Therapie der Zukunft

Typ-1-Diabetes-Behandlung im "Autopilot"-Modus

Automatisierte Insulinpumpen und kontinuierliche Blutzuckermessung: Die Digitalisierung verändert die Versorgung von Grund auf. Dabei geht es nicht darum, den Arzt zu ersetzen, sondern mehr Zeit für Patienten freizuschaufeln.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Die Diabetes-Versorgung wird durch die Digitalisierung verändert – wenn nicht gar revolutioniert.

Die Diabetes-Versorgung wird durch die Digitalisierung verändert – wenn nicht gar revolutioniert.

© New Africa / stock.adobe.com

BERLIN. Diabetes und Digitalisierung, das ist noch immer für viele das Blutzuckertagebuch auf dem Handy. Die Wirklichkeit ist zumindest beim Typ-1-Diabetes längst darüber hinweg: Die kontinuierliche Zuckermessung gestattet in Verbindung mit Insulinpumpen und intelligenten Steuerungsalgorithmen zunehmend eine Versorgung auf „Autopilot“ – mit enormen Konsequenzen.

„Die Zeit im therapeutischen Zielbereich wird zum entscheidenden Parameter“, betonte Professor Thomas Danne vom Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover. Der „Durchschnittswert“ HbA1c verliere in der Therapiesteuerung seine Relevanz.

Optimieren lässt sich die Zeit im Zielbereich durch (teil)automatisierte Insulinpumpen (AID-Systeme), die auf kontinuierliche Messwerte in Echtzeit reagieren. In den USA nutzen mehr als 100.000 Patienten ein AID. Auch in Europa sind Systeme zugelassen, die in Deutschland aber nicht erstattet werden.

Schon bei den Pumpen gebe es einen Gradienten zwischen Nord- und Süddeutschland, der wahrscheinlich mit strengeren MDK-Prüfungen im Süden zusammenhänge, so Danne.

Looper im häufiger

Echte AID finanziert bisher niemand: „Wir haben Patienten, die überlegen, deswegen ihren Wohnsitz zu verlagern“, so Danne bei der Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Berlin. Wer nicht umziehen will, kann mit Elektronikbauteilen aus dem Elektromarkt sowie etwas Hilfe aus dem Internet Insulinpumpen, Smartphones und Mess-Systeme im Eigenbau verschalten. „Looper“ werden diese Patienten genannt, und es gibt immer mehr von ihnen.

Die Diabetes-Bloggerin Stephanie Haack ist eine davon. Seit sie ihr Do-it-yourself-AID in Betrieb genommen hat, hat sie weniger nächtliche Unter- und Überzuckerungen. Auch Erkältungen bringen den Zuckerstoffwechsel viel weniger durcheinander: „Die Ergebnisse sind fantastisch. Der Zucker ist in den Nächten in der Regel so stabil, dass ich durchschlafe. Das war vorher definitiv nicht der Fall.“

Die digitalisierte Zukunft der Diabetesversorgung stellt sich Haack so vor, dass sie sich viel weniger um ihre Erkrankung kümmern muss. Die Zuckereinstellung übernimmt der Algorithmus, Routine-Arztbesuche sind kurze Video-Chats, Rezepte werden elektronisch erstellt und die Materialien per Post geliefert: „Es geht nicht darum, auf persönliche Gespräche zu verzichten, sondern darum, sie gezielter zu nutzen, wenn sie einen Mehrwert haben.“

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Kommentare
Dr.med. Hans Joachim Bülow 14.02.201918:52 Uhr

HbA1c bleibt natürlich wichtigster Qualitätsparameter für eine Diabetestherapie

Es hat sich in fast allen Studien gezeigt, daß ein Hybrides Künstliches Pankreas den mittleren Blutzucker und damit den gewichtigen Surrogatparameter für Langzeitkomplikationen kaum senken können. So hat man nach anderen Parametern Ausschau gehalten und die ''time in range'' (TIR, %Zeit wo Blutzucker im Zielbereich) entdeckt, die aber bei weitem nicht die Relevanz für Spätschäden hat, anders als von Prof. Danne behauptet. Erhöht sich die TIR, so nehmen die leichten Hypoglykämien i.d.R. ab. Diese zählen aber auch nicht zu den Kurzzeitkomplikationen im engeren Sinn. Die TIR ist allenfalls ein weiteren Parameter zur Beurteilung der Qualität eines modernen Systems der Insulinapplikation.Ob er für die ''Steuerung'' herhalten kann, muß sich erst noch zeigen! Klar ist damit auch, daß die Hersteller solcher Systeme ''Fürsprecher'' in der Ärzteschaft suchen , die etablierten Parameters ein Ende prophezeien, wenn diese als Qualitätsparameter mit und ohne deren Anwendung das gleiche zeigen.Besser wäre es, den Blick nach vorne zu richten und auf die Lebensqualitöät zu schauen.

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