Familienberatung

Wie ein Familien-Scout Kindern von krebskranken Eltern hilft

Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, ist das für die ganze Familie eine emotionale Erschütterung. Dabei geraten die Kinder schnell aus dem Fokus. Das Verschweigen der Diagnose verschlimmert ihre Situation oft.

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Erkrankt ein Elternteil an Krebs, kann das eine große emotionale Belastung für die ganze Familie sein. Besonders mit Kindern sei es wichtig zu kommunizieren: „Unausgesprochenes verunsichert Kinder mehr als kindgerechte Kommunikation“, sagt Kerstin Liebing, Heilpädagogin und Familien-Scout.

Erkrankt ein Elternteil an Krebs, kann das eine große emotionale Belastung für die ganze Familie sein. Besonders mit Kindern sei es wichtig zu kommunizieren: „Unausgesprochenes verunsichert Kinder mehr als kindgerechte Kommunikation“, sagt Kerstin Liebing, Heilpädagogin und Familien-Scout.

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Bonn. Brustkrebs – für die Alleinerziehende Birgit ist die Diagnose ein Schock. Wie vertrage ich die Chemotherapie? Kann ich noch arbeiten gehen? Wo kann ich Hilfe beantragen? Was soll ich meiner Tochter sagen? Tausende Gedanken schießen der 42-Jährigen durch den Kopf. Ein Glück für sie, dass sie in der Bonner Universitätsklinik behandelt wird.

Dort steht Kerstin Liebing als Familien-Scout der Mutter bei. Die Heilpädagogin berät Familien zu Hause, steht wie eine Art Lotsin bei der Krankheitsbewältigung bei und zeigt Unterstützungsangebote auf. Sie hat Birgit nicht nur bei dem Antrag auf eine Haushaltshilfe geholfen und den Kontakt zu einer niedergelassenen Psychoonkologin hergestellt. Auch bei der Kommunikation mit ihrer Tochter Anna hat die Familienberaterin Birgit zur Seite gestanden.

Die Namen von Mutter und Tochter wurden geändert.

Kinder merken, wenn etwas nicht stimmt

Denn obwohl oder gerade weil sie nichts von der Diagnose wusste, veränderte sich die Zwölfjährige, zog sich in ihr Zimmer zurück, traf sich kaum noch mit Freundinnen, verschlechterte sich in der Schule. „Kinder haben feine Antennen. Sie spüren: Hier stimmt was nicht, irgendwas hat sich verändert“, weiß Liebing.

Die Mutter, die sonst fröhlich war, ist vielleicht stiller geworden oder wischt sich rasch die Tränen aus den Augen, wenn das Kind in den Raum kommt. Oder die Erwachsenen reden nur noch leise tuschelnd miteinander. Kinder könnten so einen Stimmungswechsel meist nicht einordnen, trauen sich aber auch nicht nachzufragen. Selbst Zweijährige spürten solche Veränderungen. Manche würden scheinbar ohne Grund aggressiv, „weil ihnen die Worte fehlen“ oder entwickelten andere psychische Auffälligkeiten, erklärt Liebing.

Ihre Aufgabe als Familien-Scout sieht sie auch darin, Eltern zu stärken, indem sie selbst mehr Sicherheit im Sprechen über die Erkrankung bekommen. Die Familienberaterin hat auch Birgit unterstützt, so dass sie gut gerüstet war für Gespräche mit ihrer Tochter. Anna konnte sie außerdem das Online-Angebot des Mainzer Vereins Flüsterpost vermitteln. Kinder und Jugendliche krebserkrankter Eltern haben dort die Möglichkeit, sich in einem geschützten Raum auszutauschen.

Bis 100.000 Familien pro Jahr betroffen

Schätzungen zufolge sind bis zu 100.000 Familien pro Jahr von einer schweren Krankheit der Eltern betroffen. Aber nur in 10 Prozent der Fälle sei der Blick auf die Kinder ein Thema im Arztgespräch, beobachtet Franziska Geiser, Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn (UKB). Deshalb seien die Familien-Scouts, die es auch in Aachen und Düsseldorf gibt, so wichtig.

Nach einer Diagnose fallen Familien meist in eine Schockstarre und in ein Gefühlschaos, beobachtet Geiser. Die Erkrankten müssten den Befund und die anstehende Behandlung verarbeiten, ihren Alltag neu organisieren. Dabei sei es gerade jetzt für Kinder wichtig, dass sie ein Stück Normalität behalten, etwa weiter zum Kindergarten oder Ballett gefahren werden, sagt Geiser.

Das erkrankte Elternteil mache sich oft Vorwürfe, nicht mehr belastbar zu sein; das gesunde Elternteil sei doppelt betroffen – in der Sorge um den erkrankten Partner und um den Nachwuchs. Deshalb sei es wichtig, Menschen zu finden, mit denen man über seine Gefühle sprechen könne. Es gebe viele professionelle Angebote, „aber vielen fällt es schwer, sie tatsächlich zu nutzen“, sagt Geiser.

Familien öffnen sich weniger für Hilfsangebote

Ein Problem: „Die Familie rückt in dieser Bedrohungssituation eher zusammen, als sich für Hilfsangebote zu öffnen“, beobachtet Angela Klein, Leitende Psychologin in der Klinik für Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie am UKB. Denn eine Krebsdiagnose löse Ängste, Gefühle der Überforderung, Unsicherheit und Hilflosigkeit aus; „es bricht ein vielfältiger Cocktail an Gefühlen über die Familie herein“. Dies alles führe zu Erschöpfung – die Familie ziehe sich zurück und schotte sich ab.

Um nach Hilfe und Unterstützung Ausschau zu halten, werde aber Energie benötigt – Energie, die die Familie gerade in diesem Moment nicht habe, sagt Klein. „Sag was, wenn ich Euch helfen kann“, sei vom Umfeld ein gut gemeintes Signal. Oft seien Freunde und Nachbarn verunsichert, ob und welche Hilfe erwünscht sei. Dagegen helfen konkret geäußerte Wünsche an das Umfeld: den Wocheneinkauf übernehmen, das Kind zum Sport fahren. Manchmal sei aber auch erst ein „Schubs“ nötig, damit Familien ein Angebot von außen überhaupt annehmen könnten.

Gute Kommunikation entscheidend

So ein Schubs kann der Kontakt zum Familien-Scout sein. Denn in dieser belastenden Situation sei eine gute Kommunikation zur Bewältigung dieser Krise in der Familie entscheidend. „Unausgesprochenes verunsichert Kinder mehr als kindgerechte Kommunikation“, sagt Liebing. Schon einem zwei- oder dreijährigen Kind könne man sagen: „Ich habe Schmerzen, mir tut der Bauch weh, deshalb muss ich ins Krankenhaus.“ Wichtig sei es auch, die Erkrankung Krebs beim Namen zu nennen, falls das Kind das Wort im Umfeld aufschnappt.

„Wir müssen unseren Kindern etwas zumuten“, sagt auch Geiser. Dafür sei es wichtig, dass diese in einem Elternteil oder einer vertrauten Person eine sichere Bindung erlebten, also spürten: „Da ist jemand, der auf mich aufpasst.“ (KNA)

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