Angst vor Sex?

Warum vielen herzkranken Männern die Lust vergeht

Herzkranke Männer über 50 Jahre haben seltener Sex als Herzgesunde. Haben Sie Angst vor einer Überanstrengung des Herzes? Ärzte können ihnen diese nehmen.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:

LONDON. "Sex ist ein zentraler Bestandteil intimer Beziehungen" - mit diesem Satz beginnt die Zusammenfassung der Studienergebnisse, die Professor Andrew Steptoe vom University College London zusammen mit Kollegen zum Thema "Sex und KHK" vorgelegt hat. Gewiss hat die Wissenschaft schon spektakulärere Erkenntnisse zutage gefördert.

Doch der Punkt, auf den die englischen Forscher hinauswollen, ist ein anderer: Wenn Patienten an KHK erkranken, könnte es sein - so die Überlegung -, dass neben der Herz- auch die Sexualfunktion beeinträchtigt ist. Weil es dann mit besagtem zentralem Bestandteil hapert, könnte Beziehungsstress aufkommen. Und Stress ist gefährlich fürs ohnehin angegriffene Herz.

Steptoe und Mitarbeiter haben deshalb untersucht, wie es um das Liebesleben älterer Herren über 50, die an einer KHK erkrankt sind, bestellt ist (Heart 2016, online 10. Juni). Sie analysierten dafür Querschnittsdaten von rund 3000 Männern und 3700 Frauen, die an der English Longitudinal Study of Ageing beteiligt waren. 376 Männer und 279 Frauen hatten eine KHK-Diagnose erhalten.

Dabei zeigte sich: Eine KHK hat durchaus Einfluss auf das Sexualleben. Allerdings hält er sich in Grenzen.

Männer mit KHK-Diagnose denken sogar weniger an Sex

Im summarischen Vergleich von Frauen über 50 mit und ohne KHK war überhaupt kein statistisch relevanter Unterschied in den sexuellen Aktivitäten festzustellen. Das mag auch daran liegen, dass Frauen keine Erektionsstörungen bekommen können. Diese nämlich markierten bei den Männern mit und ohne KHK einen deutlich signifikanten Unterschied (47 vs. 38 Prozent).

Männer mit KHK hatten auch seltener Sex als die Vergleichsmänner: Der Anteil der Aktiven lag bei 69 Prozent und damit niedriger als bei herzgesunden Männern (80 Prozent), aber immer noch höher als bei den herzgesunden Frauen (56 Prozent). Und Männer mit KHK hatten nicht nur weniger Sex, sie dachten auch seltener daran (75 vs. 82 Prozent).

Damit sind dann aber alle Unterschiede aufgezählt, die sich in den Betten von KHK-Patienten und jenen von Personen ohne KHK auftun. Darüber hinaus treten diese Phänomene nur bei Frauen und Männern in den ersten vier Jahren nach der KHK-Diagnose prominent auf. Liegt die Diagnose länger zurück, sind keine signifikanten Differenzen festzustellen.

Angst vor Sex und medikamentösen Folgen unbegründet

Steptoe und Kollegen untersuchten zudem, ob die Medikation die Sexualfunktion beeinflusst. Negativ auf die Erektion wirkten Diuretika und Statine, dabei könne es sich aber um Zufallsergebnisse handeln, so die Wissenschaftler. Für andere Medikamentenklassen waren keine Effekte nachweisbar.

Die Forscher um Steptoe empfehlen, KHK-Patienten in Sachen Sex gut zu beraten, damit sie ihren Partnern zum Nutzen der Beziehung rascher wieder nahezukommen wagen. Hier gilt als Faustregel: Wer zügig spazieren gehen bzw. die Treppen von zwei Stockwerken erklimmen kann, ist auch fit genug für den zentralen Bestandteil intimer Beziehungen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Sex und Herzkrankheit: Der Herzkasper ist selten im Bett

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 11.07.201612:34 Uhr

Danke!

Das neue Bild passt besser. MfG

Thomas Georg Schätzler 11.07.201609:12 Uhr

Was nicht passt, wird passend gemacht?

Der in der "trefflichen" Abbildung gezeigte, unten liegende männliche Partner sieht nun wirklich nicht so aus wie die zitierten "älteren Herren über 50, die an einer KHK erkrankt sind (Heart 2016, online 10. Juni)". Es ging auch wohl eher um "rund 3.000 Männern und 3.700 Frauen, die an der English Longitudinal Study of Ageing beteiligt waren" (Längsschnitt-Studie des Älterwerdens).

Die über ihm platzierte jüngere Dame ist sicher noch eindeutiger von der weiblichen KHK/ACS/Myokard-Infarkt Alters- und Zielgruppe entfernt.

Was mich in der Praxis so sehr verwundert, wie überrascht selbst internationale Experten/-innen immer tun, wenn festzustehen scheint: "Herzkranke Männer über 50 Jahre haben seltener Sex als Herzgesunde". Sollte es denn etwa genau umgekehrt sein? Oder wäre das wiederum eine weitere Überraschung für die Fachwelt?

Jeder, der sich in der Medizin auch nur einigermaßen psycho-somatisch und bio-psycho-sozial auskennt, müsste doch wahrnehmen, dass manifeste Herzkrankheiten bei unseren Patientinnen und Patienten zu Vorsicht, Achtsamkeit und Rücksichtnahme in "Herzensangelegenheiten" führen. Niemand wäre erstaunter als Wissenschaftler, wenn frisch Cholezystektomierte plötzlich mehr "Sit-Ups" trainieren würden, als "Couch-Potatoes" mit noch vorhandener Gallenblase; bzw. Amputierte schneller rennen würden als Nicht-Amputierte?

O.k., mein letzter Vergleich hinkt gewaltig, aber er sollte uns wachrütteln, bei allem pseudowissenschaftlichen Veröffentlichungswahn kritisch und auch selbstkritisch zu bleiben.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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