Konsens dreier Fachgesellschaften

So viel Zucker pro Tag darf's sein

Die Auswertung von Fachstudien ist eindeutig genug, um eine konkrete Obergrenze für den täglichen Zuckerkonsum festzulegen. Drei Fachgesellschaften haben sich nun auf diese Menge geeinigt: maximal 50 Gramm täglich sind genug, so die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und die Deutsche Diabetes Gesellschaft.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Fachgesellschaften halten die wissenschaftliche Studienlage inzwischen für ausreichend, um konkrete Obergrenzen für den durchschnittlichen täglichen Konsum an Zucker zu empfehlen: 50 Gramm.

Fachgesellschaften halten die wissenschaftliche Studienlage inzwischen für ausreichend, um konkrete Obergrenzen für den durchschnittlichen täglichen Konsum an Zucker zu empfehlen: 50 Gramm.

© Joana Kruse / stock.adobe.com

Nach Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS 1)sind 29 Prozent der Frauen und 43,8 Prozent der Männer übergewichtig, weitere 23,9 und 23,3 Prozent sind adipös. Nach dem Kinder- und Jugend-Gesundheitssurvey (KIGGS) des Robert Koch-Instituts sind 15,4 Prozent der drei- bis 17-Jährigen übergewichtig, weitere 5,9 Prozent leiden unter Adipositas.

Übergewicht und Fettleibigkeit sind mit etlichen Begleit- und Folgeerkrankungen, darunter Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörungen, kardiovaskulären Erkrankungen, Krebs und degenerativen Gelenkerkrankungen assoziiert. Die direkten und indirekten Krankheitskosten werden auf mindestens 13 Milliarden Euro geschätzt. Die direkten Kosten der Folgeerkrankungen einer zu hohen und häufigen Zuckerzufuhr geben die drei wissenschaftlichen Fachgesellschaften mit 8,6 Milliarden Euro für das Jahr 2008 an.

Die Fachgesellschaften halten die wissenschaftliche Studienlage inzwischen für ausreichend, um konkrete Obergrenzen für den durchschnittlichen täglichen Konsum an Zucker zu empfehlen: Nicht mehr als zehn Prozent des täglichen Kalorienbedarfs von durchschnittlich 2000 Kilokalorien sollen in Form von Zucker konsumiert werden; das sind maximal 50 Gramm Gesamtzucker in welcher Form auch immer.

Gegenwärtig wird diese Grenze von den Deutschen im Durchschnitt stark überschritten. Bei Frauen liegt der tatsächliche Verbrauch um 40 Prozent über diesem Grenzwert, beim Männern um 30 Prozent. Besonders bedenklich ist das Ausmaß des Überkonsums bei Kindern und Jugendlichen: Sie nehmen 75 Prozent mehr Zucker zu sich als empfohlen.

Hauptlieferant Süßwaren

Ein großer Teil der Zufuhr von freiem Zucker stammt aus Süßwaren (36 Prozent), ebenfalls bedeutsam sind Fruchtsäfte und Nektare, aus denen 26 Prozent der Zuckereinnahme resultieren sowie Limonaden mit einem Anteil von zwölf Prozent. Deutschland zählt mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 32 Litern pro Jahr zu den Spitzenreitern im Konsum von Fruchtsäften . Zusammen mit sonstigen Erfrischungsgetränken (Cola und Limonaden, 116 Liter pro Kopf) lag der Verbrauch genauso hoch wie der von Mineralwasser.

75 % zu viel Zucker konsumieren Kinder im Durchschnitt, auch Erwachsene liegen über dem Grenzwert. Bei Männern sind es 30 Prozent, bei Frauen 40 Prozent. Ein besonderes Problem: Gezuckerte Erfrischungsgetränke, weil diese keine Sättigung bewirken.

Das besondere Problem der zuckerhaltigen Getränke: Sie lösen anders als feste zuckerhaltige Nahrungsmittel keinen Sättigungseffekt aus. Während süße feste Nahrungsmittel zumindest die Aufnahme anderer kalorienhaltiger Nahrungsmittel kompensiert, setzt der Genuss von Süßgetränken keine derartigen Begrenzungen. Ein weiteres Problem: Zuckergesüßte Lebensmittel und Getränke liefern einerseits zu viel Energie, enthalten jedoch auf der anderen Seite wenig oder keine essenziellen Nährstoffe. Zur Überernährung tritt dann auch eine Fehlernährung.

Prävalenz für Übergewicht

„Aufgrund der besonderen Rolle zuckerhaltiger Getränke, ihres hohen Pro-Kopf-Verbrauchs in Deutschland, der hohen nationalen Prävalenz für Übergewicht und Adipositas sowie der hohen damit verbundenen Krankheitslast schließen sich die DAG, DDG und DGE der evidenzbasierten Empfehlung der WHO aus dem Jahr 2015 an. Demnach soll die Zufuhr freien Zuckers maximal zehn Prozent der Gesamtenergie ausmachen“, heißt es in dem Konsensuspapier der drei wissenschaftlichen Fachgesellschaften.

