Bisphosphonate
Unterschätzte Arzneien?
Immer wieder ist zu hören, dass Bisphosphonate über ihre traditionellen Indikationen hinaus bei vielen Patienten Nutzen stiften könnten. Doch was ist wirklich dran an Krebsprävention und Co?
Veröffentlicht:ROM. Definitive Antworten auf die spannendsten Fragen zu Bisphosphonaten konnte Professor René Rizzoli, Experte für muskuloskelettale Erkrankungen am Universitätsklinikum Genf, leider auch nicht geben.
Aber anhand mehrerer aktueller Studien machte er beim europäischen Rheumakongress (EULAR 2015) in Rom zumindest sehr deutlich, dass in dieser mittlerweile schon eher alten Substanzklasse noch einiges an Musik steckt.
Verhindern Bisphosphonate Brustkrebs? Vielleicht sogar Zervixkarzinome? Daten, die diese These untermauern, gibt es. Schon im Jahr 2010 wurden die damals recht breit rezipierten Ergebnisse dreier Beobachtungsstudien publiziert, in denen eine Bisphosphonattherapie wegen Osteoporose mit einer niedrigeren Brustkrebsinzidenz einherging.
Niedrigeres Risiko für Skelettmetastasen
Rizzoli berichtete jetzt über eine kanadische Kohorte von Osteoporosepatientinnen, bei denen Brustkrebs diagnostiziert worden war. Frauen, die Bisphosphonate einnahmen, hatten ein signifikant niedrigeres Risiko von Skelettmetastasen (J Natl Cancer Inst 2014; 106: dju264).
Noch aktueller sind die Daten einer Auswertung von knapp 90.000 Datensätzen aus der Women's Health Initiative-Studie. Hier erkrankten in einem Zeitraum von im Median 12,5 Jahren 1123 Frauen an invasivem Endometriumkarzinom.
Wurden Bisphosphonate eingenommen, war das Risiko um ein statistisch signifikantes Fünftel geringer (J Clin Oncol 2015; 33:1186-90).
Etwas Wasser in den Wein gegossen haben allerdings kalifornische Epidemiologen, die zwei der klassischen randomisierten Osteoporosestudien zu Bisphosphonaten, die FIT-Studie und die HORIZON-PFT-Studie, nachanalysiert haben.
Sie fanden in beiden Studien keinen Unterschied in der Brustkrebsinzidenz zwischen Bisphosphonat- und Placebogruppe (JAMA Intern Med 2014; 174:1550-7). Eine definitive Antwort auf die Frage nach der Krebsprävention liefert diese Auswertung aber nicht, weil die Studien für eine völlig andere Fragestellung konzipiert waren.
Haltbarkeit von Prothesen verbessern?
Jenseits der Krebstherapie gelten Bisphosphonate als heiße Kandidaten für Medikamente, die die Haltbarkeit von orthopädischen Prothesen verbessern könnten.
Rizzoli berichtete von einer Auswertung des nationalen dänischen Gesundheitsregisters, im Rahmen derer über 95.000 Patienten mit Totalendoprothese von Knie oder Hüfte analysiert wurden. 1558 Prothesenträgern, die Bisphosphonate einnahmen, wurden knapp 9000 Kontrollprobanden zugeordnet.
Ergebnis: In der Bisphosphonatgruppe hatten in einem Zeitraum von im Median 2,61 Jahren 1,73 Prozent der Patienten eine Revisionsoperation, in der Kontrollgruppe waren es zweieinhalb Mal so viele (4,45 Prozent).
Die Assoziation bestand nur dann, wenn die Bisphosphonate erst nach der Operation angesetzt wurden (Arthritis Rheumatol 2014; 66:3233-40). Rizzoli hält hier einen kausalen Zusammenhang für pathophysiologisch plausibel und sieht daher dringenden Bedarf nach randomisierten Studien.