Moderna statt BioNTech
KVNo/KVWL: Spahns Ankündigung ist wie Sand im Getriebe der Praxen
Ein Treppenwitz, Beispiel für die Unzuverlässigkeit der Politik – auch in den beiden KV-Regionen in NRW ist der Unmut groß, die Corona-Vakzine von BioNTech zu kontingentieren.
Veröffentlicht:Düsseldorf/Dortmund. Die Vorsitzenden der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) Dr. Frank Bergmann und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) Dr. Dirk Spelmeyer haben die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums scharf kritisiert, die Liefermengen für den Corona-Impfstoff Comirnaty® von BioNTech/Pfizer zu kontingentieren. Die KVWL-Vertreterversammlung hat eine Resolution verabschiedet, in der sie das Ministerium auffordert, die Kontingentierung zurückzunehmen.
„Nur 30 Impfdosen BioNTech sind ein Treppenwitz“, sagte Bergmann auf der hybriden KVNo-Vertreterversammlung am Freitag in Düsseldorf. Die KVNo hatte während der Sitzung die Nachricht erreicht, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte ab Ende November vor allem den Impfstoff von Moderna verwenden sollen, da die Bestände sonst bald zu verfallen drohen. Von Comirnaty sollen die Praxen nur noch bis zu 30 Dosen erhalten, die Impfzentren bis zu 1020.
„Das ist wieder ein Beispiel für die Unzuverlässigkeit der Politik, die uns in den Praxen bereits häufig Probleme bereitet hat“, betonte Bergmann. Die Ankündigung wirke wie Sand im Getriebe der Praxen. Das könne man wirklich nicht gebrauchen, gerade nicht in einer Zeit, in der die Politik mehr Impfeinsatz von den Ärzten erwarte.
KV-Chef zweifelt an Spahns Begründung
Das bestätigte die Pädiaterin Christiane Thiele. In ihrer Praxis könne sie nur den Impfstoff von BioNTech verimpfen, sagte sie. Sie fühle sich allein gelassen, wenn sie jetzt Eltern und Kinder, die einen Impftermin haben, wieder abbestellen müsse. „Die KV soll sich dafür einsetzen, dass wir weiter beliebig viel Impfstoff bekommen, egal welchen wir bestellen“, forderte Thiele.
Für Unmut haben die Pläne auch bei der KVWL-Vertreterversammlung am Samstag gesorgt. Mit der Ankündigung des Ministeriums werde wie bereits zu Anfang des Jahres die Diskussion über die Impfungen wieder in die Praxis verlagert, sagte der KVWL-Vorsitzende Spelmeyer. „Das wird dem Fortschritt der Impfkampagne schaden.“
Der KVWL-Chef ist skeptisch, was die Gründe für die Kontingentierung von Comirnaty® betrifft. Er könne nur hoffen, dass die Aussage stimme, dass der Impfstoff Spikevax® von Moderna sonst verfällt. „Oder sollten neue Lieferengpässe drohen, weil das Ministerium die Leistungsbereitschaft des ambulanten Systems unterschätzt hat?“ Das wäre dann der eigentliche Skandal. „Wenn das so ist, hoffe ich, dass die Journalisten in diesem Land das aufdecken werden“, betonte Spelmeyer.
„Mangelverwaltung“ in den Praxen
Die Verunsicherung bei den Hausärzten sei groß, berichtete Dr. Martin Mansfeld vom Hausärzteverband Westfalen-Lippe. Es gebe bereits eine große Zahl von Anfragen zu der Begrenzung des Impfstoffs. „Das ist ein respektloser Umgang mit uns und unserer ärztlichen Tätigkeit“, sagte er.
„Es wird unsäglich werden“, befürchtet Frauenärztin Ute Krahé. Die Gynäkologen könnten Schwangere nur mit dem Impfstoff von BioNTech impfen. Es gebe fast stündlich einen erhöhten Bedarf an Impfstoff, sagte sie. „Wir werden eine Mangelverwaltung haben“, warnte Krahé.
Moderna-Vakzine nicht diskreditieren
„Wir werden hier im Regen stehen gelassen“, monierte der Präsident der Bundesärztekammer Dr. Klaus Reinhardt. Bei allem Ärger über das Vorgehen der Politik müssten die Ärzte aber aufpassen, dass sie in der Öffentlichkeit den Impfstoff von Moderna nicht diskreditieren, betonte er. „Es wird ein echter Drahtseilakt, die Menschen nicht zu verunsichern“, bestätigte Spelmeyer.
In einer einstimmig verabschiedeten Resolution kritisiert die KVWL-Vertreterversammlung die Kontingentierung und fordert eine „vollständige Lieferung der gewünschten Impfstoffe ohne Substitution“. Sonst sei die Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoff gefährdet.