HINTERGRUND
Schädigen Pflanzen-Sterine das Herz?
Pflanzliche Sterine, mit denen mehrere Nahrungsmittel wie Streichfette oder Milcherzeugnisse angereichert sind, wirken offenbar nicht kardioprotektiv. Vielmehr haben sie womöglich sogar negative Effekte auf die Gefäßgesundheit. Jetzt fordern Kardiologen harte Studiendaten, bevor solche Produkte vermarktet werden.
Mit pflanzlichen Sterinen angereicherte Lebensmittel werden viel beworben und teilweise, zum Beispiel in den USA, von offizieller Seite zur Senkung des Cholesterinspiegels empfohlen. Zwar trifft zu, dass die Cholesterinspiegel sinken, allerdings stören pflanzliche Sterinester die endotheliale Gefäßfunktion, sie verstärken ischämische Hirnschäden und sie fördern die Atherogenese. Das berichten Professor Oliver Weingärtner von der Universitätsklinik in Homburg/Saar und seine Kollegen im "Journal of the American College of Cardiology" (51, 2008, 1553). Sie schlussfolgern dies aus Versuchen an Mäusen.
Vermehrt Ablagerungen von Phytosterin in Aortenklappen
Außerdem hatte die Arbeitsgruppe bei 82 Patienten, die wegen einer Aortenstenose einen Klappenersatz erhalten hatten, die entnommenen Aortenklappen untersucht. Zehn dieser Patienten (zwölf Prozent) berichteten über einen mindestens zweijährigen Konsum von mit Phytosterinen angereicherter Margarine. Es ergab sich eine signifikante Korrelation zur Ablagerung der Phytosterine Sitosterin und Campesterin im Klappengewebe und im Blutplasma mit dem Konsum der Margarine.
Sowohl unregelmäßiger als auch regelmäßiger Gebrauch des Nahrungsmittels war mit vermehrten Phytosterin-Ablagerungen in den Aortenklappen verbunden. Erfolgte eine Statin-Therapie, erhöhte dies noch die Sterin-Konzentration im Plasma und in den Aortenklappen. Und auf einen weiteren Befund machen Weingartner und seine Kollegen aufmerksam: Unter den 40 Patienten ohne vorangegangene Statin-Behandlung und ohne Konsum von Sterin-angereicherter Nahrung waren 15 mit einer positiven Familienanamnese für kardiovaskuläre Erkrankungen. Bei diesen Patienten wiesen die Homburger und Mainzer Kollegen ebenfalls ein erhöhtes Campesterin/Cholesterin-Verhältnis nach. Sind pflanzliche Sterine also ein eigenständiger kardiovaskulärer Risikofaktor? Es sieht so aus.
Bereits seit einiger Zeit mehren sich Hinweise darauf, dass Phytosterine schädliche Wirkungen haben. So berichtete Professor Michael Böhm vom Uniklinikum Homburg/Saar bereits beim Internisten-Kongress 2005, dass die übermäßige Aufnahme pflanzlicher Sterine unter Umständen Herzkreislauf-Erkrankungen begünstigen könnten. Von Patienten mit der homozygoten Sitosterinämie, die vermehrt Phytosterine resorbieren, ist bekannt, dass sie bereits in der Jugend atherosklerotische Krankheiten mit zum Teil tödlichem Ausgang entwickeln. Bei diesen Patienten sind die Plasmakonzentrationen pflanzlicher Sterine um das bis zu 50-fache erhöht - beim Gesunden liegt dieser Wert bei 1,0 mg/dl.
Mit mehreren Nahrungsmitteln werden hohe Spiegel erreicht
Nach Angaben von Professor Ulrich Laufs ebenfalls aus Homburg/Saar ergibt sich aus mehreren Studien, dass erhöhte Plasmakonzentrationen pflanzlicher Sterine vermehrt mit kardiovaskulären Ereignissen wie Myokardinfarkt oder plötzlichem Herztod einher gehen.
Allerdings ist es schwierig, die empfohlenen Sterin-Mengen zur Cholesterin-Senkung etwa allein mit Streichfett aufzunehmen. Laufs hat dies selbst probiert: "Im Monat muss man ein Kilogramm solcher Margarine, dass heißt, ununterbrochen den ganzen Tag lang Margarine essen", so Laufs. Kombiniert man allerdings verschiedene mit Phytosterine angereicherte Lebensmittel, etwa Fruchtsäfte oder Joghurts, sterolhaltiges Brot, sterolhaltige Wurst, kann man sehr große Mengen erreichen. Vor allem die dauerhafte Zufuhr solcher Produkte könnte problematisch sein.
Nahrungsmittel sind keine Arzneimittel
Im Moment kann nicht sicher nachgewiesen werden, ob Phytosterine dem Menschen wirklich schaden. "Was man für den Menschen schon jetzt sicher sagen kann ist, dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass sich Sterine positiv auswirken", sagt Laufs. Kernproblem bei Gesundheitsversprechen im Zusammenhang mit funktionellen Lebensmitteln ist die fehlende Nachweispflicht. Laufs weist gegenüber der "Ärzte Zeitung" darauf hin, dass Nahrungsergänzungsmittel völlig anderen Regularien unterliegen als Arzneimittel. "Wir schlagen daher vor, dass solche Produkte in Bezug auf klinische Endpunkte getestet werden, bevor sie gezielt für kranke Menschen vermarktet werden", so der Kardiologe.
Wie Phytosterine das LDL senken
Was beim Menschen Cholesterin ist, sind bei Pflanzen die Phytosterine, die chemischen Strukturen sind ähnlich. Pflanzliche Sterine konkurrieren bei der Darmresorption mit Cholesterin um dieselben Transportmechanismen. Wer vermehrt Phytosterine zu sich nimmt, mindert die Cholesterinresorption im Darm. Dosen von 2 g und mehr bewirken auf diese Weise eine Senkung des LDL-Spiegels um bis zu 20 mg/dl. Das lässt sich jedoch nicht beliebig steigern, mehr als drei Gramm Phytosterine pro Tag senken den Spiegel nicht weiter. Allerdings können sehr hohe Phytosterin-Konzentrationen die Resorption von Karotinoiden und fettlöslichen Vitaminen vermindern. Deswegen werden Phytosterin-angereicherte Lebensmittel Kindern und schwangeren Frauen nicht empfohlen. (ner)