START-Studie publiziert
Weniger Mortalität, Morbidität und geringere Kosten bei Single Pills
Eine Tablette statt viele: In der START-Studie gingen Single Pills mit weniger kardiovaskulären Ereignissen sowie Hospitalisationen einher und die Gesamtkosten# konnten reduziert werden.
Veröffentlicht:Auf Kongressen waren die Ergebnisse der START-Studie schon wiederholt Thema. Jetzt sind sowohl die medizinischen als auch die gesundheitsökonomischen Daten zur Single Pill publiziert. Die START-Studie analysierte anonymisierte Real-World Patientendaten der AOK PLUS. Die Studienautoren definierten vorab acht Kombinationen antihypertensiver, lipidsenkender und kardiovaskulärer Wirkstoffe, die als Single Pills zur Verfügung standen. 29.668 Patienten, bei denen Ärzte zwischen Juli 2013 und Juni 2017 eine Single Pill Therapie mit einer der sieben final untersuchten Kombinationen begannen, wurden mit einer identischen Zahl an Kontrollprobanden verglichen. Diese erhielten dieselbe Therapie – mit dem einzigen Unterschied, dass die Wirkstoffe als Einzelsubstanzen lose kombiniert wurden. Für die Zuordnung der Probanden wurde ein Propensity-Score-Matching (PSM) mit 27 Matching-Parametern genutzt. Nach PSM konnten Daten von Patienten, die 7 der vordefinierten Kombinationen erhielten, in die Analyse einbezogen werden [1, 2].
Über die medizinischen Ergebnisse berichtete das START-Team um Erstautor Prof. Thomas Wilke und Seniorautor Prof. Dr. Michael Böhm, Universitätsklinikum des Saarlandes, im Fachblatt Integrated Blood Pressure Control [1]. Die Studie untersuchte zum einen die Arzneimitteladhärenz. Diese wurde anhand der definierten Tagesdosen (DDD) ermittelt, wobei Patienten mit einer Verordnungslücke von 60 oder mehr Tagen als non-adhärent gewertet wurden. Für jede einzelne der insgesamt sieben Kombinationen war die Adhärenz bei Einsatz der jeweiligen Single Pill signifikant höher. Der Anteil therapietreuer Patienten beim Single Pill Regime betrug fast durchgängig 70 % oder mehr (Abbildung 1) [1].
Single Pill: Bessere Adhärenz und weniger klinische Ereignisse
Neben der höheren Therapietreue wurden bei Single Pill Therapie auch geringere Raten diverser klinischer Ereignisse beobachtet. Dazu gehörten Hospitalisation wegen Herzinfarkt, wegen Schlaganfall, wegen TIA, wegen koronarer Herzerkrankung und wegen Herzinsuffizienz, außerdem Gesamtmortalität und Hospitalisation jeglicher Ursache sowie ein Komposit der beiden letztgenannten Parameter.
36 von 42 Ergebnisse zu den Ereignisraten fielen signifikant oder tendenziell zugunsten der Single Pill-Therapie aus – 20 davon signifikant.
In Bezug auf den Komposit-Endpunkt aus Gesamtmortalität und Hospitalisation jeglicher Ursache war die Single Pill den jeweiligen freien Kombinationen in fünf von sieben Vergleichen signifikant überlegen. So war die Rate bei Candesartan/Amlodipin Single Pill um knapp ein Viertel (HR 0,77; 95 % CI 0,65-0,90; p=0,001) und bei Valsartan/Amlodipin/HCT Single-Pill um knapp ein Drittel (HR 0,68; 95 % CI 0,61-0,74; p = 0,001) geringer als bei Therapie mit den jeweiligen Monosubstanzen. Abbildung 2 zeigt die Unterschiede zwischen Single Pill und freier Kombination für alle sieben analysierten Kombinationen beispielhaft für den Endpunkt Hospitalisation jeglicher Ursache.
Dass die Vorteile der Single Pill gegenüber der Kombination von substanz- und dosisgleichen Monosubstanzen teilweise ganz erheblich sein konnten, illustriert Abbildung 3. Hier wurde für insgesamt sechs kardiovaskuläre Ereignisse der START-Studie die jeweils maximale, relative Risikoreduktion aufgeführt. So waren transitorische ischämische Attacken (TIA) bei Amlodipin/Valsartan/HCT Single Pill um 82 % und KHK bei Candesartan/Amlodipin Single Pill um 73 % seltener.
Direkte Gesundheitskosten deutlich geringer
Eine weitere aktuelle Publikation zur START-Studie thematisierte die gesundheitsökonomische Dimension des Einsatzes von Single Pills [2]. Auch diese Analyse nutzte den oben beschriebenen, Propensity Score gematchten Datensatz von knapp 60.000 Patienten. Die direkten Krankheitskosten waren in allen sieben Single Pill Kohorten niedriger als in den jeweiligen Vergleichsgruppen (Abbildung 4). In vier von sieben Fällen war das auch statistisch signifikant. Dabei sind höhere Medikationskosten für die Single Pills bereits berücksichtigt. Hauptgrund für die geringeren Kosten war die geringere Häufigkeit an Krankenhauseinweisungen, aber auch Arztbesuche bei Allgemeinmedizinern und Fachärzten waren teils seltener und trugen zu den Einsparungen bei [2].
Insgesamt stellt sich mit den jetzt publizierten Ergebnissen der START-Studie einmal mehr die Frage, warum die Leitlinienempfehlungen zu Single Pills nur recht zögerlich umgesetzt werden. So gibt die ESC/ESH Leitlinie aus 2018 [3] eine starke Ib-Empfehlung für die Kombination zweier Wirkstoffe bei neu diagnostizierter Hypertonie und betont, dass solche Kombinationen vorzugsweise als Single Pill gegeben werden sollten. Tatsächlich bekommen in Deutschland beispielsweise rund eine Million Patienten die Kombination aus Ramipril plus Amlodipin als Monosubstanzen und eine Single Pill Therapie könnte ggf. eine Einsparung in den Gesundheitskosten bewirken [2, 4]. Durch eine Single Pill könnten gemäß START-Ergebnissen pro Patient bei dieser Kombination 1064,65 € (siehe Abb. 4) eingespart werden.
# Medikations-, Hilfs/Heilmittelkosten, ambulante Kosten Hospitalisierungskosten
Literatur:
[1] Wilke T et al. Integrated Blood Pressure Control 2022; 15:11-21
[2] Wilke T et al. J Comp Eff Res 2022; 11(6):411-22
[3] Williams B et al. Eur Heart J 2018; 39:3021-104
[4] INSIGHT Health GmbH & Co.KG, Waldems-Esch, PIA Datenstand September 2022