Nordrhein-Westfalen

Klinikplan: Qualität soll die Messlatte sein

NRW-Gesundheitsminister Laumann legt den Entwurf für sein Mammutprojekt vor: Der neue Krankenhausplan soll Qualität zum Maßstab machen. Wie viele Häuser dadurch vom Netz gehen – das weiß niemand.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Stellt den Entwurf des Krankenhausplans als „lernendes System“ vor: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU)

Stellt den Entwurf des Krankenhausplans als „lernendes System“ vor: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).

© Rolf Vennenbernd / dpa

Düsseldorf. Die neue Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen nimmt Gestalt an. Der Abschied von der Bettenzahl als entscheidender Planungsgröße ist besiegelt. Sie wird ersetzt durch die Orientierung an medizinischen Leistungsbereichen und Leistungsgruppen.

„Ziel der neuen Krankenhausplanung ist es, eine hochwertige, innovative, bedarfsgerechte und flächendeckende Patientenversorgung durch besonders leistungsfähige Krankenhausstrukturen sicherzustellen“, sagte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bei der Vorstellung des Entwurfs am Freitag in Düsseldorf. Der neue Krankenhausplan sei bewusst als „lernendes“ System angelegt worden.

Der Minister hatte die Eckpfeiler für eine Reform der Krankenhausplanung im September 2019 vorgestellt. Grundlage war ein Gutachten, das die damalige Versorgungssituation erfasst hatte. Es hatte gezeigt, dass es in NRW eine flächendeckende Versorgung mit Allgemeinkrankenhäusern gibt, einen Trend zur Überversorgung in Ballungsgebieten und teilweise eine Unterversorgung in ländlichen Regionen.

Maximal 20 Minuten bis zur nächsten Klinik

Das neue Konzept setzt auf eine flächendeckende Grundversorgung und eine gute Erreichbarkeit für die Patientinnen und Patienten. Für über 90 Prozent der Bevölkerung soll ein Krankenhaus innerhalb einer Autofahrt von 20 Minuten erreichbar sein. Gleichzeitig sollen sich die stationären Angebote stärker als bisher am tatsächlichen Bedarf und an der Behandlungsqualität orientieren.

Ziel der Krankenhausplanung sei es, die Kliniklandschaft gut zu koordinieren und eine transparente Aufgabenverteilung in den Regionen zu stärken, erläuterte der Minister. „Das geht am besten mit neuen Parametern.“ Das sind die Leistungsbereiche und Leistungsgruppen. Den Gruppen werden jeweils bestimmte Qualitätskriterien zugeordnet, in der Regel Mindestvoraussetzungen. „Dazu gehören die Ausstattung, aber auch die Routine und die Fallzahlen.“

Während die Planung zurzeit noch 22 Fachabteilungen in den Blick nimmt, sind es künftig 64 Leistungsgruppen mit 32 übergeordneten Leistungsbereichen, die sich an der ärztlichen Weiterbildung orientieren.

Zum Beispiel: Die Kardiologie ist ein Leistungsbereich, die Leistungsgruppen sind EPU/Ablation, Interventionelle Kardiologie, Kardiale Devices und Minimalinvasive Herzklappenintervention. Zum Leistungsbereich Frauenheilkunde gehören die Leistungsgruppen Allgemeine Frauenheilkunde, Ovarial-CA, Senologie und Geburten.

Nächster Schritt: Einbringung im Landtag

Der Landesausschuss für Krankenhausplanung hat den neuen Krankenhausplan in 50 Arbeitsgruppen-Sitzungen erarbeitet. Im Herbst soll der Entwurf dem Gesundheitsausschuss des Landtags vorgelegt werden. Ab Anfang nächsten Jahres soll es an die Umsetzung gehen.

Dann müssen Krankenhäuser und Krankenkassen in insgesamt 16 Versorgungsgebieten regionale Planungskonzepte aushandeln. Erst dann wird sich herausstellen, wie sich der neue Krankenhausplan auf die einzelnen Häuser auswirken wird. Nach der Schätzung des Ministeriums werden die Planungsverfahren über das gesamte Jahr 2022 laufen. Erst danach werden die ersten Feststellungsbescheide vorliegen.

Aussagen darüber, wie viele der derzeit 350 Krankenhäuser den Umbau voraussichtlich nicht überleben werden, machte Laumann nicht. Es sei nicht das Ziel der Reform, die Zahl der Kliniken zu reduzieren, betonte der Leiter des Bereichs Krankenhaus im NRW-Gesundheitsministerium Ulrich Langenberg, der frühere Geschäftsführer der Ärztekammer Nordrhein.

