Exit aus dem COVID-19-Shutdown

Corona-Öffnungsszenarien: Dieburg könnte, ziert sich aber

Das südhessische Dieburg dürfte nach dem Willen der Landesregierung Lockerungen der Corona-Beschränkungen in einem Modellversuch erproben. Allein der rechte Wille fehlt dort. Denn: Beworben hatte man sich gar nicht.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht: | aktualisiert:
Der Bajazz auf dem Dieburger Fastnachtsbrunnen trägt Mund-Nasen-Schutz. Zum Schelmenstück taugt auch die Teilnahme der Stadt am Modellprojekt für Lockerungen der Corona-Maßnahmen.

Der Bajazz auf dem Dieburger Fastnachtsbrunnen trägt Mund-Nasen-Schutz. Zum Schelmenstück taugt auch die Teilnahme der Stadt am Modellprojekt für Lockerungen der Corona-Maßnahmen.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Wiesbaden/Dieburg. Seit Beginn der Coronavirus-Pandemie ist die Frankfurter Virologin Professor Sandra Ciesek schnell zur wichtigsten Ratgeberin der hessischen Landesregierung und vor allem des bis dahin in Gesundheitsdingen unerfahrenen Sozialministers Kai Klose (Grüne) in Sachen SARS-CoV-2 geworden. Doch der neuste Plan von Schwarz-Grün gefällt der Direktorin des Instituts für Virologie der Frankfurter Uniklinik offenbar gar nicht.

Als Klose zusammen mit Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am 30. März die drei Modellkommunen vorstellte, in denen vielfältige Öffnungen von Handel und Gastronomie in Verbindung mit massiven Testungen erfolgen sollen, war Ciesek nicht dabei. Auf Twitter stellte sie jüngst klar: „Dazu kann ich nichts sagen, weil ich damit nichts zu tun habe.“

Im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“ äußerte sie sich am Dienstag allerdings kritisch zu Öffnungsstrategien wie etwa im Saarland oder in Modellregionen: „Die Verantwortung wird auf den Bürger abgewälzt“, sagte die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Wenn geöffnet würde, müsse dem Bürger klar sein, dass das nichts mit Sicherheit zu tun habe.

Keine eigene Bewerbung

Dies dämmert auch einer der drei ausgewählten Modellkommunen in Hessen. Im südhessischen Dieburg war sich die Stadtpolitik nämlich bis Donnerstag überhaupt nicht sicher, ob sie denn Modellstadt sein will. Der Grund ist ein sehr kurioser: Während sich etwa 100 Kommunen bei der Landesregierung um den Sonderstatus beworben hatten, hatte dies Dieburg überhaupt nicht getan.

Vielmehr hatte sich der komplette Landkreis Darmstadt-Dieburg beworben – die Wahl von Bouffier und Klose fiel dann aber nur auf die Stadt Dieburg. „Ich selbst habe 40 Minuten vor Beginn der Pressekonferenz hiervon erfahren“, erklärte Bürgermeister Frank Haus (parteilos) später.

Am Donnerstagvormittag beschloss der Magistrat nun eine etwas schwammige Position: Man wolle wohl grundsätzlich mitmachen, vorerst aber dennoch keine Öffnungen vornehmen. Derzeit könne das Gesundheitsamt keine lückenlose Kontaktnachverfolgung garantieren, hieß es zur Begründung.

Eine „engmaschige Kontrolle des Infektionsgeschehens“ war aber eine der Voraussetzungen der Landesregierung für die Teilnahme am Modellversuch, die dazu auch auf den Sonderweg im baden-württembergischen Tübingen verwies. Außerdem muss die jeweilige Stadt ausreichende Testkapazitäten zur Verfügung stellen, das örtliche Gesundheitsamt muss zustimmen und die Sieben-Tage-Inzidenz muss unter 200 liegen.

Kontaktverfolgung nicht sicher

Sollte eines dieser Kriterien nicht mehr erfüllt sein oder eine Überlastung der stationären Versorgung dort festgestellt werden, werde das Projekt abgebrochen, hatte Sozialminister Klose betont.

Die Kritik innerhalb der Landtagsopposition zu den Plänen hätte unterschiedlicher nicht ausfallen können. „Wo die Inzidenzen noch nicht ganz so hoch sind, machen wir auf, damit sich das Virus besser ausbreiten kann“, kritisierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Christiane Böhm.

FDP-Fraktionschef René Rock hingegen nannte die Wahl lediglich dreier Kommunen „mutlos“ und plädierte dafür, „mit entsprechenden Konzepten hätten alle geeigneten und interessierten Städte oder auch Kreise die Möglichkeit bekommen sollen zu beweisen, dass Gesundheitsschutz und Öffnungen in Einklang zu bringen sind.“

Einkaufen mit Tagespass

Beweisen wollen dies auf jeden Fall die beiden anderen ausgewählten Modellstädte: das nordhessische Baunatal und Alsfeld im mittelhessischen Vogelsbergkreis. So durften zum Start am Donnerstag in Alsfeld zunächst Einzelhandelsgeschäfte in der Kernstadt öffnen. Zum Einkaufen braucht es einen aktuellen, negativen Corona-Test. Weitere mögliche Lockerungen etwa für die Außengastronomie sollen erst in einem zweiten Schritt erfolgen.

In Baunatal sollen am Montag in einem festgelegten Innenstadtbereich Geschäfte sowie die Außengastronomie öffnen dürfen, wie die Kommune am Freitag mitteilte. Sogar ein Kino soll dann am kommenden Donnerstag an den Start gehen.

Allzuviel Zeit zum Abwägen, ob man nun auch Modellstadt sein möchte oder nicht, bleibt Dieburg hingegen nicht: Für alle drei Modellversuche hat die Landesregierung eine Laufzeit bis 1. Mai ausgerufen.

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