Sterbewillige
Hamburgs Ärztekammer setzt auf breiten Konsens bei der Suizidbeihilfe
Die Delegierten der Hamburger Ärztekammer haben einstimmig Eckpunkte zum weiteren Vorgehen bei dem ethisch und rechtlich äußerst komplexen Thema Suizidbeihilfe beschlossen.
Veröffentlicht:Hamburg. Ein besserer Schutz für Sterbewillige und eine gesetzliche Regelung, die in der Ärzteschaft konsentiert und möglichst breit verankert ist: Diese Kernforderungen erhebt die Delegiertenversammlung der Ärztekammer Hamburg, von der die Abgeordneten zugleich eine weitere Beteiligung an der gesellschaftlichen Diskussion erwarten.
Damit befürworten die Delegierten den in den vergangenen Monaten eingeschlagenen Kurs der Kammerspitze um Präsident Dr. Pedram Emami, die sich wie berichtet mit Veröffentlichungen und Online-Diskussionen mehrfach zum Thema geäußert hatte. Emami zeigte sich denn auch zufrieden mit der Diskussion und den Beschlüssen. „Es war eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung, die von hohem Respekt der unterschiedlichen Positionen geprägt war“, sagte Emami. Vize-Präsidentin Dr. Birgit Wulff sprach von einem „Meilenstein“ und verwies auf das einstimmige Votum, mit dem die Kammer sich nun weiter an der gesellschaftlichen und innerärztlichen Diskussion beteiligen könne.
Keine Verpflichtung für Ärzte
Die Kammerdelegierten beabsichtigen, die bislang in der Hansestadt geltende Berufsordnung mit dem Verbot der Suizidbeihilfe unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes anzupassen. Seit dem Urteil im Februar 2020 ist die geschäftsmäßige Förderung eines Suizids nicht mehr strafbar, das Gericht hatte zugleich das Recht auf selbstbestimmtes Sterben als Ausdruck von Autonomie anerkannt.
Vor diesem Hintergrund beschlossen die Hamburger Delegierten nun folgende Eckpunkte:
- Die (Muster-)Berufsordnung sollte unter Berücksichtigung des Bundesverfassungsgerichtsurteils angepasst werden.
- Ärzte dürfen keinem Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt werden.
- Eine Verpflichtung zum ärztlich assistierten Suizid darf es nicht geben.
- Eine Tötung auf Verlangen durch Ärzte darf es weiterhin nicht geben.
- Suizidwünsche von gesunden Personen dürfen nicht primär an Ärzte adressiert werden.
Zudem sprachen sich die Delegierten für eine Reihe von Schutzbestimmungen für Suizidwillige aus, darunter eine Verstärkung von Aktivitäten zur Suizidprävention und zur Beratung Suizidwilliger sowie eine klare Trennung zwischen den Instanzen, die den Suizidwunsch bewerten und denen, die diesen umsetzen.
Immer mehrere Ärzte beteiligen
Außerdem sollten nach Ansicht der Delegierten die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme der Palliativmedizin verstärkt und bei einer Beratung auf alternative Handlungsoptionen verwiesen werden. Dabei sollten den Suizidwilligen auch konkrete Hilfsangebote und Behandlungsmöglichkeiten unterbreitet werden.
Wichtig ist den Delegierten zudem, dass sich Suizidwillige ihren Willen frei, unbeeinflusst von einer psychischen Störung und ohne unzulässige Einflussnahme oder Druck bilden können. Wenn Ärzte an der Entscheidung über die Gewährung einer Suizidassistenz beteiligt sind, dann nicht allein: Bei einer Einzelfallentscheidung sollten mehrere Ärzte, etwa in Form eines Gremiums aus verschiedenen Fachdisziplinen, beteiligt sein.
Der Prozess der Bewertung und der Umsetzung des Suizidwunsches sollte nach Ansicht der Delegierten transparent vollzogen und dokumentiert werden. Auch halten sie eine retrospektive Bewertung des Vorgangs für angezeigt.
Der Deutsche Ärztetag wird sich Anfang Mai mit dem Thema beschäftigen. Das Bundesgesundheitsministerium hat kürzlich einen Gesetzentwurf erarbeitet, der aber nach jetzigem Stand nicht veröffentlicht werden soll.