Radiologie
Strahlenbelastung wird von Ärzten unterschätzt
Einer britischen Untersuchung zufolge unterschätzen viele Ärzte die Strahlenbelastung, die Patienten bei gängigen Untersuchungen wie CT oder Röntgen zugemutet wird.
Veröffentlicht:FARNBOROUGH / KENT. Inwieweit Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen sich über die Strahlenexposition von Patienten bewusst sind, haben Kollegen aus Kent ermittelt (Journal of Clinical Urology, online 18. März 2015).
Abgefragt wurden die effektiven Strahlendosen von 18 verschiedenen bildgebenden Untersuchungen, darunter sehr gängige Verfahren wie das Röntgen von Gliedmaßen, Becken, Abdomen und Wirbelsäule sowie CT-Untersuchungen von Thorax, Bauch/ Becken, Lungenszintigrafie und Bariumbreischluck.
Zwei der Fragen waren Fangfragen: Sie bezogen sich auf MRT und Ultraschall, die gar nicht auf ionisierender Strahlung beruhen.
40 junge Klinikärzte befragt
40 junge Klinikärzte, die sich entweder im sogenannten Foundation Programme befanden - das entspricht in etwa dem früheren deutschen AiP - oder eine Facharztausbildung absolvierten, hatten den Fragebogen im Beisein der Wissenschaftler und ohne Zuhilfenahme externer Quellen bearbeitet.
Wie Chris Poullis und Kollegen vom Princess Royal University Hospital in Kent berichten, wurden im Schnitt nur 17 Prozent der Fragen richtig beantwortet.
Von insgesamt maximal 18 Punkten erreichten die Teilnehmer im Schnitt nur 3 Punkte. Der höchste Punktwert, der erzielt wurde, lag bei 8.
Insgesamt wurde die effektive Strahlendosis, angegeben jeweils als Röntgen-Thorax-(Chest X-Ray, CXR)-Äquivalent, zwölfmal niedriger eingeschätzt, als es den Tatsachen entsprach.
Beim CXR beträgt die effektive Strahlendosis laut Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz 0,02-0,04 mSv.
Am stärksten hatten sich die Jungmediziner bei der Myokard-Szintigrafie (MPI) mit Thallium (TI-201) verschätzt: Hier wurden durchschnittlich 17,5 CXR-Äquivalente angegeben; tatsächlich wirkt jedoch auf den Patienten eine effektive Dosis vom 900-Fachen einer Röntgen-Thorax-Untersuchung ein.
Die Myokard-Szintigrafie mit Thallium wird wegen der hohen Strahlenbelastung heute nur noch selten eingesetzt.
125 statt CXR-Äquivalent von 1000
Große Abweichungen von der Realität zeigten sich aber auch bei der Einschätzung von Computertomografie und Röntgen: Beim CT-Abdomen/Becken lag die Schätzung der Ärzte bei 125; der reale Wert ist aber ein CXR-Äquivalent von 1000!
Für das Röntgen der Lendenwirbelsäule wurde ein Wert von 5 angenommen, während man hier tatsächlich auf 65 CXR-Äquivalente kommt.
Beim Röntgen-Abdomen lag der angegebene Wert bei 2,5 (tatsächlich: 35), beim Röntgen-Becken lag der Wert bei 3,5 (statt ebenfalls 35).
Die Fangfrage nach der Strahlenbelastung von MRT und Ultraschall beantworteten 82,5 Prozent bzw. 92,5 Prozent korrekt mit "0".
Im Umkehrschluss bedeutet das, immerhin sieben Teilnehmern war offenbar nicht bekannt, dass weder das eine noch das andere Verfahren mit ionisierenden Strahlen arbeitet.
Was ebenfalls überrascht: Auch die 24 Mediziner, die bereits Kurse in Radiologie absolviert hatten, schnitten mit einem durchschnittlichen Punktwert im Fragebogen von 3,17 nicht signifikant besser ab als der Rest.
"Wenn man eine bildgebende Untersuchung anfordert, ist es wichtig, dass man auch das damit verbundene Strahlenrisiko richtig einzuschätzen weiß", mahnen Poullis und Kollegen.
Eine Auflistung effektiver Strahlendosen für die gängigsten Untersuchungen findet sich beispielsweise auf der Homepage des Bundesamts für Strahlenschutz unter der Adresse www.bfs.de.
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