Perspektivenwechsel
Carla Kniestedt – vom Fernsehen in die Gesundheitspolitik
Von der Beobachterin zur Gestalterin: Bevor Carla Kniestedt Landtagsabgeordnete in Brandenburg wurde, moderierte sie viele Jahre das „Heimatjournal“. Als Quereinsteigerin hat sie einen besonderen Blick auf die Gesundheitspolitik.
Veröffentlicht:Potsdam. Wenn die Grünen-Politikerin Carla Kniestedt vor einem Krankenhaus in Brandenburg vorfährt, bleiben die Menschen auf dem Parkplatz tuschelnd stehen. „Ist das nicht...?“ Und manche Passanten sprechen sie dann auch direkt an.
Denn Carla Kniestedt kennt man in Brandenburg: Jahrelang moderierte die Fernsehjournalistin das „Heimatjournal“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), eine Sendung, die im Wortsinne aus der Region berichtete. Von den Marktplätzen und aus den Dörfern des Landes meldeten sich die Moderatoren, lokale Probleme standen im Zentrum der Sendung.
2019 allerdings hat die Fernsehjournalistin die Seiten gewechselt. „Mir ging es damals vor allem darum, der AfD im ländlichen Raum des Landes etwas entgegenzustellen“, sagt Kniestedt auf der Terrasse eines Cafés, das sie seit einigen Jahren in Lychen, ganz im Norden des Landes Brandenburg und schon am südlichen Ende der mecklenburgischen Seenplatte gelegen, betreibt.
„Ich habe dann überlegt, für welche Partei ich antreten könnte, und da ging nur Bündnis 90/Die Grünen – und zwar wegen der Herkunft der Partei aus der Bürgerrechtsbewegung der ehemaligen DDR.“ Denn Kniestedt ist es wichtig, dass Menschen miteinander reden und unterschiedliche Positionen ins Gespräch gebracht werden. Ein Ansatz, den sie aus ihrem bisherigen Beruf mit in die Politik genommen hat.
Als Nachrückerin ins Parlament
Bei den Landtagswahlen gelang ihr dann tatsächlich der Einzug in das Parlament – als Nachrückerin, weil Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher und Umweltminister Axel Vogel laut Parteisatzung neben ihrem Amt kein Landtagsmandat wahrnehmen dürfen. Seitdem ist aus der Fernsehjournalistin eine Gesundheitspolitikerin geworden, die sich in bemerkenswertem Tempo in ihre Themen eingearbeitet hat.
„Bei den Grünen wollen traditionell viele Abgeordnete in den Umweltausschuss, und Themen aus dem Bereich der Landwirtschaft und des Naturschutzes anpacken“, sagt Kniestedt. „Das Gedränge, in den Gesundheitsausschuss zu kommen, war hingegen – übersichtlich.“
Gesundheits- und Sozialpolitik gehörten nach wie vor nicht zur DNA ihrer Partei. „Aber ohne gute Versorgung im ländlichen Raum, ohne Angebote für die Menschen, die da arbeiten, brauchen wir über andere Themen gar nicht reden“, sagt Kniestedt. Weswegen sich die Abgeordnete vor allem für die Gesundheitsversorgung in der Region starkmacht.
Das Schicksal kleiner Krankenhäuser im ländlichen Raum interessiert die Politikerin, dazu die Stärkung der Pflege. „Mir ist es wichtig, dass die Pflegeberufe besser in der Gesellschaft wahrgenommen werden“, sagt Kniestedt. „Ohne die Pflegekräfte würde unser Gesundheitssystem schnell zusammenbrechen.“
Deswegen sieht es die Abgeordnete als Erfolg auch ihrer Fraktion an, dass die Brandenburger Kenia-Koalition erst kürzlich einen „Pakt für Pflege“ startete. Dazu kommt die Belastung des Gesundheitswesens in der Corona-Pandemie: Immer wieder stand dieses Thema in den letzten Monaten im Landtag zur Debatte an.
Reden, aber auch mit anpacken
Doch Kniestedt ist es wichtig, bei der Bewältigung der Krise auch selbst mit anpacken zu können. Als sie erfuhr, dass zu Beginn der ersten Welle in den Krankenhäusern Schutzmaterialien fehlten, fuhr sie in den Gastro-Großhandel und kaufte Einweghandschuhe.
Die Brandenburger Kliniken nahmen ihr die Handschuhe begeistert ab – „die Handschuhe trug dann das Küchenpersonal, das vorher auch mit medizinischen Handschuhen arbeitete“, erinnert sich Kniestedt. Dadurch wurden die medizinische Ausrüstungsgegenstände frei für den Einsatz auf den Stationen.
Und erst vor einigen Wochen absolvierte sie einen Lehrgang beim Deutschen Roten Kreuz: Vor den Sitzungen ihrer Fraktion und des Landtags könnte die Abgeordnete nun bei ihren Kolleginnen und Kollegen Corona-Tests durchführen, bei ihren Mitarbeitern macht sie es mittlerweile regelmäßig.
„Zu viele Partikularinteressen“
Allerdings musste die Politikerin in den vergangenen Monaten auch Dinge lernen, die sie vorher unterschätzte. Zum Beispiel die Art und Weise, wie mit der angeblichen Komplexität des Gesundheitswesens umgegangen wird. „Was mich wirklich stört, ist, wenn die Komplexität als Argument dafür verwandt wird, warum etwas nicht geht“, sagt Kniestedt. „Die angebliche Komplexität des Themas wird zu oft zu einem Argument dafür, dass sich Dinge nicht verändern müssen.“
Zudem gebe es zu viele Partikularinteressen im Gesundheitswesen. Immer wieder schöben einzelne Gruppen ihre speziellen Themen ganz nach vorn, „ohne vielleicht mal danach zu gucken, was für die Anderen gerade wichtig ist.“ Doch auch hier will sich die Grünen-Abgeordnete für einen anderen Politikstil einsetzen: „Menschen miteinander ins Gespräch kommen zu lassen, habe ich beim Fernsehen ja gelernt.“