HINTERGRUND
Sind Frauen immer schlapp und läßt ihre Libido nach, kann auch mal ein Androgenmangel die Ursache sein
Von Helga Brettschneider
Wenn bei Frauen die Libido nachläßt, kann ein Androgenmangel die Ursache sein. Denn nicht nur Männer, auch Frauen können von einem solchen Mangel betroffen sein: etwa bei einer Nebennieren-Insuffizienz oder nach einer Eierstock-Operation.
Von einem Androgenmangel-Syndrom kann man ausgehen, wenn Frauen über nachlassende Libido berichten und bei ihnen erniedrigte Serumwerte für Testosteron, DHEA (Dehydroepiandrosteron) oder Androstendion festgestellt werden. Bei einigen betroffenen Frau kann dann eine Androgentherapie sinnvoll sein, sagt Dr. Cornelia Jaursch-Hancke von der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden.
Symptome sind Müdigkeit und Kraftlosigkeit
Frauen mit Androgenmangel können einen starken Leidensdruck haben, weil ihre Lebensqualität erheblich eingeschränkt ist: Typischerweise sind sie schon morgens müde, spätestens aber ab Mittag matt, sagte Jaursch-Hancke bei dem von Novo Nordisk unterstützten Rheingauer Endokrinologie-Dialog in Eltville.
Die Kraft reiche mit viel Mühe gerade noch, um den Arbeitstag irgendwie durchzustehen. Rückzug, Isolation und Partnerprobleme sind die Folge, auch Depressionen. Außerdem wächst der Körperfettanteil auf Kosten der Muskulatur.
Testosteron ist das wichtigste Androgen, auch bei Frauen. Die Hälfte davon stammt bei ihnen aus den Nebennierenrinden und den Eierstöcken, der Rest entsteht aus metabolisiertem DHEA. Ein Androgenmangel kann bei Frauen etwa durch eine Ovarektomie entstehten. 2004 gab es in Deutschland mehr als 22 300 Operationen an den Eierstöcken.
2004 gab es in Deutschland 22 300 Ops an den Eierstöcken. | |
Aber ein Mangel entsteht auch durch Hypophyseninsuffizienz mit sekundärer Nebennierenrinden-Insuffizienz (NNR) oder durch eine primäre NNR (Inzidenz 1 zu 10 000; zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen). Oder wenn Medikamente wie Glukokortikoide oder Östrogene die NNR oder Ovarien bremsen.
Betroffenen Frauen hilft offenbar DHEA. Hinweise dazu ergab eine randomisierte, Placebo-kontrollierte Cross-Over-Studie mit 24 Frauen zwischen 29 und 54 Jahren. 14 hatten eine primäre NNR-Insuffizienz, zehn eine sekundäre Insuffizienz wegen Hypophysenoperation, Hypophysitis oder einem Sheehan-Syndrom, also einer Hypophysenvorderlappen-Insuffizienz nach der Geburt. Vier Monate lang bekamen alle täglich 50 mg DHEA oder Placebo, wie Jaursch-Hancke berichtete.
Ergebnis: Mit Placebo blieben DHEA, DHEAS (DHEA-Sulfat), Androstendion und Gesamt-Testosteron zu niedrig. Nur mit DHEA stiegen die Werte in normale Bereiche. Gleichzeitig stieg die sexuelle Zufriedenheit. Depressionen, Ängste und Zwangsvorstellungen gingen signifikant zurück, die Lebensqualität besserte sich innerhalb von vier Monaten signifikant.
Inzwischen habe es sich bei Spezialisten durchgesetzt, bei Frauen mit NNR-Insuffizienz DHEA zu substituieren, sagte die Endokrinologin. Auch sie biete solchen Patientinnen DHEA an. Ein solcher Therapieversuch sei auch mal nach einer Ovarektomie gerechtfertigt oder bei medikamentöser Suppression von NNR oder Ovarien.
Andere Ursachen der reduzierten Lebensqualität müßten aber ausgeschlossen sein. "Wenn dann noch sexuelle Probleme dazukommen, habe ich nichts gegen einen limitierten Therapieversuch mit DHEA oder Testosteron." Einen regelhaften Einsatz im Klimakterium dagegen befürwortet die Expertin nicht, weil die Androgenwerte nicht dramatisch abstürzten.
In Deutschland gibt es bisher keine für Frauen zugelassenen Präparate; und Testosterongele und -salben für Männer sind bei Frauen schwer dosierbar: Sie brauchen viel weniger von dem Hormon. Besser geeignet ist DHEA. Es sollte in der Apotheke bestellt werden, damit auf die Wirkstoffmenge Verlaß ist, empfiehlt Jaursch-Hancke.
Denn der Bedarf sei individuell verschieden, er liege zwischen acht und 100 mg täglich. Bei Bezug von Präparaten über das Internet könne der tatsächliche Inhalt um bis zu 100 Prozent von der Inhaltsangabe auf dem Produkt abweichen.
Blüht Akne und wachsen Haare, ist die Dosis zu hoch
Als unerwünschter Effekt könne Akne auftreten, im Einzelfall schon bei 25 mg täglich. Außerdem könne die Körperbehaarung zunehmen. Solche Probleme verschwinden wieder, sobald die Dosis verringert wird. Langzeitdaten zur DHEA-Therapie fehlen. Außerdem erfolgt in geringem Umfang auch ein Umbau zu Östrogenen: "Wenn in der Vorgeschichte eine östrogenabhängige Neoplasie wäre, würde ich das nicht machen", betont die Endokrinologin.
FAZIT
Androgenmangel kommt auch bei Frauen vor. Gründe können sein: Entfernung der Eierstöcke, Hypophyseninsuffizienz mit sekundärer Nebennierenrinden (NNR)-Insuffizienz, oder eine primäre NNR-Insuffizienz. Symptome des Androgenmangels sind erniedrigte Werte für Testosteron, DHEA oder Androstendion, nachlassende Libido und eingeschränkte Lebensqualität: Betroffene Frauen sind zu erschöpft für einen normalen Alltag. Sozialer Rückzug und Depressionen sind die Folge.
Eine Substitution, etwa mit DHEA (Dehydroepiandrosteron), kann mitunter sinnvoll sein. Andere Ursachen des reduzierten Zustandes sollten vorher jedoch ausgeschlossen werden.