„Bunte“ Trägerstruktur soll erhalten bleiben

Ihm sei wichtig, dass die „bunte“ Krankenhauslandschaft mit einer vielfältigen Trägerstruktur erhalten bleibt, betonte Laumann. „Ich will starke freigemeinnützige Strukturen in die Zukunft führen.“

Mit seinem Vorstoß zur Reform der Krankenhausplanung will der Minister auch einer möglichen Verlagerung der Krankenhausplanung auf die Bundesebene zuvorkommen. Dabei würde der Gemeinsame Bundesausschuss eine zentrale Rolle spielen, sagte er.

Das würde der Situation in NRW nicht gerecht, sagte Laumann. „Wir können die Gestaltung unserer Krankenhauslandschaft nicht Zufällen überlassen, aber auch nicht Gremien, die fernab der Realitäten arbeiten.“ Am Ende müsse der Krankenhausplan von demokratisch legitimierten Politikern verantwortet werden.

Die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) trage das bislang entwickelte Konzept mit, sagte ihr Präsident Jochen Brink. Es seien aber noch viele Fragen offen. Die Krankenhäuser würden sich notwendigen Veränderungen nicht verschließen, betonte Brink. „Allerdings steht auch fest: Der neue Krankenhausplan kann und wird nur funktionieren, wenn er auch mit ausreichenden finanziellen Mitteln unterfüttert ist.“

KGNW will zusätzlich 200 Millionen Euro pro Jahr

Brink forderte von der Landesregierung eine Zusage ein, dass für die notwendigen Veränderungen zusätzliche Mittel verfügbar sein werden. Zunächst sind nach seinen Angaben pro Jahr 200 Millionen Euro notwendig. Die Schließung von Krankenhäusern und der Aufbau von Ressourcen kosteten schließlich Geld.

Minister Laumann nahm dazu nicht direkt Stellung. Er verwies aber auf den Krankenhaus-Strukturfonds, in dem in NRW zurzeit 840 Millionen Euro liegen. Damit könne man schon jetzt die sich abzeichnenden Strukturveränderungen angehen, sagte er.

„Es ist gut, dass Nordrhein-Westfalen auf eine bessere Strukturierung, eine sinnvolle Aufgabenteilung und auf mehr Kooperation der Krankenhäuser untereinander und mit den niedergelassenen Ärzten setzen will“, lobte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe Dr. Hans-Albert Gehle. Dafür sei der Einstieg in eine differenzierte Leistungsplanung prinzipiell ein geeignetes Mittel.

Wichtig ist Gehle, dass es keine Ausdünnung der Versorgung in ländlichen Regionen geben wird. „Wir brauchen grundversorgende wohnortnahe Krankenhäuser und Kooperationen für die Spezialisierungen, die wir machen müssen.“

Ausreichend qualifizierte Ärzte sind das A & O

Die Qualität der medizinischen Versorgung hängt für Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, entscheidend von der angemessenen Ausstattung der einzelnen Abteilungen mit richtig qualifizierten Ärztinnen und Ärzten ab.

„Auch zukünftig müssen alle Patientinnen und Patienten in einem Krankenhaus, egal ob dieses auf dem Land oder in einem Ballungsgebiet liegt, auf qualifizierte Ärztinnen und Ärzte treffen, die genügend Zeit haben, sich um ihre Beschwerden zu kümmern“, sagte er.

Dabei spiele die Weiterbildung eine zentrale Rolle. „Deshalb plädieren wir sehr dafür, Weiterbildungsverbünde zwischen Standorten der Spezialversorgung und solchen der Regelversorgung verbindlich vorzugeben, um dem ärztlichen Nachwuchs das geforderte breite Spektrum der Weiterbildung zu ermöglichen.“

Tom Ackermann, Chef der AOK Nordwest, sieht NRW mit dem künftigen Krankenhausplan auf einem guten Weg, gerade wegen der Orientierung an der Behandlungsqualität und dem medizinischen Bedarf. „Wir begrüßen die Änderungen, weil wir sie als richtungsweisend sehen.“

Konzentrationsprozess bei komplexen Leistungen

Die Beteiligten hätten mit der Krankenhausplanung ein „hervorragendes Instrumentarium“ entwickelt, lobte auch Matthias Mohrmann, Vorstand der AOK Rheinland/Hamburg. „Nun wird es darum gehen, es auch gut einzusetzen.“ Es werde Veränderungen in der Versorgungsstruktur geben. Bestimmte, insbesondere komplexe Leistungen werden konzentriert, erwartet er. Aber eines sei klar: „Eine flächendeckende Grundversorgung stellt niemand in Frage.“

Die zweijährigen Arbeiten an dem jetzt vorliegenden Entwurf sei ein Kraftakt gewesen, der allen Beteiligten viel abverlangt hat, sagte Dirk Ruiss, der Leiter des Ersatzkassenverbands vdek in NRW. „Das, was wir bisher erreicht haben, ist erst der erste Schritt von mehreren.“ Aus Sicht der Kassen stellte Ruiss klar: „Wir wollen eine Qualitätsreform und keine Kostenreform.“

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