Europäischer Kardiologiekongress
Power für die Pumpe
Der Patient als alternative Energiequelle: Schweizer Forscher wollen einen winzigen Teil der Pumpenergie des Herzens für einen neuartigen Herzschrittmacher nutzen. Bewährt hat sich das Mini-Kraftwerk mit Turbine bereits.
Veröffentlicht:ROM/BERN. Den Prototyp einer neuartigen Herzschrittmacher-Technologie hat ein Schweizer Forscherteam auf dem Europäischen Kardiologiekongress (ESC) vorgestellt.
Der Schrittmacher soll künftig aus dem vom Herzen in den Kreislauf gepumpten Blutstrom Energie gewinnen und würde daher keine Batterien mehr brauchen, wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie in einer Mitteilung berichtet.
"In allen durchgeführten Tests konnte die von uns entwickelte Mini-Turbine aus dem Blutstrom ausreichend Energie gewinnen, um einen Herzschrittmacher ohne Elektroden und ohne Batterie zu betreiben", so Dr. Adrian Zurbuchen vom Inselspital Bern. "Außerdem bietet der Prototyp genügend Raum für eine Integration der notwendigen Schrittmacherelektronik", so der Ingenieur, der dem Entwicklerteam angehört, in der Mitteilung.
Der Patient als alternative Energiequelle
Der Hintergrund des neuen Konzepts: Batterien begrenzen heute nach wie vor die Lebensdauer von Herzschrittmachern und machen wiederholte chirurgische Eingriffe erforderlich.
Speziell gelte das für die neue Generation von endokardialen Schrittmachern, so Zurbuchen in der Mitteilung: "Einmal im Myokard eingekapselt, ist der Zugang zur erschöpften Batterie stark eingeschränkt und erhöht das Risiko für einen Austausch des Implantats massiv. Um Patienten solche Nachteile und Risiken zu ersparen, sind batterielose Herzschrittmacher erstrebenswert."
Tatsächlich könnte der Körper der Patienten selbst alternative Energiequellen liefern: Das Herz pumpt kontinuierlich Blut in den Kreislauf und wendet dafür mehr als ein Watt Leistung auf.
Prinzip der Kaplan-Turbinen
Dies entspricht den Schweizer Experten zufolge einem rund 200.000-fachen durchschnittlichen Leistungsverbrauch eines modernen Herzschrittmachers von rund 5 Mikrowatt. Einen Teil dieser Energie wollen die Berner Experten nutzen, um einen Herzschrittmacher zu betreiben.
Die interdisziplinäre Gruppe aus Kardiologen und Ingenieuren hat sich für die Entwicklung einer miniaturisierten Turbine entschieden, die nach dem Prinzip der Kaplan-Turbinen in Wasserkraftwerken funktioniert.
Das torpedoförmige Implantat mit einem Durchmesser von 6,2 Millimetern und einem Gewicht von 3,6 Gramm wird von Blut umströmt, das ein Schaufelrad zum Rotieren bringt. Über eine magnetische Kupplung treibt das Schaufelrad einen Mikrogenerator im Inneren des Gehäuses an und generiert so die benötigte elektrische Energie.
"Das Schaufelrad wurde für einen physiologischen Blutfluss im rechtsventrikulären Ausflusstrakt (RVOT) konzipiert und mit einem 3D-Drucker hergestellt", so Zurbuchen in der Mitteilung.
"Der Turbinen-Prototyp wurde in einem Versuchsaufbau getestet, bei dem realistische hämodynamische Bedingungen im RVOT nachgeahmt werden konnten. Die Versuche wurden mit einem Blutanalogon bei einer Herzfrequenz von 60 Schlägen pro Minute durchgeführt." (eb/eis)