Gamma-GT
Schlechtes Zeichen, aber nicht für die Leber
Eine isolierte Erhöhung der Gamma-GT ohne Alkoholkonsum deutet nicht zwangsläufig auf eine Leberpathologie. Der Befund kann auch auf ein erhöhtes KHK-Risiko hinweisen.
Veröffentlicht:HAMBURG (gvg). Eine erhöhte Gamma-GT spricht für Alkoholkonsum am Vorabend. Das weiß jeder Medizinstudent.
Wer daraus allerdings ableitet, dass eine isolierte Gamma-GT-Erhöhung ohne Alkohol auf eine Leberpathologie deutet, liegt falsch. Trotzdem sollte der Befund nicht ignoriert werden.
Das Enzym Gamma-GT überträgt den Glutamyl-Rest des Glutathion auf Peptide. "Sie ist in keiner Weise leberspezifisch, sondern kommt auch im Magen, der Lunge, dem Pankreas, der Niere und vielen anderen Organen vor", sagte Professor Heiner Wedemeyer von der Medizinischen Hochschule Hannover beim Gastroenterologenkongress in Hamburg.
Das zellmembranständige Enzym ist unter anderem dann vermehrt im Blut nachweisbar, wenn es sich aus welchen Gründen auch immer von der Zellmembran löst. Das passiert zum Beispiel bei einem Gallenstau, weshalb die Gamma-GT als Cholestase-Parameter gilt.
Allerdings sei bei einer Cholestase praktisch immer auch die Alkalische Phosphatase (AP) erhöht, so Wedemeyer. Eine isolierte Gamma-GT-Erhöhung ist dagegen kein Cholestase-Marker.
Auch die Gamma-GT-Erhöhung nach Alkoholkonsum hat mit Leber oder Galle nichts zu tun. "Das ist eine Enzyminduktion ohne Pathologie, wie sie auch bei einigen Medikamenten auftritt", sagte Wedemeyer.
Eine isolierte Gamma-GT-Erhöhung mit oder ohne Alkohol sei weder ein Prädiktor für leberbezogene Sterblichkeit noch ein Zeichen für eine drohende oder versteckte Lebererkrankung. Leber und (isolierte) Gamma-GT-Erhöhung sind zwei Paar Stiefel.
Trotzdem ist eine isolierte Gamma-GT-Erhöhung für die Betroffenen eine schlechte Nachricht. Das liegt daran, dass die kardiovaskuläre Mortalität bei diesen Patienten deutlich erhöht ist.
Der Zusammenhang zwischen Herz und Gamma-GT könnte in zellulären Oxidationsprozessen zu suchen sein: "Eventuell ist die Gamma-GT ein Marker für oxidativen Stress und hängt auf diese Weise mit dem kardiovaskulären Risiko zusammen", so Wedemeyer.
Dieser Zusammenhang ist durchaus ausgeprägt. In einer gerade publizierten Studie war die Gesamtmortalität bei isolierter Erhöhung der Gamma-GT um bis zu 65 Prozent erhöht. Der Grund waren praktisch ausschließlich kardiovaskuläre Ereignisse (J Hepatol 2012, online 11. Juli).
Was heißt das alles für die Praxis? Patienten mit isolierter Gamma-GT-Erhöhung, bei denen AP, ALT und Bilirubin normal und die Gallengänge sonographisch nicht erweitert sind, benötigen keine weitere Leberdiagnostik.
"Sie brauchen vor allem auch kein Urso", so Wedemeyer. Stattdessen sollten die kardiovaskulären Risikofaktoren abgeklärt und, wo erforderlich, entsprechend therapiert werden, um das ohnehin erhöhte kardiovaskuläre Gesamtrisiko der Patienten nicht noch weiter zu steigern.