Deutsche Hormonwoche
Warum Wachstum ein guter Indikator für Gesundheit oder Krankheit bei Kindern ist
Wachstumsstörungen bei Kindern können auf ernsthafte Erkrankungen hindeuten. Nur selten liegt es an den Hormonen. Taugen Wachstumskurven somit als Screeninginstrument?
Veröffentlicht:Erlangen. Das Wachstum im Kindesalter ist ein komplexer Prozess, der von der genetischen Ausstattung ebenso beeinflusst wird wie von Signalsystemen, Ernährung und weiteren Umweltfaktoren. Wachstum sei daher ein guter Indikator für Gesundheit oder Krankheit, sagt der Erlanger Kinderarzt und Endokrinologe Professor Joachim Wölfle.
Wachstumskurven sind insofern auch als Screeninginstrument anzusehen, welches auf ernste Erkrankungen hinweisen könne, so Wölfle im Vorfeld der 5. Deutschen Hormonwoche der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).
Das gelte zumindest bis zur Einschulung. Danach sei das Zeitintervall bis zur J1-Untersuchung zu lang. Die DGE möchte daher die Öffentlichkeit für die Problematik von Wachstumsstörungen sensibilisieren. Kinder, die nicht „familienangemessen“ wachsen, so Wölfle, sollten dem Kinderarzt vorgestellt werden.
Kleinwuchs: Ursachen können Mangel- oder Fehlernährung sein
„Nur bei einem Bruchteil der Kinder finden sich Störungen des Hormonsystems oder des Stützapparates“, erklärt der Kinderendokrinologe. Ursachen von Kleinwuchs können zum Beispiel Mangel- oder Fehlernährung sein, aber auch chronische Erkrankungen wie Asthma, Mukoviszidose, erworbene Herzkrankheiten oder eine chronische Niereninsuffizienz.
Zu den hormonbedingten Ursachen gehören die Schilddrüsenunterfunktion, Cushing-Syndrom, Rachitis, ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus oder der Mangel an Wachstumshormon.
Next Generation Sequencing identifiziert Gene für Hochwuchs
Nach bisherigen Erkenntnissen haben mehr als fünf Prozent der menschlichen Gene Einfluss auf die Körpergröße. Mit neuen Diagnosemethoden wie dem Next Generation Sequencing ist es gelungen, ursächliche Kandidatengene zu identifizieren, die eine Zuordnung zum Beispiel von Patienten mit syndromalem Hochwuchs erlauben. Die exakte Diagnose erlaubt eine Risikoeinschätzung in Bezug auf typische Komplikationen wie Aortenaneurysmen oder präventive Maßnahmen, etwa bei Patienten mit Gigantismus-Syndromen und erhöhtem Zellentartungsrisiko.
Mit Körpergrößen-begrenzenden hormonellen Therapien bei Hochwuchs sind Endokrinologen inzwischen zurückhaltender geworden als vor Jahren. Bei Patienten mit familiärem Hochwuchs handele es sich oft um Normvarianten, so dass nicht zwangsläufig eine Behandlungsindikation bestehe, sagte Wölfle. Zudem werden große Menschen heute eher akzeptiert als früher.
Vor allem bei Mädchen könne die hochdosierte Therapie mit Sexualhormonen später die Fruchtbarkeit ungünstig beeinflussen. Daher wird international vermehrt auf die chirurgische Epiphysiodese zurückgegriffen. In Deutschland wird in dieser Hinsicht auf individuelle Beratung unter Abwägung von Nutzen und Risiken gesetzt. Gegebenenfalls ist die kinderpsychologische Unterstützung eher geeignet als die medikamentöse Therapie. Die Therapie mit Somatostatin-Analoga wird derzeit erforscht.