCI) und Alzheimerdemenz zu erforschen.
US-Studie mit rund 700 Teilnehmern
Wie in anderen Studien auch, werden die Daten für viele andere Fragestellungen benutzt. So haben Forscher um Dr. Ricardo Osorio von der New York School of Medicine nun geschaut, ob eine Schlafapnoe eine MCI oder Alzheimerdemenz beschleunigen könnte (Neurology 2015; epub 15.4.2015).
Dazu analysierten sie das Alter von Schlafapnoe-Patienten und solchen ohne nächtliche Atemprobleme bei der MCI- und der Demenzdiagnose. Zum Teil hatten die Patienten schon zum Studienbeginn eine MCI oder eine leichte Demenz, in diesem Fall versuchten die Wissenschaftler um Osorio rückblickend das genaue Alter bei der Diagnose festzustellen.
Berücksichtig wurden nur Teilnehmer, bei denen eine solche Angabe möglich war. Insgesamt konnten die Forscher bei 286 Personen den Zeitpunkt einer MCI und bei 435 das Alter bei der Alzheimerdiagnose herausfinden. 148 dieser Patienten hatten eine bekannte Schlafapnoe, davon benutzten 47 - also nur etwa ein Drittel - CPAP-Geräte.
Kognitive Probleme schon mit 73 Jahren
Wie sich herausstellte, waren Patienten mit Schlafapnoe aber ohne CPAP bei der MCI-Diagnose im Schnitt 73 Jahre alt, solche ohne Schlafapnoe knapp 84 Jahre.
Wurden nun Patienten mit Insomnien ausgeschlossen, um Fehlklassifikationen zu vermeiden, und grenzten die Forscher den Kreis der Teilnehmer auf solche ein, die im Lauf der Studie eine MCI entwickelten, dann war der Unterschied sogar noch größer: Bei den Patienten mit einer nicht therapierten Schlafapnoe lag das Alter bei der MCI-Diagnose dann bei 77 Jahren, 90 Jahre waren es bei denjenigen ohne Schlafprobleme.
Wurden nur die Teilnehmer mit Alzheimerdemenz berücksichtigt, so waren die Schlafapnoe-Patienten im Schnitt bei der Diagnose etwa fünf Jahre jünger als solche ohne nächtliches Schnarchen und Atemaussetzer (88 versus 83 Jahre).
Wurden alle Patienten mit kognitiven Problemen zusammengefasst (MCI oder Alzheimer) ergab sich wieder ein Unterschied von zehn Jahren zwischen solchen mit und ohne Schlafapnoe.
CPAP kompensiert den Nachteil
Nun muss die Schlafapnoe nicht unbedingt der Grund für die vorgezogenen kognitiven Probleme sein: Schlafapnoe-Patienten sind in der Regel eher übergewichtig und weisen damit oft eine ganze Reihe von Demenzrisikofaktoren wie Hypertonie oder körperliche Inaktivität auf. Das versuchten die Studienautoren so weit wie möglich zu berücksichtigen.
Interessant ist aber vor allem die Beobachtung, dass die wenigen Patienten mit Schlafapnoe, die CPAP-Geräte benutzten, ähnlich spät eine MCI entwickelten wie Patienten ohne Schlafapnoe: Die Diagnose erfolgte erst im Alter von 82 Jahren und damit 9,5 Jahre später als Schlafapnoe-Patienten ohne CPAP.
Mit Blick auf eine Alzheimerdemenz gab es jedoch keine signifikanten Unterschiede beim Diagnosealter, was womöglich an der geringen Zahl der CPAP-Nutzer lag.
Schützt als eine CPAP-Therapie tatsächlich vor kognitivem Abbau im Alter? Die ADNI-Daten sind zumindest verblüffend und legen mangels plausibler alternativer Interpretationen einen solchen Effekt nahe, sofern man den Resultaten bei der relativ geringen Zahl von CPAP-Nutzern trauen mag.
Natürlich müsste die CPAP zur Demenzprävention nun in randomisiert-kontrollierten Therapiestudien geprüft werden, was aufgrund der schlechten Compliance aber ein Problem sein dürfte.
CPAP macht Hirnveränderungen rückgängig
Immerhin deuten inzwischen auch andere Studien auf einen Schutzeffekt der CPAP-Therapie: Nach Angaben italienischen Forscher um Professor Luigi Ferini-Strambi von der Universität in Mailand lassen sich durch die nächtliche Beatmung Hirnschäden nicht nur vermeiden, sondern bestehende sogar rückgängig machen.
So wurden bei Schlafapnoe-Patienten reduzierte Volumina der grauen Substanz etwa im Bereiche des Gyrus temporalis superior, im orbitofrontalen Kortex, der Insula, dem entorhinalen Kortex und dem Kleinhirn beobachtet.
Diese Volumina normalisierten sich bei einer konsequenten CPAP-Therapie in der Regel nach spätestens drei Monaten, so Ferini-Strambi auf einem Kongress in Barcelona.
Sie gingen zudem mit einer deutlichen Besserung der kognitiven Fähigkeiten bereits innerhalb weniger Wochen einher.
Die Forscher aus Mailand hatten auch die Integrität der weißen Substanz per Diffusions-Bildgebung (Diffusion-Tensor-Imaging, DTI) genauer untersucht. Wie erwartet, zeigten die Schlafapnoe-Patienten gegenüber gesunden Teilnehmern ausgeprägte Defizite in den meisten kognitiven Bereichen.
Zugleich deuten die DTI-Aufnahmen auf eine Schädigung wichtiger Faserverbindungen. Betroffen von den Veränderungen waren hauptsächlich Faserverbindungen im Corpus callosum, Fornix, Cingulum sowie kurze und lange Assoziationsbahnen.
Wie die Forscher nun feststellten, waren auch diese Veränderungen komplett reversibel. Allerdings benötigte dieser Prozess deutlich mehr Zeit als die Rückbildung der Atrophie der grauen Substanz.
Nach drei Monaten CPAP-Therapie hatte sich weder bei der fraktionellen Anisotropie noch bei der mittleren Diffusion etwas geändert, erst nach einem Jahr waren die Werte weitgehend normal.
In dieser Zeit verschwanden auch fast alle kognitiven Defizite der Schlafapnoe-Patienten.