Augen auf bei der Laboruntersuchung
OTC-Gebrauch verfälscht Laborwerte
Die meisten Patienten nehmen gelegentlich freiverkäufliche Arzneimittel ein. Nur wenige legen das gegenüber ihrem Arzt offen. Das hat Folgen, etwa für die Interpretation von Laborergebnissen.
Veröffentlicht:ZAGREB. Ginkgoextrakte für die Hirnfunktion, Mariendistel für die Leber, Knoblauch gegen Atherosklerose und hohe Blutfette, Kräuter für die Komplementärtherapie: Das sind nur einige Positionen auf der Liste rezeptfrei erhältlicher Präparate sowie Nahrungsergänzungsmittel und ihrer Indikationen. Die Liste ließe sich beträchtlich verlängern, wie schon ein flüchtiger Blick in die Apothekenregale zeigt.
Die wenigsten Patienten sprechen bei ihrem Arzt die Einnahme solcher Mittel von sich aus an: Was frei verkäuflich ist, müsste doch harmlos sein. Ist es aber nicht, jedenfalls nicht immer. Ein Team von Forschern aus 18 europäischen Ländern – Deutschland war nicht vertreten – hat nun aus den Ergebnissen einer Studie mit 3600 Patienten Schlüsse gezogen und darauf hingewiesen, dass der verschwiegene OTC-Konsum weitreichende Folgen haben kann (Clin Chem Lab Med 2018, online 28. Juli). Einige Beispiele zeigen, wie die Ergebnisse von Labortests verfälscht werden.
Achtung bei diesen OTC-Präparaten
- Einnahme zimthaltiger Präparate 12 Stunden vor Blutentnahme kann den Blutzucker signifikant senken und die Insulinsensitivität erhöhen.
- Pillen zur Gewichtsabnahme können Cayennepfeffer, Bitterorange und Amphetamine enthalten, die den Herzmuskel schädigen und über die Aktivierung des Sympathikus die Troponin- und CK-MB-Konzentrationen erhöhen.
- Nahrungsergänzungsmittel auf Basis von rotem Reis oder grünem Tee können zu abnormen Veränderungen der Leberenzyme führen.
- Roter Reis kann über eine Hemmung der HMG-CoA-Reduktase den Cholesterinspiegel senken.
- Cranberries (großfrüchtige Moosbeeren) können den PSA-Spiegel senken und in die Expression androgenresponsiver Gene eingreifen.
- Zubereitungen auf Basis von Grapefruits und Clementinen interagieren mit vielen Arzneistoffen und verstärken oder vermindern je nachdem deren Wirkungen.
Laut Ergebnissen des Forscherteams um Professor Ana-Maria Šimundic von der Abteilung für Labordiagnostik an der Heiliggeistklinik in Zagreb nehmen rund 68 Prozent der Patienten regelmäßig OTC-Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel ein. Vitamine, Mineralien, Cranberries, Acetylsalicylsäure (ASS) und Omega-3-Fettsäuren sind die beliebtesten Substanzen.
"Die Patienten sind weder hinreichend informiert, noch sind sie sich dessen bewusst, dass diese Mittel die Ergebnisse von Laboruntersuchungen beeinflussen können", mahnen Šimundic und Kollegen. Schulung für Patienten und Personal tue not, um die Situation zu verbessern, präanalytische Fehler zu vermeiden und die Qualität in Labor und Versorgung allgemein zu verbessern.
Die Resultate dürften weitgehend auf Deutschland übertragbar sein. Nach Zahlen von 2017 aus der "Pharmazeutischen Zeitung" haben hierzulande 75 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer mindestens ein OTC-Arzneimittel erworben, am häufigsten gegen Erkältung. 68 Prozent der OTC-Mittel sind synthetisch, 22 Prozent pflanzlich und 10 Prozent homöopathisch. Der Umsatz im OTC-Markt hat vergangenes Jahr 8,7 Milliarden Euro betragen.