CRISPR-Cas9
Simples Werkzeug revolutioniert die Gentechnik
Die Möglichkeiten, DNA zu verändern, sind durch die CRISPR-Cas9-Methode revolutioniert worden, für die zwei Forscherinnen am heutigen 14. März mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis geehrt werden. Sie haben eine simple, programmierbare Genschere entwickelt - auf der Basis eines bakteriellen Immunsystems.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. CRISPR-Cas9 ist in aller Munde. Nein, es ist nicht der Name eines neuen köstlichen Käse-Chip-Produkts, sondern das Kürzel für die Bezeichnung eines Systems, dessen Namen man sich sonst kaum merken könnte und das für eine revolutionäre gentechnische Methode genutzt wird: "Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats".
Das beschreibt bestimmte Bausteinfolgen im bakteriellen Erbgut, gekoppelt an "Cas 9", hinter dem sich ein Enzym versteckt. Das Interesse der Forscher weltweit an der Gentechnikmethode, die Enzym und CRISPR nutzt, ist immens.
Allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres sind mehr als 230 wissenschaftliche Publikationen erschienen, die CRISPR zum Thema haben. Insgesamt sind seit der Entdeckung dieses Systems im Jahr 2002 fast 3000 Arbeiten veröffentlicht worden.
Gezielt Genesequenzen manipulieren
Vor fast zehn Jahren wurde entdeckt, dass Bakterien das System CRISPR-Cas9 nutzen, um sich vor viralen Eindringlingen, den Bakteriophagen, zu schützen.
Daraufhin haben sich die Professorinnen Jennifer A. Doudna von der Universität in Berkeley und Emmanuelle Charpentier, Leiterin des Max-Planck-Instituts in Berlin, daran gemacht, diese Erkenntnis zu nutzen, um ein simples Werkzeug für gentechnische Arbeiten im Labor zu entwickeln.
Im Jahr 2012 war es ihnen gelungen, den genauen Mechanismus dieser adaptiven, also erworbenen "Immunantwort" von Streptococcus pyogenes gegen die Phagen aufzuklären (Science 2012; 337; 816-821).
Es ist ein ganz einfaches System aus kurzen RNA-Molekülen und dem Enzym Cas9 - Cas steht für "CRISPR-associated" -, mit dem sich gezielt Gensequenzen manipulieren lassen.
Für ihre Entdeckung werden die beiden Wissenschaftlerinnen am heutigen 14. März in der Frankfurter Paulskirche mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis ausgezeichnet, der mit 100.000 Euro dotiert ist.
Mit der Methode lassen sich Gene ausschneiden und auch einbauen
Jennifer A. Doudna (l.) und Emmanuelle Charpentier werden mit dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis ausgezeichnet.
© [M] Doudna: Sam Willard Photography, Berkeley, Charpentier: Wolfgang Klumm / dpa
Mit der CRISPR-Methode - wird wie "crisper" ausgesprochen - gelingt es, die vorher definierten kurzen RNA-Ketten fast exakt an eine ausgesuchte Region innerhalb des Erbguts zu lenken und dort die beiden DNA-Stränge mithilfe des daran gekoppelten Enzyms Cas9 zu durchtrennen, um so je nach Wunsch Gene auszuschneiden, einzubauen oder gezielt Mutationen einzufügen.
Es ist wie eine Programmierung der DNA-Nukleasen. Dabei gibt die kurze RNA-Sequenz vor, an welcher Stelle genau im Genom das Enzym aktiv werden soll.
Erst wenn die DNA- und RNA-Sequenzen auf der Basis der Paarungsregeln für Nukleinsäurebausteine nach Watson und Crick zueinander passen, verändert das Enzym seine Struktur derart, dass es seinen Job machen kann. Ohne diese Veränderung droht der DNA keine Gefahr durch Cas9.
Zwar gab es schon vorher gentechnische Methoden, die die Enzyme Zinkfinger-Endonukleasen und TALEN, ebenfalls Nukleasen, nutzten, mit denen sich das Erbgut verändern lässt, doch ist der Umgang mit ihnen wesentlich aufwändiger und schwieriger als der mit CRISPR-Cas9.
Bereits 2012 prophezeiten die beiden Preisträgerinnen, dass sich mithilfe des bakteriellen Systems eine "einfache und vielseitige Methode entwickeln lässt, mit der sich DNA-Doppelstränge gezielt durchtrennen lassen, um die Sequenz an dieser Stelle zu verändern".
CRISPR-Cas9 zur Veränderung der Keimbahn?
Seitdem haben Forscher weltweit die neue Gentechnikmethode an Zellen sehr vieler verschiedener Organismen getestet und verfeinert.
Das reicht von Bakterien und Pilzen über tierische und pflanzliche bis hin zu humanen Zellen wie embryonalen Stammzellen. Zweifelhafter Höhepunkt dieser Entwicklung waren genetische Veränderungen wenige Tage alter menschlicher, wenn auch nicht lebensfähiger Embryonen im vergangenen Jahr durch chinesische Forscher (Protein Cell 2015: 6: 363-372).
Und Anfang des Jahres haben britische Behörden Dr. Kathy Niakan vom Francis-Crick-Institut in London die Genehmigung erteilt, CRISPR-Cas9 für ihre Erforschung früher Entwicklungsstadien menschlicher Embryonen zu nutzen.
Der Gedanke liegt nahe, die Methode nicht nur zur Korrektur genetischer Defekte in Vorläuferzellen eines Patienten zu nutzen, sondern zu versuchen, auch die Keimbahn zu verändern, um Nachkommen vor Erbkrankheiten zu bewahren.
Bei einem Treffen von Forschern aus den USA, China und Großbritannien in Washington Ende vergangenen Jahres, an dem die Preisträgerinnen teilgenommen hatten, wurden solche Vorhaben beim derzeitigen Wissensstand als unverantwortlich abgelehnt.
Nun wird es Ende April in Paris eine öffentliche Veranstaltung der US National Academy of Sciences und der National Academy of Medicine geben, auf der es um genetische Veränderungen des Humangenoms, auch um die Keimbahntherapie gehen wird.
Das Potenzial der neuen gentechnischen Methode ist riesig. Es reicht nach Ansicht von Charpentier und Doudna von der Bekämpfung von Infektionskrankheiten etwa durch Sterilisierung der Überträgerstechmücken über die Anwendung in der Biotechnik zur Verbesserung landwirtschaftlicher Produkte und dem Screening auf potenzielle Zielstrukturen für Medikamente bis zur Gentherapie bei Patienten (Science 2014; 346: 1077).
Für beide Forscherinnen ist es unerlässlich, dass auch Nichtwissenschaftler die Grundlagen dieser neuen Technik ausreichend verstehen, um den öffentlichen Diskurs darüber zu erleichtern.
CRISPR ist nicht nur in aller Munde, sondern wird schon bald im Gedächtnis eines jeden haften bleiben. Dazu tragen vor allem die beiden diesjährigen Paul-Ehrlich-Preisträgerinnen und bereits vielfach Ausgezeichneten bei, die inzwischen von vielen auch als Kandidatinnen für den Nobelpreis gehandelt werden, sei es für Physiologie oder Medizin oder auch für Chemie.