Tuberkulose
Resistente Keime bedrohen Fortschritte aus Jahrzehnten
Jeder vierte Todesfall durch Antibiotika-resistente Keime weltweit wird durch Tuberkulose (TB) bedingt. Es fehlen bessere Prävention, Diagnostik und koordinierte Therapie-Richtlinien.
Veröffentlicht:KAPSTADT. Die weltweite Zunahme multiresistenter Erreger bedroht die jahrzehntelangen Fortschritte im Kampf gegen die Tuberkulose (TB), warnen internationale TB-Experten um Professor Keertan Dheda von der Universität Kapstadt. In einem Bericht zum "Welttuberkulosetag" am 24. März listen sie Schwachstellen der Tuberkulose-Kontrolle auf (Lancet 2017; online 23. März).
Mit Arzneien wie Bedaquilin, Delamanid und Linezolid gibt es zwar erstmals seit Jahren neue TB-Medikamente. Ohne weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit werde aber die Wirksamkeit der neuen Mittel aufs Spiel gesetzt, betonen die Experten. So fehlten Leitlinien zur Verordnung, optimalen Dosierung und Anwendung sowie eine präzise Diagnostik für gezielte individuelle Therapien. Wichtig seien zudem verbesserte Kontrollmaßnahmen, um die Verbreitung der Erreger einzudämmen. Eine wirksame TB-Kontrolle sei zudem nur in gut funktionierenden Gesundheitssystemen möglich, die es in vielen Entwicklungsländern bisher nicht gibt.
Tuberkulose gehört weiter zu den Krankheiten mit den meisten Todesfällen. Das Vorkommen der Infektionskrankheit ist weltweit sehr ungleich verteilt: 2015 traten 60 Prozent der Fälle in nur sechs Staaten auf: Indien, Indonesien, China, Nigeria, Pakistan und Südafrika. 2015 erkrankten nach den Schätzungen der WHO 10,4 Millionen Menschen weltweit an TB und 1,8 Millionen sind daran gestorben.
Sorgen bereiten die knapp eine halbe Million Fälle von multiresistenter TB (MDR-TB) im Jahr 2015. Nur rund 20 Prozent der Betroffenen wurden gezielt dagegen behandelt und selbst bei einer angemessenen Therapie mit einem Arzneimittel-Cocktail über Jahre liegen die Chancen auf Heilung nach WHO-Angaben nur bei 52 Prozent. Jede zehnte multiresistente TB ist extensiv multiresistent (XDR-TB), das heißt, gegen die Erreger sind nicht nur die First-Line-Medikamente Isoniazid und Rifampicin unwirksam, sondern auch Fluorchinolone und die injizierbaren Second-Line-Medikamente, so die WHO. Bei XDR-TB liegen die Heilungs-Chancen aber nur noch bei 28 Prozent.
Trotz dieser Fakten hat die WHO Mycobacterium tuberculosis kürzlich nicht auf die Liste der multiresistenten Bakterien gesetzt, gegen die prioritär neue Antibiotika entwickelt werden müssen. Mit der Liste soll auf dem G20-Gipfel in Hamburg ein ökonomisches Programm zur Förderung der Antibiotika-Forschung erarbeitet werden. TB finde sich nicht auf dem Papier, weil dagegen in anderen Programmen neue Medikamente entwickelt würden, argumentiert die WHO.
Dies wird von der TB Alliance scharf kritisiert. Die öffentlich-private Partnerschaft koordiniert weltweit die Tuberkulose-Arzneiforschung. Jeder vierte Todesfall durch Antibiotika-resistente Keime weltweit sei durch TB bedingt, so die Allianz. Werde nicht gehandelt, könnten an MDR-TB binnen 35 Jahren 75 Millionen Menschen sterben. Trotzdem gingen die Mittel zur Forschung für neue Arzneien und Impfstoffe zurück. Im "WHO Global Plan to Stop TB" habe es 2011 bis 2015 ein Defizit von 2,4 Milliarden US-Dollar gegeben, so die Allianz.