Lungenembolie
Thrombolyse bei Patienten ab 65 zu riskant?
Bei Patienten mit Lungenembolie im Alter über 65 Jahre ist die Thrombolyse mit einem hohen Blutungsrisiko verbunden, zeigen Daten einer Metaanalyse. Dagegen scheinen jüngere Patienten unterm Strich von der Lyse zu profitieren.
Veröffentlicht:NEW YORK. Die Akuttherapie der Lungenembolie (LE) orientiert sich am Sterberisiko. Die Leitlinie der DGK unterscheidet zwischen hohem und nicht-hohem Risiko, je nachdem, ob der Patient hämodynamisch instabil oder stabil ist.
Besondere Aufmerksamkeit gilt Patienten mit intermediärem Risiko: Bei ihnen liegt der Blutdruck zwar im Normbereich, es besteht jedoch eine Dysfunktion des rechten Ventrikels (RV), die sich mit Herzecho und / oder einem Troponintest nachweisen lässt.
Bei Patienten, die an einer Lungenembolie sterben, wurde vorher fast immer eine RV-Dysfunktion nachgewiesen.
16 Studien ausgewertet
Während bei hohem Mortalitätsrisiko eine klare Indikation für den Einsatz thrombolytischer Medikamente zusätzlich zur Heparintherapie besteht, ist der Nutzen der Lyse bei intermediärem Risiko bislang fraglich (die Leitlinien empfehlen "in der Regel keine Thrombolyse"). Bisherigen Metaanalysen mangelte es an statistischer Power.
In der kürzlich publizierten PEITHO-Studie hatte man mit dem Thrombolytikum Tenecteplase als Ergänzung zur Antikoagulation mit unfraktioniertem Heparin zwar eine deutliche Reduktion des kombinierten Endpunkts Tod oder Kreislaufkollaps innerhalb von sieben Tagen gefunden. Die Mortalität für sich genommen war jedoch nicht nennenswert gesunken.
Zudem war das Blutungsrisiko bei den Lysepatienten signifikant höher (6,3 Prozent; 1,5 Prozent unter Placebo).
Forscher aus New York liefern nun die bislang größte Zusammenschau aus belastbaren Daten zur Thrombolyse bei LE (JAMA 2014; 311: 2414-2421).
16 randomisierte klinische Studien (RCTs) haben die Kardiologen um Saurav Chatterjee vom Mount Sinai Health System ausgewertet. Darin berücksichtigt sind 2115 Patienten mit Lungenembolie, 70,87 Prozent davon mit intermediärem Risiko.
Das Ergebnis ist zweischneidig: Zwar verringerte die Thrombolyse gegenüber der alleinigen Antikoagulation die Sterberate in gut 80 Tagen insgesamt um relative 47 Prozent, von 3,89 Prozent auf 2,17 Prozent. Wie die Autoren berichten, müsste man 59 Patienten einer Lyse unterziehen, um ein Leben zu retten.
Wie zu erwarten stieg aber auch die Gefahr schwerer Blutungen. Dieses Risiko hatte sich mehr als verdoppelt: Es lag nach Antikoagulation bei 3,42 Prozent, nach Thrombolyse bei 9,24 Prozent. Die Hirnblutungen hatten von 0,19 Prozent auf 1,46 Prozent zugenommen.
Nutzen für jüngere Patienten
Was sich in PEITHO angedeutet hatte, scheint eine Subgruppenanalyse zu bestätigen: Jüngere Patienten profitieren offenbar auch unterm Strich von der Thrombolyse. So blieben Patienten , 65 Jahren von dem erhöhten Blutungsrisiko verschont.
Die Autoren interpretieren dies mit vorsichtigem Optimismus: "Die Abschwächung des Blutungsrisikos bei Personen unter 65 Jahren ist möglicherweise ein Argument dafür, die Thrombolyse bei diesen Patienten stärker als bisher in Betracht zu ziehen."
Patienten, die diese Altersgrenze überschritten hatten, trugen in der Metaanalyse eine besondere Risikolast: Zum einen verlor sich der Nutzen im Hinblick auf die Mortalität (OR 0,55), zum anderen verdreifachte sich in dieser Subgruppe die Blutungsgefahr (von 4,10 Prozent unter Antikoagulanzien auf 12,93 Prozent nach Thrombolyse). Chatterjee et al. fordern nun vor allem für ältere Patienten Konzepte zur Stratifizierung des Blutungsrisikos.
In einer weiteren Subgruppenanalyse widmeten sich die Forscher hämodynamisch stabilen Patienten mit RV-Dysfunktion. In den acht hierzu ausgewerteten Studien führte die Lyse insgesamt zu einer Mortalität von 1,39 Prozent gegenüber 2,92 Prozent bei lediglich antikoagulierten Patienten, aber auch hier um den Preis eines massiv erhöhten Blutungsrisikos (7,74 vs. 2,25 Prozent). Die Autoren errechneten einen Netto-Nutzen im Hinblick auf die Mortalität von 0,62 Prozent; dabei sind auch Todesfälle durch Hirnblutungen berücksichtigt.
Für Dr. Joshua A. Beckman vom Brigham and Women's Hospital in Boston ist dieses Ergebnis relativ bescheiden. Der Kommentator fordert weitere Studien mit stratifizierten Patientengruppen. Bis dahin rät Beckman, die Antikoagulation plus Thrombolyse solchen Patienten vorzubehalten, die auf die Standardtherapie mit alleiniger Antikoagulation nicht ansprechen.