"Wer kommt, bekommt"
Bayern kämpft jetzt um jeden Corona-Impfling
Monatelang gab es zu wenig Impfstoff. Jetzt wendet sich das Blatt und es droht der Verfall des wertvollen Vakzins. Der Freistaat setzt weiter auf Freiwilligkeit und neue Möglichkeiten.
Veröffentlicht:München. Mit flexibleren Impfmöglichkeiten und der Aussicht auf mehr Freiheiten will Bayern wieder mehr Schwung in die Corona-Impfungen bringen. „Der Kampf um den Impfstoff ist zum Kampf um den Impfling geworden“, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek am Dienstag nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts in München. Es liege jetzt in der Hand von jedem Einzelnen. „Es ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, aus dem sich keiner wegducken kann.“
In einem ersten Schritt hatte der Ministerrat zuvor beschlossen, dass sich die Menschen im Freistaat künftig ohne Vorab-Registrierung und Termin, landkreis- und bundeslandübergreifend und auch bei mobilen Impfteams gegen Corona impfen lassen können. Solche Impfteams sollen sich etwa vor Geschäften, auf Märkten oder bei Sportveranstaltungen aufstellen. In Impfzentren seien auch Drive-in-Schalter ein Weg.
„Wer kommt, bekommt“
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, jeder solle so schnell eine Impfung erhalten; „Wer kommt, bekommt.“ Er sprach von Impfen „to go“ etwa in Schwimmbädern und bei Vereinen oder „am oder im Wirtshaus“. Auch mit Fast-Food-Ketten werde über die Etablierung von Impfangeboten gesprochen. Verkaufsoffene Sonntage, Markttage, Supermärkte und Malls sollten in die Überlegungen mit einbezogen werden, auch Arbeitsämter oder Jobcenter seien Möglichkeiten.
Zusätzlich locken könnte die noch Unentschlossenen die Aussicht auf Freiheiten durch den kompletten Impfschutz. „Ich glaube, der erste Ansatz, den wir dringend brauchen, ist mehr Freiheiten für Geimpfte“, sagte Söder. Dazu gehöre etwa der Wegfall von Quarantäne-Vorschriften für zweifach Geimpfte und „ab Herbst auf jeden Fall die Öffnung von Clubs und Nachtgastronomie“.
Dauerhaft kostenlose Tests?
Derzeit seien solche Erleichterungen noch „relativ sinnlos“, da es gerade bei jüngeren Menschen noch kaum zweifach Geimpfte gebe, betonte Söder. Ab Herbst müsse es dann auch darum gehen, dass vollständig Geimpfte bei Kultur- und Sportveranstaltungen nicht mehr zur zulässigen Personenzahl hinzugerechnet würden. „Also das heißt, mehr Freiheiten, keine Pflicht.“
Trotz der weiter sinkenden Impfbereitschaft lehnte Söder eine Impfpflicht ab. Man sei auch dagegen, dass der Staat eine Prämie zahle, sagte Söder. Söder betonte aber, dass wie in Frankreich auch hierzulande darüber nachgedacht werden müsse, ob die Corona-Tests dauerhaft kostenlos bleiben könnten.
Ärzte und Zentren in Kombination
Ziel der Staatsregierung ist es, wieder mehr Menschen von der hohen Bedeutung der Impfungen zu überzeugen. Zudem soll es künftig möglich sein, dass Erst- und Zweitimpfungen von niedergelassenen Ärzten und Impfzentren in Kombination vorgenommen werden. Impfzentren sollen auch „Familiensonntage“ für Eltern und Kinder ab zwölf Jahren anbieten können, „vielleicht mit einem kleinen Eis hinterher für die Jüngeren“, sagte Söder. Er betonte: „Wir müssen jetzt den Sommer nutzen, so viel wie möglich zu machen.“
Die Nachfrage nach Impfterminen habe in den vergangenen Wochen massiv nachgelassen, sagte Söder. Dies sei besonders bedauerlich, da endlich genug Impfstoff zur Verfügung stehe – würden sich die Menschen weiterhin so impfen wie bisher, „hätten wir in 90 Tagen alle über zwölf Jahren geimpft“. Leider sei aber festzustellen, dass es sowohl weniger Anmeldungen für Impfungen gebe als auch immer mehr Absagen von bereits vereinbarten Terminen.
Viele AstraZeneca-Dosen vor Verfallsdatum
In diesem Zusammenhang betonte Holetschek, dass von den rund 280.000 Dosen des Herstellers AstraZeneca bis Ende Juli bereits rund 15.300 vom Verfall bedroht seien. Er appellierte an den Bund, keine Dosen verfallen zu lassen. Stattdessen sollte das Vakzin besser dorthin gebracht werden, wo es auf Akzeptanz stoße – denkbar wären hier etwa andere Länder oder Partnerstädte von bayerischen Städten. Verantwortlich sei in der Frage aber letztlich der Bund. (dpa)