Das schließe auch natürlich vorkommenden Zucker in Honig, Sirup und Fruchtsäften ein. Bei einer geschätzten durchschnittlichen Gesamtenergiezufuhr von 2000 Kilokalorien pro Tag sollten demnach nicht mehr als 50 Gramm Zucker täglich verbraucht werden.

Die DGE empfiehlt, bei einer isokalorischen Ernährung der Art der Kohlehydrate besondere Aufmerksamkeit zu schenken: Präferiert werden sollten überwiegend pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Obst und Vollkornprodukte, verarbeitete Lebensmittel sollten sparsam konsumiert werden. Der Verbrauch zuckergesüßter Getränke sollte vermieden und durch Wasser oder ungesüßte Tees ersetzt werden. Besonders wichtig: Kinder sollten nicht an eine hohe Zuckerzufuhr gewöhnt werden.

Aus den evidenzbasierten Erkenntnissen leiten die Fachgesellschaften ab, dass die bisher auf verhaltenspräventive Maßnahmen beschränkte Gesundheits- und Ernährungspolitik „nicht zur gewünschten Reduktion von Übergewicht und Adipositas und den damit assoziierten ernährungsbedingten Krankheiten geführt hat“. Vielversprechende Public-Health-Maßnahmen müssten daher auf Verhältnisprävention abzielen. In einer Umwelt, in der es unbegrenzten Zugang zu adipogenen Lebensmitteln gebe, müsse es dem Verbraucher leichter gemacht werden, gesundheitsfördernde Entscheidungen zu treffen.

International sei bereits eine Reihe ernährungspolitischer Public-Health Maßnahmen zur Senkung der Zuckerzufuhr implementiert.

Das sind wichtige Maßnahmen zur Zuckersenkung

» Entscheidungsunterstützende Maßnahmen: Eine vereinfachte Kennzeichnung von Lebensmitteln könne zu einem besseren Verständnis ihrer Qualität beitragen. Ein Mehrwert könne auch entstehen, wenn Unternehmen eine solche Kennzeichnung als Anreiz verstehen, die Reformulierung von Lebensmitteln voranzutreiben. De facto geschieht dies bereits durch einzelne namhafte Hersteller wie etwa Danone und Iglo, die ab 2019 in Deutschland das französische „Nutri-Core“-Ampelsystem für Deutschland übernehmen.

» Entscheidungslenkende Maßnahmen: Hier fordern die Fachgesellschaften eine Verbindung der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie, die auf weniger Salz, Fett und Zucker durch eine Reformulierung von Lebensmitteln abzielt, mit einer lenkenden Verbrauchssteuer. In Portugal und Großbritannien habe dies zu einer raschen Anpassung der Produkte geführt. Nach einer Modellrechnung könnte eine Reduktion von Zucker um 40 Prozent in zuckergesüßten Getränken nach fünf Jahren zu einer Minderung der Kalorienaufnahmen um 38 Kilokalorien und einer Gewichtsabnahme von 1,2 Kilogramm führen. Unbedingt notwendig sei aber neben einer Minderung des Zuckergehalts eine Reduktion der Gesamtenergie aufgenommener Nahrungsmittel, wenn diese Strategie nicht scheitern soll. Als positive Beispiele werden die Anstrengungen insbesondere auch der großen Handelsunternehmen wie Lidl und Rewe genannt, die den Zuckeranteil in ihren Eigenmarken systematisch senken.

» Nudging (Anstupsen): Dies ist möglich beispielsweise durch die geschickte Platzierung gesunder Lebensmittel in Kantinen. Noch entscheidender wäre dies aber im Lebensmitteleinzelhandel.

» Besteuerung: Die drei Fachgesellschaften fordern eine „gesunde Mehrwertsteuer“ – 20 Prozent auf zuckergesüßte Getränke. Vor allem in Problemgruppen wie einkommensschwachen Schichten, aber auch bei Männern zwischen 20 und 29 Jahren könnte dies nach Modellrechnungen zu einer merklichen Reduktion des BMI führen.

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Kommentare
Andreas Jansen 21.01.201908:02 Uhr

Steuer als Lenkungsinstrument?

Wenn Zucker (z.B. in Limonaden) besteuert werden soll, was geschieht dann mit den zuckerfreien Süßstoff-Getränken? Dann stürzt sich die Industrie mit voller Kraft auf Ersatzstoffe. Damit werden nur andere Probleme geschaffen. Ein Sündenbock wurde geschaffen - damit der Heiligenschein schöner glänzt ;)

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