Baden-Württemberg
Corona-Impfung als soziale Frage: Ganze Gruppen wurden „vergessen“
Eine Auswertung von Corona-Impfquoten in Baden-Württemberg bestätigt Befürchtungen sozialer Benachteiligung: Hochbetagte mit Migrationshintergrund wurden teils kaum oder nur mit Verzögerung erreicht.
Veröffentlicht:Stuttgart. Wie kommt es, dass im Landkreis Emmendingen 30,7 Prozent der Einwohner eine Erstimpfung gegen das Coronavirus erhalten haben, in Pforzheim aber nur 11,9 Prozent (Stand 2. Mai)? Das geht aus einer Auswertung der baden-württembergischen Landesregierung hervor, die die Impfquoten der Stadt- und Landkreise ausgewertet hat (siehe nachfolgende Karte).
Basis dafür war die Postleitzahlenauswertung der Geimpften, der konkrete Ort der Impfung wurde nicht berücksichtigt. Impfungen in Arztpraxen sind in die Auswertungen allerdings nicht eingegangen.
Danach sind die Impfquoten in Universitätsstädten (Freiburg: 27,1 Prozent, Landkreis Tübingen: 26,6 Prozent) oder auch im ländlichen Raum wie in Emmendingen besonders hoch. Anders dagegen Städte, die wie Mannheim (17,9 Prozent Erstgeimpfte) größere Bevölkerungsgruppen mit „schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen aufweisen“, so das Sozialministerium.
Die Unterschiede ließen sich allein aus der Bevölkerungszahl, den Impfstoffmengen oder der Entfernung zum nächsten Impfzentrum nicht erklären.
Unterschiede um den Faktor 3
Bei einer Veranstaltung des Ministeriums am 4. Mail berichtete der Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz von Impfquoten in bestimmten Stadtteilen, die um Faktor 3 niedriger sind als in Quartieren mit günstigen sozialen Rahmendaten.
Besonders erschreckend: In den ersten sechs Wochen der Impfkampagne wurden in Mannheim über 80-jährige Bewohner mit Migrationshintergrund fast überhaupt nicht geimpft – obwohl sie in der Stadt ein Viertel dieser Altersgruppe ausmachen. Mannheim hat auf die Auswertung bereits mit einem Modellprojekt reagiert. Seit Anfang der Woche wird im Stadtteil Hochstätt auch in einem Stadtteilzentrum geimpft.
Die Auswertungen ließen klar erkennen, dass insbesondere in sozialen Brennpunkten und Quartieren mit sozial benachteiligter Bevölkerung aufsuchende Impfangebote wichtig seien, sagte Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne): „Wir müssen verstärkt zu jenen Menschen gehen, die ansonsten schwer zu erreichen sind.“
Aktive Sozialarbeit spiegelt sich in Impfquoten wider
Dass aktive Sozialarbeit vor Ort einen Unterschied machen kann, zeigt sich nach Angaben des Landesgesundheitsamts bei den Impfquoten unter Obdachlosen. Diese können in Wohnheimen und Unterkünften seit einigen Wochen von mobilen Teams geimpft werden – die Impfquoten variieren zwischen den Städten im Südwesten erheblich.
Am wichtigsten seien daher Kommunikation, Kontakte und Vorbilder, so Amtschef Professor Uwe Lahl. „Wir überlegen nun, wie wir das in unserer Impfkampagne noch besser umsetzen können.“