Zu spät zum Arzt - Kyphose war schon fixiert
Meist wird Patienten mit Morbus Scheuermann zur konservativen Therapie ein Korsett angepasst. Bei einem 17-Jährigen war es dafür schon zu spät, so dass die Orthopäden nur noch Krankengymnastik empfehlen konnten.
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Bleibt die Kyphose bei angehobenem Oberkörper, deutet das auf ein spätes Stadium.
© PD A. Schuh / Dr. W. Hönle, Neumarkt
NEU-ISENBURG. Rezidivierende Schmerzen an Lenden- und Brustwirbelsäule führten einen 17-jährigen Jugendlichen zum Orthopäden. Ein Blick auf den Rücken ließ sofort an Morbus Scheuermann denken. Doch für die Korsettbehandlung war es zu spät.
Denn es lag bereits eine kontrakte Hyperkyphose der Brustwirbelsäule (BWS) vor, berichten Privatdozent Alexander Schuh und Dr. Wolfgang Hönle vom Klinikum Neumarkt i. d. Oberpfalz (Orthopädie & Rheuma 2011, 2: 50).
Sichtbar in Bauchlage bei angehobenem Oberkörper
Sichtbar wird dies, wenn man den Patienten in Bauchlage auffordert, den Oberkörper zu heben. Im Anfangsstadium eines Morbus Scheuermann (Adoleszentenkyphose) korrigiert sich dann die übermäßige Konvexität der BWS.

Die Wirbelsäulendeformität mit Keilwirbeln im Röntgenbild.
© PD A. Schuh / Dr. W. Hönle, Neumarkt
Die übliche konservative Behandlung besteht aus der Physiotherapie und der Korsettbehandlung. Häufig müsse die Kyphose erst mit einem so genannten Spindelgips aufgedehnt werden, bevor das Korsett angepasst werde, so Schuh und Hönle.
Ziel: Die Progression aufzuhalten
Mit der Krankengymnastik sollen vor allem die verkürzte ischiokrurale Muskulatur, die lumbale Streckmuskulatur, die Mm. pectoralis sowie die Nackenstrecker behandelt werden. Therapieziel ist es, die Progression der Wirbelsäulendeformität mit Keilwirbelbildung aufzuhalten und im Idealfall das Wachstum zu normalisieren.
Bei juvenilen Kyphosen mit einem Cobb-Winkel von über 70° besteht die Indikation zur chirurgischen Korrektur dann, wenn lumbale Schmerzen und ein erheblicher Leidensdruck vorliegen. In der Regel erfolgt die dorsale Korrekturspondylodese.
Sportarten mit erheblichen Kompressions- und Torsionsbelastungen vermeiden
Schuh und Hönle raten zudem zu einem kontrollierten Krafttraining der Bauch- und Rückenmuskulatur. Vermieden werden sollten alle Sportarten, die mit erheblichen Kompressions- und Torsionsbelastungen der Wirbelsäule einher gehen, etwa Kampfsportarten wie Judo oder Ringen, Gewichtheben, aber auch Squash, Rudern oder Radsport in Rennfahrerhaltung.
Der 17-jährige Patient war bereits ausgewachsen, so dass er nicht mehr von der Korsett-Behandlung profitiert hätte. Die Orthopäden empfahlen Krankengymnastik, und er erhielt eine sportmedizinische Beratung.
Morbus Scheuermann
Bei der juvenilen Kyphose sind die Verknöcherungsvorgänge an den knorpeligen Randleistenapophysen der Brustwirbelkörper und manchmal auch der oberen Lendenwirbelkörper gestört.
Die meist schmerzlose Deformität wird im Allgemeinen während eines Wachstumsschubs in der Pubertät auf-fällig. Jungen erkranken vier- bis fünfmal häufiger als Mädchen.