Von Antibiotika-Cycling bis Handhygiene
Was verhindert Resistenzen am besten?
Stationäre Patienten ziehen sich seltener Infektionen mit resistenten Keimen zu, wenn im Krankenhaus ein Antibiotic-Stewardship-Programm existiert. Doch welche Maßnahmen helfen? Das haben Mediziner jetzt ausgewertet.
Veröffentlicht:TÜBINGEN. Strategien zum rationalen Einsatz von Antibiotika, sogenannte Antibiotic-Stewardship (ABS)-Programme, reduzieren in Krankenhäusern nicht nur Antibiotikaverordnungen und Kosten. Laut einer Metaanalyse von Mitarbeitern der Universitätsklinik Tübingen kommen die Programme auch direkt den Patienten zugute, indem sie die Ausbreitung von resistenten Bakterien und Clostridium (C.) difficile verhindern.
Besonders effektiv ist ABS demnach, wenn es mit Maßnahmen für eine verbesserte Handhygiene kombiniert wird.
32 Studien ausgewertet
In der Analyse haben die Mediziner um David Baur Daten aus 32 Studien ausgewertet, die mehr als neun Millionen Patiententage abdecken. Bei den Studien, von denen nur zwei eine gute und 26 eine mittlere Qualität hatten, handelte es sich mehrheitlich um Vorher-nachher- und Kohortenstudien.
Die häufigsten ABS-Interventionen waren infektiologische Prüfungen (Audits) sowie eine restriktive Verordnungspolitik. In etwa 30 Prozent der Studien kamen zusätzlich Maßnahmen zur Infektionskontrolle zum Einsatz (The Lancet Infectious Diseases 2017; online 16 Juni).
Infektionen und Kolonisierungen mit folgenden Erregertypen waren nach der Einführung von ABS-Programmen signifikant reduziert: Multiresistente gramnegative Erreger gingen um 51 Prozent, ESBL(Extended-Spectrum Beta-Lactamase)-bildende um 48 und Carbapenem-resistente um 43 Prozent zurück.
Bei Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA) sank die Inzidenz um 37 Prozent. C. difficile wurde um 32 Prozent seltener festgestellt. Lediglich bei Aminoglykosid- und Chinolonresistenz waren die Häufigkeiten nur numerisch, aber nicht statistisch signifikant verringert.
Allerdings war zwischen den einzelnen Studien eine "substanzielle Heterogenität" festzustellen, wie die Kollegen um Baur berichten. Die Differenzen konnten zumindest teilweise auf Unterschiede in den Resistenzmustern, der Art der ABS-Intervention und der Studiendauer zurückgeführt werden.
Die wirksamsten Maßnahmen
Die ABS-Programme waren in hämatoonkologischen Abteilungen besonders erfolgreich, mit einem Rückgang der Inzidenz resistenter Keime um 59 Prozent. Aber auch Patienten auf Intensivstationen (–23 Prozent) und in medizinischen Abteilungen (–22 Prozent) profitierten von der Intervention.
Durch die Kombination von ABS mit Maßnahmen für eine bessere Handhygiene konnte die Rate von Besiedlungen/Infektionen mit resistenten Bakterien weiter gesenkt werden (–66 statt –17 Prozent ohne intensivierte Handhygiene). Die Wirkung des ABS hing zu einem großen Teil von den Inhalten der Programme ab.
Drei Interventionen waren mit einer signifikanten Reduktion von Resistenzen assoziiert: Antibiotika-Cycling, also der schnelle Wechsel verschiedener Antibiotika (–51 Prozent), infektiologische Audits und Feedback (–34 Prozent) sowie eine restriktive Verordnungspraxis (–23 Prozent). Die Implementierung von Leitlinien und die Fokussierung auf eine einzige Antibiotikaklasse blieben dagegen wirkungslos.
Kombination mit Handhygiene sinnvoll
"ABS-Programme haben eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen, insbesondere von Mehrfachresistenzen bei gramnegativen Keimen", betonen Baur und Kollegen.
Wegen des synergistischen Effekts empfehlen sie die Implementation in Krankenhäusern in Kombination mit Handhygiene-Programmen. Um den Nutzen unterschiedlicher Programme in Abhängigkeit von der Resistenzlage besser beurteilen zu können, seien jedoch weitere und qualitativ hochstehende Studien nötig.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Antibiotic-Stewardship-Programme: Zweifach gegen Resistenzen